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Armstrong: "Ob mir meine Doping-Vergangenheit oder nur deren Aufdeckung leid tut? - Vielleicht beides"
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10.11.2013

Armstrong: "Ob mir meine Doping-Vergangenheit oder nur deren Aufdeckung leid tut? - Vielleicht beides"

Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



09.11.2013 - Lance Armstrong hat sich in einem vierteiligen Interview, das in den vergangenen Tagen bei Cyclingnews.com erschien, so ausführlich wie noch nie seit seinem medienträchtigen Doping-Geständnis zu seinem früheren Leben als Radprofi und seiner jetzigen Situation geäußert.

Das Gespräch fand in Armstrongs provisorischer Wohnung in Austin statt; Kameras waren nicht zugelassen und der einstige Tour-Rekordsieger weigerte sich, Fragen nach Namen von Mittätern und zu bestimmten Details zu beanworten - unter Verweis auf eine Wahrheitsfindungs- und Versöhnungskommission von WADA und UCI, mit der er gegebenenfalls kooperieren würde. Dennoch offenbarte der US-Amerikaner, dass sein Einstieg in die Doping-Szene bereits vor dem Jahr 1995 in seiner Zeit bei Motorola geschah. Es habe einen Moment gegeben, in dem die niederschwellige Medikamenteneinnahme, z. B. von Cortison, in regelrechtes Doping umgeschlagen sei. Armstrong wählte das Bild vom "low-octane" und "high-octane" Doping. Bei Motorola sei der Umschwung irgendwann zwischen 1993 und 1995 erfolgt. Dass die UCI unter ihrem damaligen Chef Verbruggen in den 90er Jahren nicht mehr gegen die unerlaubte Leistungssteigerung unternommen habe, leuchte ihm ein. Sie habe schlicht und ergreifend aus Mangel an beweiskräftigen Testverfahren keine Handhabe gehabt. Verbruggen - der sich kürzlich in einem offenen Brief selbst von allen Vorwürfen betreffend seine Amtszeit freisprach - habe sich vielleicht nicht für das Thema interessiert, es habe aber auch nichts gegeben, was er hätte tun können. Heute sei der Radsport sehr viel weiter - leider mache er aus diesem Vorteil gegenüber anderen Sportarten aber nicht genug, da ihm die Lobby fehle.

Mehrfach kam Armstrong auf den von ihm selber begangenen Fehler zu sprechen, zu offensiv den Saubermann gespielt zu haben. Zu aggressiv und demonstrativ habe er die Vorwürfe zurückgewiesen, was die Fallhöhe vergrößert und den Absturz verschlimmert habe. Insbesondere seine Bezugnahme auf seine Krebserkrankung - "Ich habe dem Tod ins Auge gesehen, wie sollte ich da Drogen nehmen" - reue ihn heute zutiefst. Es handle sich um den Inbegriff der Hybris. Aber genau dies habe seine Fans daran glauben lassen, dass seine Geschichte perfekt sei, ihm eine ganz eigene Wirkmächtigkeit und die Aura der Unbesiegbarkeit verliehen. Armstrong bestritt, dass das Doping-Netzwerk von US Postal - wie die USADA geschrieben hatte - ausgeklügelter gewesen sei als das anderer Teams. Im Gegenteil bezeichnete er es als "konversativ". Das sei auch der Grund dafür, warum ihm so schwer auf die Spur zu kommen gewesen sei. Er leugnete auch, dass es eine "schwarze Liste" mit unliebsamen Kritikern gegeben habe, die er konsequent mundtot machte. Sie seien vom Armstrong-Momentum quasi überrollt worden. Er habe sich aber bisweilen auch unfair verhalten, z. B. gegenüber Filippo Simeoni. Vielen seiner Gegner habe er eine Versöhnung angeboten, auch Betsy Andreu, jener Frau, gegenüber der er als schwer Krebskranker ein Geständnis abgelegt haben soll, an das er sich aber definitv nicht erinnere.

Armstrong sprach auch über sein Comeback im Jahr 2009, ohne das er - so gab er zu - vielleicht niemals mit der Wahrheit herausgerückt wäre. Er betonte mehrfach, dass er dabei sauber gefahren sei und dass er die gespeicherten Blutproben dann, wenn es Tests für Blutdoping geben werde, gerne erneut untersuchen lassen wolle. Auf die Härte seiner Strafe - lebenslängliche Sperre, Aberkennung aller Resultate zwischen 1998 und 2005 - angesprochen, sagte er, dass er sich zwar nicht beklagen wolle, dass von gleichen Spielregeln ("level playing field") aber nicht die Rede sein könne. Er habe niemals das Angebot einer Strafreduktion im Falle einer Kooperation erhalten, auch wenn das von der USADA so kommuniziert worden sei. Seine früheren Kollegen seien allesamt mit mehr Nachsicht behandelt worden. Er wisse zwar nicht, ob er einen Deal akzeptiert hätte, auf jeden Fall habe ein solcher nie zur Debatte gestanden und sei von ihm auch nicht abgelehent worden. Das Wort "Hexenjagd" wollte Armstrong zwar nicht in den Mund nehmen, er sprach aber von einer "Vendetta" zwischen ihm und USADA-Chef Travis Tygart. Zu seinen größten Zukunfshoffnungen zähle, dass er dem Radsport, den er immer noch liebe, auf irgendeine Weise von Nutzen sein und dass er eines Tages wieder für seine Stiftung Livestrong tätig sein könne. Seine Gelben Trikots bedeuteten ihm viel und er werde sie auch in seinem neuen Haus an die Wand hängen.

Auf eine der entscheidendsten Fragen - nämlich ob es ihm leid tue, was er getan habe oder nur, dass er erwischt worden sei - wusste Armstrong keine Antwort. "Vielleicht beides", sagte er und: "Ich bereue die Art und Weise, wie ich damit umgegangen bin. Ich kann mich nicht deutlicher ausdrücken. Ich schäme mich. Es ist einfach nur beschämend."





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