Porrentruy, 08.07.2012 – Wie erhofft wurde die die 8. Etappe zum bisher spannendsten Tag der Frankreich-Rundfahrt. Auf der ungemein bergigen Strecke durch den Jura, die zu mehr als der Hälfte im Schweizer Teil des Mittelgebirgszuges verlief, gab es eine große Zahl von Ausreißern, von denen am Ende genau einer übrig blieb. Thibaut Pinot, der jüngste Teilnehmer in diesem Jahr, konnte sich mit einer famosen Leistung knapp eine halbe Minute vor der Gruppe um das Gelbe Trikot durchsetzen und sorgte für den ersten französischen Etappensieg. Fredrik Kessiakoff (Astana) wurde noch eingeholt, ist aber neuer Träger des Bergtrikots. Ein Kampf der Favoriten am und nach dem letzten Berg sorgte auch in der Gesamtwertung für leichte Veränderungen.
Jens Voigt sticht in heißer Anfangsphase hervor
Ausreißer prägen die Etappe (Foto: letour.fr)
Lange bevor der jüngste Fahrer der Tour de France 2012 Großes vollbrachte, setzte sich der älteste Starter eindrucksvoll in Szene. Direkt nach dem Start der 157,5 Kilometer im französischen Belfort attackierte der 40-jährige Jens Voigt (RadioShack-Nissan) und wollte mit aller Macht eine Fluchtgruppe auf die Beine stellen. Dies gelang ihm auch und unter zehn Begleitern fanden sich große Namen wie Philippe Gilbert (BMC Racing Team) oder Sylvain Chavanel (Omega Pharma-Quick Step). Sie kamen gut eine halbe Minute vom Feld weg, doch Astana verausgabte sich, um die Gruppe zu stellen. An der ersten von sieben Bergwertungen des Tages nach 20 Kilometern war nur noch der unnachgiebige Voigt vorne, der auch für die nächste halbe Stunde über den zweiten Anstieg hinweg alleiniger Spitzenreiter blieb, bis ihn wieder einige der vielen Angreifer einholten. Kurz nach der dritten Bergwertung, als gut 50 Kilometer zurückgelegt waren, fuhr Jérémy Roy (FDJ-BigMat) die kleine Lücke vom Feld zu einer nun schon über zwanzig Mann starken Gruppe zu und setzte sich gleich von ihr ab. Der kämpferischste Fahrer der Tour 2011 fuhr die Côte de Saignelégier hinauf nach rund 70 Kilometern als Erster über die Grenze zur Schweiz, wurde am Gipfel aber von Fredrik Kessiakoff (Astana) eingeholt. Die Rennsituation hatte sich nun stabilisiert, das Hauptfeld ließ dem Duo 2:30 Minute Vorsprung. Eine Minute hinter ihnen befanden sich noch 22 Verfolger, zu denen Voigt nicht mehr gehörte.
Kessiakoff mit Solo ins Bergtrikot, Pinot mit Solo zum Sieg
Pinot gewinnt die Etappe (Foto: letour.fr)
Am nächsten Berg, der schon der fünfte der Etappe war, kamen die ersten Verfolger an Roy und Kessiakoff heran, woraufhin sich der Schwede, der das lange Zeitfahren bei der Tour de Suisse gewonnen hatte, alleine absetzte und auf einer Hochebene nach der Côte de Saulcy wieder gut eine Minute Vorsprung ansammelte. Dort gewann er den Zwischensprint, an dem die Verfolgergruppe nur noch 14 Fahrer umfasste. Darunter befanden sich mit Steven Kruijswijk, Bauke Mollema und Laurens Ten Dam gleich drei aus dem Team Rabobank, und Tony Gallopin (RadioShack-Nissan), der als bester Ausreißer in der Gesamtwertung nur 3:13 Minuten Rückstand aufwies. Das Hauptfeld hielt konstant in etwa zwei Minuten Abstand zu dieser Gruppe, während Kessiakoff wieder mehr Zeit gewinnen konnte und teilweise fast zwei Minuten Vorsprung hatte. Auf den letzten 30 Kilometern gab es noch zwei Berge, an denen sich, nach einer ruhigeren Phase im Mittelteil der Etappe, ein spannender Kampf um Sieg und Gesamtwertung entwickelte. Nächster Anstieg war die Côte de la Caquerelle, wo sich Gallopin und Thibaut Pinot (FDJ-BigMat) auf die Jagd nach Kessiakoff machten. Bis zur vorletzten Bergwertung konnten sie den Abstand auf eine Minute reduzieren. Im folgenden schwersten Berg, dem Col de la Croix (1. Kategorie) gelang es Pinot, sich von Gallopin zu lösen und Kessiakoff zu überholen, der mit Platz zwei an der Bergwertung wenigstens das Gepunktete Trikot übernehmen konnte. Pinot fuhr die letzten 16 Kilometer nach Porrentruy alleine dem Sieg entgegen und erkämpfte sich mit 22 Jahren seinen bisher größten Sieg. Erstmals aufgefallen war das Talent des jungen französischen Kletterers vor zwei Jahren ausgerechnet bei der Tour de Romandie 2010, als er hier in der Westschweiz das Bergtrikot gewann.
Wiggins übersteht Angriffe von Van Den Broeck und Evans
Wiggins bleibt an Evans dran (Foto: letour.fr)
Pinots Sieg fiel letztendlich noch knapp aus, weil es im Etappenfinale auch ein Kräftemessen der Favoriten gab. Liquigas begann vor den letzten beiden Bergen mit der Tempoarbeit, die zuvor das Team Sky alleine erledigen musste. Am Col de la Croix gab es dann ähnlich wie gestern ein (jedoch nicht ganz so selektives) Ausscheidungsfahren. Jurgen Van Den Broeck (Lotto Belisol) griff kurz vor der Bergkuppe an, als Pinot noch eineinhalb Minuten vorausfuhr. Cadel Evans (BMC Racing Team), Vincenzo Nibali (Liquigas), aber auch Leader Bradley Wiggins und Chris Froome (beide Sky) ließen sich nicht abschütteln. Am Ende der Abfahrt zählten zudem Denis Menchov (Katusha) und gleich vier RadioShack-Fahrer zur Gruppe um das Gelbe Trikot: Gallopin war eingeholt worden, Fränk Schleck, Chris Horner und Haimar Zubeldia hatten aufgeschlossen. Die kollektiv starke Leistung brachte ihnen die Führung in der Mannschaftswertung. Dieser Gruppe fehlten im Ziel nur noch 26 Sekunden zu Pinot. Evans holte sich Platz zwei, nachdem er kurz vor dem Ende noch mit einem Angriff versucht hatte, seine zehn Sekunden Rückstand auf Wiggins wettzumachen. Der Brite bewahrte aber seinen Vorsprung, auch auf Nibali (+0:16), Menchov (+0:54) und Zubeldia (+0:59). Diese Top5 haben sich heute noch weiter vom Rest abgesetzt. Mit der dritten Gruppe musste der gestern so starke Rein Taaramäe (Cofidis) knapp zwei Minuten Verlust auf Wiggins hinnehmen und fiel von Rang vier auf zehn, bleibt trotzdem bester Nachwuchsfahrer. Größter Pechvogel des Tages war Olympiasieger Samuel Sanchez (Euskaltel), der bisher auf Gesamtrang zwölf lag. Nach einem Sturz schied er mit möglichen Brüchen in Hand und Schulter aus. Sein Teamkollege Gorka Verdugo stieg ebenso aus, Johannes Fröhlinger (Argos-Shimano) war nicht zum Start angetreten.
Auf der morgigen 9. Etappe wird auf teils welligen 41,5 Kilometern das erste lange Zeitfahren dieser Tour ausgetragen. Vor dem ersten Ruhetag kann Spezialist Wiggins damit seine Führung voraussichtlich noch weiter ausbauen.
Video-Zusammenfassung vom Veranstalter
Der 22-jährige Thibau Pinot gewinnt im Schweizerischen Porrentruy die 8. Etappe der Tour de France 2012 (Foto: letour.fr)
Cadel Evans wird Zweiter, kann aber seine zehn Sekunden Rückstand auf Bradley Wiggins nicht aufholen (Foto: letour.fr)
Die Jura-Etappe wurde von zahlreichen Angriffen und vielen Ausreißern geprägt (Foto: letour.fr)
.jpg)
.jpg)
.jpg)
