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Interview mit Andreas Müller: "Ich habe den Schritt, ins österreichische Team zu wechseln, noch keine Minute bereut."
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10.12.2009

Interview mit Andreas Müller: "Ich habe den Schritt, ins österreichische Team zu wechseln, noch keine Minute bereut."

Info: Bahn-Weltcup III - Cali
Autor: Thorsten Schmidt (www.sixdaysinfo.de)



10.12.2009 - Kurz vor den Weltcuprennen in Cali berichtet der diesjährige WM-Dritte Andreas Müller im Exklusivinterview von www.sixdaysinfo.de von seiner Rolle in der österreichischen Nationalmannschaft, begründet seine Kritik an den Olympia-Reformplänen der UCI, plaudert über seine Radtour nach Litauen und verrät, wo er seine Bronzemedaille aufbewahrt.

Du kommst gerade vom Sechstagerennen in Gent. Wie war das Rennen für Dich?

Sehr gelungen. Gent ist immer toll: Volle Halle, tolle Stimmung. Dazu ein spannendes Rennen mit vier Mannschaften, die am Ende noch um den Sieg fahren. Ich glaube, da konnten wirklich alle zufrieden sein: Zuschauer, Veranstalter, Sponsoren und auch die Sportler. Ich war zufrieden. An den beiden ersten Tagen hatte mein Partner Leon van Bon leichte gesundheitliche Probleme. Aber so ein alter Diesel beißt sich da durch. Wir konnten uns nach vorn kämpfen und waren als Sechste die Besten vom Mittelfeld. Damit war ich hochzufrieden.

Es gab im Finale zwei Rennen in einem. Vier Mannschaften kämpften um den Sieg und drei Teams hatten noch Chancen auf Platz sechs. Bekommst Du in solch einer Situation vom Fight um den Sieg überhaupt was mit oder bist Du ganz auf Deine direkten Gegner konzentriert?

Ich bin schon komplett auf das Duell untereinander konzentriert. Wer am Ende gewonnen hat, das sehe ich eigentlich erst nach dem Zielsprint. Es saßen uns ja noch zwei Teams im Nacken und wir wollten unbedingt den sechsten Platz verteidigen. Da ist es mir völlig egal, wer vorne die Punkte holt.

Wie geht's Dir direkt nach einem Sechstagerennen? Wie lange brauchst Du zum regenerieren?

Ich brauche schon ein paar Tage, um mich wieder voll fit zu fühlen. Am ersten Tag bin ich sehr müde, aber im Körper ist noch ganz viel Adrenalin und Spannung drin. Am zweiten und dritten Tag kommt die große Leere und ich häng einfach nur durch. Am vierten Tag geht´s dann besser, dann setze ich mich auf´s Rad und danach fühle ich mich wieder okay (lacht).
Wobei ich sagen muss, dass ich das in diesem Winter besser verkrafte als im letzten. Da hatte ich immer wieder mit kleinen Erkältungen zu kämpfen. Das geht doch an die Substanz und dann dauert die Regeneration länger. In diesem Jahr bin ich gesund und erhole mich schneller.

Träumst Du denn während oder direkt nach den Sechstagerennen von der Bahn? Dreht sich dann alles im Kreise?

Also wenn ich träume, dann sind das schon hektische und schnellere Träume als im Sommer, wenn ich nach 200 km geradeaus auf der Straße müde ins Bett falle. Während der Sechstagerennen schlafe ich wesentlich unruhiger als sonst. Das hat sicherlich etwas damit zu tun, dass sich der ganze Tagesablauf verschiebt. Wenn wir bis eins oder halb zwei auf dem Sattel sitzen, dann schlafe ich selten vor drei Uhr ein. Ich bin noch so aufgedreht. Es ist ja nicht nur die sportliche Anstrengung. Die Stimmung in der Halle, die laute Musik... All diese Eindrücke werden im Schlaf noch verarbeitet.

Du bist direkt von Gent nach Haus nach Berlin gefahren. Wie oft siehst Du deine Wohnung überhaupt?

Nicht so oft (lacht). Ich würde sagen, mehr als ein Drittel des Jahres bin ich nicht zu Hause. Aber daran bin ich gewöhnt. Zusätzlich zu den Sechstagerennen bin ich ja auch noch viel mit der Nationalmannschaft unterwegs. Da hat sich über die Jahre nicht viel geändert. Früher war es die deutsche Nationalmannschaft, jetzt halt die österreichische.

Seit zwei Jahren fährst Du im österreichischen Trikot. Hat sich der Wechsel für Dich gelohnt?

Auf jeden Fall. Für mich passt alles optimal zusammen. Ich habe alle Freiheiten, die ich brauche. Ich habe meinen Hauptwohnsitz weiterhin in Berlin. Ich kann meine Sechstagerennen fahren wie bisher. Ich bin 3-4 Mal im Jahr zu Lehrgängen in Wien. Und fahre die Meisterschaften und die Weltcups so wie vorher auch. Und ich werde dort gut betreut. Ich habe den Schritt, ins österreichische Team zu wechseln, noch keine Minute bereut.

Und wie ist die sportliche Bilanz? Das Ziel war, um dich herum als Routinier eine konkurrenzfähige junge Truppe für Olympia aufzubauen. Bislang aber sehen die jungen Fahrer nur dein Hinterrad, und das auch nur mit Mühen. Haben die Jungen noch mehr Potential oder ist einfach nicht mehr drin?

Gut. Das muss man schon sagen: International sind die jungen noch nicht auf der Überholspur. Ich hoffe schon, dass da noch mehr Potential ist. Das geht halt nicht von heute auf morgen. Der neue Nationaltrainer Roland Wafler ist erst ein Jahr im Amt. Der macht gute Arbeit. Das hat uns alle einen Tick nach vorn gebracht. Vom Leistungsstand gesehen ist neben mir der Werner Riebenbauer die Stütze des Teams. Der ist jetzt 35 und von dem kann ich noch was lernen. Seine Mitarbeit im Bahnteam ist für mich sehr wichtig. Die Jüngeren sind leistungsmäßig noch nicht ganz im Soll. Aber bis Olympia sind ja noch zwei Jahre Zeit. Da kann noch viel passieren.

Stichwort Olympia: Man kennt Dich als eher ruhigen und zurückhaltenden Sportler. Aber vor ein paar Wochen bist Du in einem Interview in Österreich mal richtig laut geworden, weil die UCI und das IOC beschließen wollen, schon für London 2012 das Bahn-Programm neu zu gestalten. Wie stehst Du heute zu diesen Plänen?

Dieses Interview habe ich nicht aus einer spontanen Verärgerung heraus gegeben. Ich würde das heute wieder genauso wiederholen wollen. Ich bin immer noch mächtig verärgert. Ich stelle mich gar nicht gegen Veränderungen an sich. Aber diese Veränderungen müssen dann aus sportlicher Sicht auch sinnvoll sein. Und es ist vor allem die Art und Weise, die mich aufregt. Jeder, der ein bisschen Sachverstand hat, weiß doch, dass alle Fachverbände - nicht nur im Radsport - in den Vierjahreszyklen zwischen den Olympischen Spielen planen. Das betrifft die Kaderzusammenstellungen, die Trainingslager, die Wettkampfplanung und vor allem auch die Finanzierung dieser Maßnahmen und die finanzielle Absicherung der Sportler. Da ist es einfach ein Unding - ich rege mich schon wieder auf - mitten in einem Olympiazyklus zwei Jahre vor einer Olympiade den Sportlern zu sagen, Pech gehabt, war alles umsonst, eure Disziplinen gibt es nicht mehr. Wenn man jetzt Veränderungen für 2016 beschließen würde, dann wäre das okay, weil sich die Sportler, Trainer und die Verbände darauf einstellen könnten und eine Planungssicherheit gegeben wäre.
Dazu kommt noch, dass die Veränderungen, so wie sie momentan geplant sind, aus sportlicher Sicht überhaupt keinen Sinn machen. Die Viererverfolgung als einzig verbleibende Disziplin für die Ausdauerfahrer ist doch nur ein Alibi. Nur wenige große Nationen können überhaupt einen konkurrenzfähigen Vierer zusammenbekommen. Und die Platzierungen stehen doch größtenteils vorher fest. Überraschungssieger, individuelle Klasse eines Fahrers aus exotischen Ländern, völlig unterschiedliche Renntaktiken, all das wird es in der Viererverfolgung nie geben.
Das neu geplante Omnium hat sicherlich seinen Reiz. Aber es sind sich alle Experten darin einig, dass Ausdauerfahrer keine Chance haben werden. Das Omnium erfordert einen ganz anderen Rennfahrertyp.
Die Begründung für die geplanten Änderungen ist ja, dass die Wettbewerbe der Frauen an die der Männer angeglichen werden sollen. Darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Einen gewachsenen und etablierten Wettbewerb wie das Punktefahren der Frauen will man streichen und dafür Wettbewerbe olympisch machen, für die es überhaupt kein olympiawürdiges Leistungsniveau gibt. Ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hat.

Beim Sechstagerennen in Gent haben alle Fahrer einen Protestbrief an die UCI unterschrieben, der genau diese Kritikpunkte erhält. Von wem ging diese Initiative aus?

Die Initiative ging vom belgischen Radportverband aus. Wir haben genau denselben Brief unterschrieben, den der belgische Verband jetzt öffentlich gemacht hat.

Haben andere nationale Verbände sich dem angeschlossen? Ist Dir vom österreichischen Verband ähnliches bekannt?

Es sind viele Briefe geschrieben worden, aber ich weiß keine Details darüber. Mein Eindruck ist nur insgesamt, dass der Protest der Verbände gerne noch ein paar Zähne zulegen könnte. Die Verbände fühlen sich offenbar ziemlich machtlos gegenüber der UCI. Und das ist der eigentliche Skandal: Von den Statuten her ist die UCI der Dachverband der nationalen Verbände. Die Aufgabe des UCI müsste darin bestehen, die Interessen der nationalen Verbände anderen gegenüber zu vertreten. In diesem Falle also beim IOC.
Tatsächlich aber herrscht seit Jahren bei der UCI eine Funktionärsdiktatur alter Männer. Solche Pläne wie jetzt diese Olympiareform werden ohne Mitwirkung der Fachverbände und gegen deren Interessen von den Funktionären von oben herab einfach beschlossen und alle anderen haben das hinzunehmen. So sollte das nicht sein.

Dann möchte ich jetzt mal auf etwas Erfreuliches zurückblicken. Die Bronzemedaille bei der letzten Weltmeisterschaft im März war bislang Dein größter sportlicher Erfolg. Hattest Du speziell für diese WM trainiert oder hat bei diesem Rennen einfach alles für die gepasst?

Ich hatte schon 2008 zur WM eine richtig gute Form. Nur fehlte mir das Quentchen Glück und ich wurde am Ende Siebter. Da hatte ich mir schon etwas mehr erhofft. Und aus dieser Enttäuschung heraus wollte ich es wissen und habe beim Training vor der WM noch eine Schippe draufgelegt. Ein Sportler spürt vor dem Start, ob er 100% fit ist oder nicht. Und ich habe gewusst, dass ich in guter Form bin und wollte unbedingt was gewinnen. Natürlich gehört auch Glück dazu, dass das Rennen taktisch in deinem Sinne läuft.

Was hat sich durch diese Medaille für Dich verändert?

In erster Linie war die Medaille für mich persönlich sehr wichtig. Es ist total schön für das eigene Selbstbewusstsein, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat. Über viele Jahre hinweg, um einmal eine Medaille gewonnen zu haben. Das ist ein ganz tiefes Gefühl von Zufriedenheit. Darüber hinaus hat mir das speziell in Österreich eine Menge an Presseberichten eingebracht. Das war für das gesamte Team sehr wichtig, dass wir einen Erfolg vorweisen konnten und dass dies auch öffentlich wahrgenommen wurde. In finanzieller Hinsicht, falls Du darauf anspielst, hat sich überhaupt nichts verändert. Keine neuen Sponsoren in Sicht. Das ist wohl der momentanen Situation des Radsports geschuldet. Und ich habe auch nicht mehr und nicht besser dotierte Verträge für die Sechstagerennen bekommen. Da fahren so viele Weltmeister und Olympiasieger mit, da spielt eine Bronzemedaille wirklich keine Rolle.

Wo bewahrst Du die Medaille auf?

Inzwischen hängt die hier an der Wand (lacht). Ich schau die ganze Zeit drauf, während wir telefonieren...

Wieso "inzwischen"?

Naja, in den ersten zwei Wochen bin ich ständig damit rumgerannt (lacht). Nicht offen um den Hals gehängt, aber unterm T-Shirt oder in der Hosentasche. Die wollte doch auch jeder sehen. Und ich war schon stolz wie Oskar.

Im Mai hast Du bei der Vier-Bahnen Tournee einen Grand Slam geschafft und alle vier Punkterennen gewonnen. Wie hältst Du Deine Form über eine derart lange Zeit?

Das war schon toll. Ich würde gern mal wissen, ob das früher schon jemals einer geschafft hat. Lässt sich das irgendwie herausfinden?
Das war noch der Rückenwind von der WM. So eine Medaille ist einfach gut fürs Selbstbewusstsein. Ich hatte nach der WM erst mal Urlaub gemacht und habe mit fünf Freunden zusammen eine Radtour nach Litauen gemacht...

Wie bitte? Erzähl mir das genauer!

Ja, das war eine ganz normale Radtour mit dem Mountainbike. Mit Packtaschen dran und Zelt und Luftmatratze auf dem Gepäckträger. Das war eine tolle Abwechslung für mich und eine sehr gelungene Verbindung von Sport und Urlaub. Das war nicht das erste Mal: Im Frühjahr 2007 bin ich mit dem Rad von Berlin nach Moskau gefahren. 2000 km an dreizehn Tagen. Diesmal ging es über Danzig nach Kaliningrad und dann weiter nach Klaipeda. Das waren gut 900 km und wir waren zehn Tage unterwegs. Von Klaipeda aus sind wir dann mit der Fähre zurückgekommen.
Die Vier-Bahnen Tournee war mein erster Wettkampf nach der WM. Dass ich nach dieser Vorbereitung gleich alle vier Rennen gewinnen werde, damit hatte ich nicht gerechnet (lacht). Aber das bestätigt nur meine Theorie, dass viele Wege zum Erfolg führen.

Was genau meinst Du damit?

Talent, Training und Taktik sind natürlich die Grundvoraussetzung für den Erfolg. Aber darüber hinaus gibt es viele kleine Bausteine, die zusammen passen müssen, damit man als Radsportler erfolgreich sein kann. Wie man seinen Körper pflegt, wie man sein Material behandelt, wie man gesund bleibt, wie man sich ernährt.... Und auch, ob man im Kopf klar ist, sich auf seine Ziele konzentriert, sich nicht ablenken lässt... All das macht mit den Jahren die Erfahrung aus, die sich dann die Jüngeren abkucken sollen...

Ist das Thema Ernährung ein Thema bei den Lehrgängen der Nationalmannschaft?

Schon. Aber nicht so, dass wir jetzt genaue Essenspläne bekommen. Da ist jeder für sich selbst verantwortlich. Ich wiege mein Essen nicht ab und zähle auch keine Kalorien. Als Leistungssportler kannst du und musst du viel essen. Du kannst aber auch viel Schokolade essen und nimmst dabei nicht zu. Aber du merkst es im nächsten Rennen. Und wenn ich beim Trainingslager sehe, dass sich ein jüngerer Fahrer bei jeder Eisdiele an die Schlange anstellt, dann sag ich auch mal was. Aber nur einmal. Denn das sollte eigentlich jeder selbst wissen, was er zu tun und zu lassen hat. Schließlich sind wir Profis.

Gibt es eine mentale Betreuung in der Nationalmannschaft?

Das ist eine der Neuerungen des neuen Bundestrainers. Zukünftig sollen wir mit einem Sportpsychologen zusammenarbeiten. Ich bin da ganz offen und neugierig, was uns das bringt.

Jede Bundesligamannschaft im Fußball hat inzwischen einen eigenen Mentaltrainer. Ist das im Radsport inzwischen auch üblich?

Soweit ich das mitbekomme, ist das bislang eher noch eine Ausnahme. Die Erkenntnis, dass Siege auch im Kopf erzielt werden, hat sich im Radsport noch nicht allzu weit herumgesprochen. Bei neuen Teams mit jungen Trainern vielleicht. Aber wenn einer seit 25 Jahren Sportlicher Leiter ist, wird er wohl nicht im 26. Jahr damit anfangen. Mentaltraining wird im Radsport eher noch stiefmütterlich behandelt.

Nicht nur der Fußball, sondern auch der Radsport hat den Selbstmord eines Sportlers zu verkraften. Dimitri de Fauw hat in Gent gelebt. War sein Tod während des Sechstagerennens ein Thema zwischen Euch Sportlern?

Es gab vor dem Startschuss eine Gedenkminute für Dimitri und es wurden Bilder von seiner Karriere auf der Videowand gezeigt. Die belgischen Fahrer hatten Fotos von Dimitri in die Kojen gehängt. Gesprochen wurde aber wenig darüber. Wenn, dann in Vier-Augen-Gesprächen im Hotel. Jeder hat seinen eigenen Weg, so etwas zu verkraften. Bei einem Wettkampf werden die Gedanken daran eher verdrängt.

Ein ganz anderes Thema: Trainierst Du nur auf der Straße oder auch auf der Bahn?

Als ich jünger war, habe ich regelmäßig auf der Bahn trainiert. Heute versuche ich das so gut es geht zu vermeiden. Das Training auf der Strasse ist härter und daher auch effektiver. Und für mich sind die Trainingsanreize auf der Straße höher. Auf der Bahn fahr ich doch immer nur im Kreis. Bahntraining mache ich nur während der Trainingslager in Wien. Da wird dann an der Feinabstimmung gearbeitet: Anfahren und Ablösen mit dem Vierer oder auch Ablösungen für den Madison-Wettbewerb. Mehr Bahntraining muss ich nicht haben.

Wie sieht dein weiteres Programm für diesen Winter aus?

Morgen fahre ich für ein Rennen nach Genf. Von dort fliege ich zum Weltcup nach Cali. Danach direkt zum Sechstagerennen nach Zürich. Über Weihnachten und Neujahr ist rennfrei. Ich werde wahrscheinlich in dieser Woche auf Mallorca trainieren, um dann topfit zu Euch nach Bremen zu kommen. Dann folgt Berlin und direkt danach beginnt die Vorbereitung für die Weltmeisterschaft Ende März in Kopenhagen.

Ist der Kurztrip zum Weltcup in Kolumbien eine Belastung?

Das weiß ich noch nicht, weil ich noch nie da war. Die lange Flugzeit und die Zeitumstellung sind sicherlich eine Belastung. Ich werde ja sehen, wie kaputt ich in Zürich ankomme. Die Höhenlage ist auch eine Umstellung. Ich kenne das von Mexiko. Cali ist zum Glück nicht ganz so hoch.
Wir haben das diskutiert, ob wir uns das wirklich antun. Auch wegen der Kosten. Aber wir brauchen die Punkte für die WM-Qualifikation. Und nun kommt es so wie es kommt.

Bekommst Du auf solchen Reisen überhaupt etwas anderes zu sehen außer Flughäfen, Hotels und die Halle?

Doch schon. Eigentlich ist immer Zeit für eine Trainingsausfahrt in die Umgebung und einen Stadtbummel. Obwohl wir schon gehört haben, dass es nicht ganz ungefährlich in Kolumbien sein soll. Die Polizei dort hat es wohl nicht so gern, wenn Europäer da in der Gegend rumradeln. Wir werden sehen, was möglich ist.
Egal was passiert, ich finde das immer sehr spannend, wenn ich zum ersten Mal irgendwo hinkomme.

Was machst Du, wenn Du nicht Rad fährst?

In erster Linie viel Lesen. Und ich bin gern im Internet unterwegs. Irgendein traditionelles Hobby wie Briefmarken sammeln habe ich nicht.
Ansonsten bin ich neugierig auf alles, was ich noch nicht kenne. Ich wollte als Kind schon immer möglichst viele Länder kennen lernen. Und wenn ich jetzt die ganzen Reisen im Radsport nutzen kann, um meinen Horizont zu erweitern, indem ich mit offenen Augen durchs Leben gehe, dann ist die Zeit neben dem Radfahren genau so ausgefüllt wie ich es mir vorstelle. Der Sport ermöglicht mir vieles, was ich sonst nie kennen gelernt hätte.

Du bist seit zehn Jahren Profi und die meisten Jahre davon als Ich-AG unterwegs. Alle reden von der Krise: Im Radsport allgemein und bei Sechstagerennen im Besonderen. Wie hat sich das in den letzten Jahren bei Dir ausgewirkt?

So stimmt das nicht. Bis 2006 war ich Sportsoldat bei der Bundeswehr und bin für das Berliner Bianchi-Team gefahren. Erst seitdem mache ich alles auf eigene Faust. Was ja nicht heißt, dass ich mich um wirklich alles selber kümmere. Das geht gar nicht ohne die Hilfe und Unterstützung von anderen. Aber ich bin mein eigener Herr, treffe meine eigenen Entscheidungen und übernehme gern die Verantwortung dafür. Mir gefällt das sehr gut. Ich gehe gerne unorthodoxe Wege.
Was die finanzielle Seite betrifft, so wissen wir alle, dass der Bahnradsport nicht auf Rosen gebettet ist. Ich denke, dass es wichtig ist, sich über seine Ansprüche und Möglichkeiten im Klaren zu sein. Ich will die für mich optimale Leistung erreichen und das noch möglichst lange. Ich will vom Radsport leben können, weil ich nur als Vollprofi Erfolge haben kann. Wenn ich so viel wie möglich Geld verdienen wollte, hätte ich die falsche Entscheidung getroffen.

Du bist gerade 30 geworden? Was bedeutet dieser runde Geburtstag für Dich persönlich?

Ehrlich gesagt: Gar nichts (lacht). Ich mache nichts daran fest. Und ich war ganz froh, dass ich an meinem Geburtstag in Gent war, dann konnten mich nicht so viele Freunde danach fragen...

Und wie sehen Deine langfristigen Pläne aus?

Ich plane nicht langfristig. Es kriegen immer alle um mich herum eine Krise, wenn ich sage: 15 Minuten sind eine gute Zeit zum Planen. Es kommt wie es kommt. Ich habe bislang in meinem Leben immer gewusst wie es weiter geht.
Ich sehe das so: Ich habe meine Ziele und weiß, wie ich sie erreichen kann. Ob das klappt, liegt nicht in meiner Macht. Die wirklich großen Entscheidungen im Leben bestimmen wir nicht selber. Ob man es Zufall, Schicksal oder Gott nennt, auf jeden Fall liegt es außerhalb unserer Reichweite.
Ich habe es mal mit einem Fernstudium versucht. Politikwissenschaft hatte mich interessiert. Und dann habe ich mich gefragt, was willst Du eigentlich damit? Die Antwort war: Ich will Rad fahren. Mir fehlte das Ziel für dieses Studium. Also habe ich damit aufgehört.
Jeder von uns weiß, dass die Karriere nächste Woche vorbei sein kann. Mein Ziel ist: Ich möchte noch zehn Jahre Rad fahren. Bis dahin werde ich wissen, was ich danach machen werde.

Andreas, ich danke Dir für das Gespräch.





Interview mit Andreas Müller (Quelle: www.sixdaysinfo.de)
Interview mit Andreas Müller (Quelle: www.sixdaysinfo.de)

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