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Freudentränen im Regen: Marianne Vos lässt sich den Olympia-Sieg in London nicht nehmen
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29.07.2012

Freudentränen im Regen: Marianne Vos lässt sich den Olympia-Sieg in London nicht nehmen

Info: OLYMPISCHE SPIELE 2012 IN LONDON | Olympia 2012 - Straßenrennen Frauen
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Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



London, 29.07.2012 - Marianne Vos hat es geschafft. Nach fünf Vizeweltmeisterschaften in Folge gewinnt die 25-jährige Niederländerin, die in fast jedem Rennen als Favoritin antritt, endlich wieder einen großen internationalen Titel - den größten, den der Straßenradsport bereithält. Im strömenden Regen von London sprintete Vos zum Olympiasieg, den ihr ihre beiden Mitausreißerinnen nicht streitig machen konnten. Elizabeth Armitstead holte Silber für die britischen Gastgeber, die Russin Olga Zabelinskaja, welche die Flucht in der Abfahrt vom Box Hill initiiert hatte, durfte sich über Bronze freuen. Für die Deutsche Ina Teutenberg sprang an der Spitze des geschlagenen Pelotons nur die Blechmedaille heraus.

66 Athletinnen trotzen dem Londoner Schmuddelwetter
Das freundliche Sommerwetter, welches gestern die männlichen Straßenrennfahrer verwöhnt hatte, war über Nacht einem regnerischen, kühlen und grauen Einerlei gewichen. Stellenweise hatten sich auf der Straße riesige Pfützen gebildet, die Strecke - 140 Kilometer mit Start und Ziel in der Londoner Innenstadt und 2 Passagen auf dem Box Hill - war gefährlich glatt, auch wenn zwischenzeitlich die Sonne zwischen den Wolken hervorblinzelte. Trotz der unangenehmen Witterung verzichteten die 66 Frauen, die ins Rennen um Olympisches Edelmetall gingen, auf eine "neutralisierte Phase"; erste Angreiferin war die Brasilianerin Janildes Fernandez Silva, die man aber an der sehr kurzen Leine hielt. Es folgte ein spannungsgeladenes Belauern im wieder geschlossenen Peloton, bevor einige Mannschaften zu Tempoverschärfungen ausholten. Neben den Australierinnen waren das vor allem die Niederländerinnen und US-Amerikanerinnen. Ellen van Dijk, Kristin Armstrong und auch die eine oder andere Teamkollegin fuhren wiederholt aus dem Feld davon, sowohl in der noch flachen Anfangsphase wie auch als es zum Box Hill hin immer welliger wurde.

Zackiges Tempo, doch keine Vorenscheidung am Box Hill
Das Peloton verkleinerte sich ein wenig - wobei Defekte und Stürze ihr Übriges taten -, aber eine Vorentscheidung fiel noch längst nicht. Auch nicht, als die Athletinnen erstmals das Haupthindernis überquerten. Zu diesem Zeitpunkt zeigte erstmals Großbritannien in Person von Emma Pooley Präsenz im Feld - und Deutschland, vor allem verkörpert durch Charlotte Becker, die gestern kurzfristig gegen Claudia Häusler ausgetauscht worden war. Auch Landsfrau Judith Arndt gab ihre bevorzugte Position am Ende des Pelotons auf und verschärfte die Gangart; die starke US-Amerikanerin Evelyn Stevens, die vielseitig talentierte Kandadierin Clara Hughes und die Niederländerin Marianne Vos, die Top-Favoritin schlechthin, waren sich ebenfalls nicht zu schade, entstandene Lücken abzudichten oder selbst an der Spitze zu fahren. Dennoch konnte keine Einzelkämpferin und keine Mannschaft einen Vorteil erzielen; der Box Hill entfaltete die erwartete selektionierende Wirkung nicht. Erst als alle gedanklich schon wieder auf die Rückkehr nach London eingestellt waren, ungefähr an der 50km-Marke, hatte Olga Zabelinskaya mit einem Angriff Erfolg. Zunächst versuchten Pooley und Zeitfahrspezialistin Amber Neben (USA) vergeblich, die Russin wieder einzufangen. Dann fuhr Marianne Vos hinterher und sorgte dafür, dass ein Spitzenquartett entstand, zu dem außerdem noch Shelley Olds, eine weitere US-Amerikanerin, und, als Vetreterin der Gastgeber, Elizabeth "Lizzie" Armitstead gehörten.

Goldene Gruppe bildet sich bei Rückfahrt nach London - Deutsche außen vor
Die Deutschen, die Italienerinnen und auch die Schwedinnen, die die potenziell vorentscheidende Gruppe offensichtlich verpasst hatten, spannten sich vors Peloton und machten Jagd auf die vier, die sich bei aller Rivalität gut ablösten. Gerade Vos gelang es immer wieder, den Motor in Gang zu halten und so nach und nach über 40 Sekunden Vorsprung herauszufahren. Olds, die einzige reinrassige Sprinterin des Quartetts, hatte einen platten Reifen zu beklagen und fiel zurück. Ausgerechnet jetzt setzte der Dauerregen wieder ein und machte das Finale noch dramatischer. Ebenso wie gestern bei den Männern biss das Verfolgerfeld sich die Zähne an den Ausreißern aus und resignierte zusehends, während man sich vorne bald ernsthaft Gedanken über die Medaillenvergabe machen konnte. An der Flamme Rouge fuhr Olga Zabelinskaya an der Spitze; man sah der 32-jährigen russischen Zeitfahrmeisterin aber deutlich an, dass sie kein Mittel gegen Armitsteads und vor allem Vos' gefürchtete Endschnelligkeit würde finden können. In der Tat ging die Niederländerin an der 250-Meter-Marke vorbei und strebte mit Macht dem Ziel entgegen; die Britin versuchte aus dem Windschatten heraus zu kontern, musste sich aber klar geschlagen geben. Immerhin beschert die 23-Jährige ihren Landsleuten das erste Edelmetall dieser Heimspiele, rettet die angekratzte Ehre der enthusiasmierten neuen "Radsport-Nation". Und auch Zabelinskayas Karriere stößt mit Olympia-Bronze in neue Dimensionen vor.

Die Resultate der Geschlagenen
Gar nicht zufrieden aber dürfte Ina-Yoko Teutenberg sein. Die Sprintkapitänin des deutschen Teams führte 27 Sekunden zurück das Gros der verbliebenen Fahrerinnen ins Ziel und deutete an, was bei einer Massenspurtentscheidung für sie drin gewesen wäre. Weltmeisterin Giorgia Bronzini (Italien), die in der Anfangsphase einen Defekt erlitten hatte und danach keine prominente Rolle spielte, erreichte immerhin noch Platz fünf. Emma Johansson (Schweden) wurde Sechste, vor der zurückgefallenen Shelley Olds und Pauline Ferrand Prévot, dem französischen Nachwuchsstar. Landsfrau Aude Biannic komplettierte die Top10; dazwischen platzierte sich mit Liesbet de Vocht die beste Belgierin. Trixi Worrack wurde 33te, Judith Arndt 37te von 40 gewerteten Finisherinnen. Charlotte Becker büßte für ihre Tempoarbeit und fiel aus dem Zeitlimit. Nicole Cooke, die Triumphatorin von Peking, beendete das Rennen auf Platz 31. Frauen aus Östereich und der Schweiz waren übrigens nicht am Start.

Eine Leistung für die Ewigkeit
Marianne Vos' Freudentränen, die sich unmittelbar nach Überquerung der Ziellinie mit dem Regen mischten, waren beredtes Zeichen dafür, was ihr der Olympia-Sieg bedeutete und welche Erleichterung er darstellte. Die Frau, die seit Jahren als stärkste Radsportlerin überhaupt gilt und bei Eintagesrennen und Rundfahrten Siege am laufenden Meter einfährt - wenn sie nicht gerade den ersten Schlüsselbeinbruch ihrer Karriere auskuriert, wie im Juni geschehen -, diese Marianne Vos hatte bei internationalen Titelkämpfen auf der Straße meist kein glückliches Händchen. Fünf Mal in Folge entging ihr WM-Gold ganz knapp; sie ist Weltmeisterin in Sachen Vizemeisterschaft. Im Radcross, wo die Allrounderin ingesamt fünf WM-Titel holte, und auch auf der Bahn lief es besser - 2008 wurde sie Olympiasiegerin im Punktefahren, aber auf der Straße "nur" Sechste. Nun sind die Palmarès der 25-Jährigen, die im täglichen Leben für Stichting Rabo Women, die Frauen-Abteilung von Rabobank, fährt, um den denkbar bedeutendsten Eintrag des Straßenradsports reicher. Ein Sieg, den ihr niemand mehr nehmen kann.

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