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Rückblick: Die Bilanz des Team Milrams und seiner Fahrer bei der Tour de France 2010
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29.07.2010

Rückblick: Die Bilanz des Team Milrams und seiner Fahrer bei der Tour de France 2010

Info: TOUR DE FRANCE 2010
Autor: Jörg Schröder (Links2003)



Paris, 29.07.2010 - Drei Wochen Tour de France, 20 Etappen, 1 Prolog und zwei Ruhetage liegen hinter den Fahrern und auch uns Zuschauern. Schon vor und während der Rundfahrt haben wir zwischendurch einen besonderen Blick auf die Leistungen der deutschsprachigen Fahrer bei der diesjährigen Frankreichrundfahrt geworfen. Nach dem Ende ist es nun an der Zeit, abschließend ein Fazit zu ziehen. In unserem ersten Teil vorgestern beleuchteten wir das Abschneiden der österreichischen und schweizerischen Fahrer sowie des einzigen Schweizer Teams bei der Tour, gestern folgte der angekündigte zweite Teil mit den deutschen Teilnehmern – mit Ausnahme der Fahrer des Team Milrams, das wir uns heute vorgenommen haben mitsamt allen seinen neun Fahrern.

Nicht nur auf das sportliche Abschneiden konzentrierte sich das Interesse an der einzigen deutschen ProTour-Mannschaft Milram während der Tour de France, sondern auch darauf, ob an den Ruhetagen ein Nachfolgesponsor bekannt gegeben werden konnte. Positives konnte hier leider nicht vermeldet werden, ebenso wie das sportliche Abschneiden durchwachsen war. Dass dem Team am Ende des Jahres jedoch kein Geldgeber mehr zur Verfügung steht und somit das Aus besiegelt scheint, merkte man den meisten Fahrer jedoch kaum an. Ein sportliches Aufbäumen gab es nicht, wenngleich die Tour verheißungsvoll mit einem 10. Platz im Prolog und einem zweiten Platz im Massensprint auf der 5. Etappe begann. Am Ende war dies jedoch neben dem zweimaligen Gewinn der Mannschaftswertung schon mit das Positivste während der drei Wochen, was die Fahrer Zählbares auf die Straße brachten. War es vielleicht die Ungewissheit, die viele Fahrer hemmte? Dabei müssen sich die Tourstarter am wenigsten Gedanken um einen neuen Vertrag machen. Mit Leistung überzeugen konnten sie jedoch kaum. Das Teamziel Etappensieg wurde verpasst, auf vielen Etappen schüttelten die Medienvertreter und Fans nur den Kopf über das Abschneiden und vor allem das Auftreten der „Milchmänner“. Im Folgenden betrachten wir die Leistungen der neun Fahrer genauer:

In den Sprintentscheidungen lagen die Hoffnungen auf den Schultern von Gerald Ciolek (23) . Auf der fünften Etappe gelang dem Pulheimer fast der erhoffte Befreiungsschlag für das Team. In Montargis musste er sich nur seinem ehemaligen Teamkollegen Mark Cavendish geschlagen geben, der im weiteren Verlauf die Massensprints dominieren sollte. In Guegnon folgte am Tag darauf mit Rang fünf ein weiteres Topresultat, das jedoch für lange Zeit das letzte bleiben sollte. Auf der 11. Etappe sprang zwischenzeitlich noch einmal Rang 10 heraus, erst wieder zum Schluss der Tour auf den Champs-Élysées erreichte Ciolek als 6. noch einmal ein Spitzenresultat. In den Sprints fehlte dem Deutschen oft die nötige Endgeschwindigkeit, aber vor allem auch die Teamunterstützung in der Endphase, so dass es in der Punktewertung nur Platz 8 wurde. Bekam er die Unterstützung doch einmal, ging es wie auf dem 18. Abschnitt gründlich schief, als ihn Teamkollege Luke Roberts am Ende noch ausbremste. In den Bergen tat sich der eigentlich als bergfest geltende Sprinter lange Zeit schwer und war oft bei den Fahrern dabei, die früh den Anschluss verloren. Ein Highlight ließ er dann jedoch auf Etappe Nummer 16 in den Pyrenäen folgen, als er sich unter anderem über Col du Tourmalet in der Gruppe der Favoriten hielt, der viele Bergfahrer nicht hatten folgen können, um am Ende immerhin 14. der schweren Bergetappe zu werden. Licht und Schatten wechselten sich bei Ciolek in diesem Jahr damit ab.

Einmal während der Tour konnte Johannes Fröhlinger (25) auf sich aufmerksam machen. In den Alpen schaffte er es auf der 9. Etappe in die Gruppe des Tages, am Ende war das Terrain jedoch zu schwer für den jungen Deutschen. Die Mitausreißer musste er ziehen lassen und während die noch um den Tagessieg kämpfen, wurde er noch weit durchgereicht. Immerhin hatte er es trotz körperlicher Probleme einmal offensiv probiert. Danach fuhr er die Rundfahrt unauffällig zu Ende, auf einigen Flachetappen noch mit Tempoarbeit für Teamkollege Ciolek.

Leise Kritik übte Teammanager Gerry van Gerwen nach Ende der Tour auch öffentlich an Linus Gerdemann (27 Jahre) . Immerhin mit einem Etappensieg und einem Tag im Gelben Trikot in der Vergangenheit dekoriert, hatte man sich gerade vom Teamkapitän einiges in Frankreich erhofft. Ein 10. Platz im Prolog machte Hoffnung, die jedoch nicht erfüllt werden sollte. In der ersten Woche fuhr er noch sehr aufmerksam, auch wenn er durch Defektpech Zeit verlor. Auf der Ardennen-Etappe sicherte er sich Rang 8, sein sportlich wertvollstes Resultat war jedoch der 12. Rang auf der 7. Etappe, bei der er zudem mit viel Mut vergeblich aus der Gruppe der Favoriten dem späteren Etappensieger Sylvain Chavanel nachgesetzt hatte. In den Bergen konnte er die Favoriten früh nicht mehr halten, hatte jedoch ohnehin einen Etappensieg anstatt einer guten Platzierung in der Gesamtwertung angestrebt. Den Sprung in eine gute Gruppe schaffte er danach nicht mehr, richtig auf fiel er noch einmal auf der 18. Etappe. In der Endphase attackierte er bei starkem Gegenwind aus dem Hauptfeld, anstatt wie abgesprochen an der Seite von Ciolek zu bleiben. Weit kam er damit jedoch nicht. Nach gutem Beginn war von Gerdemann leider kaum mehr was zu sehen, eine verlorene Tour für eine der deutschen Zukunftshoffnungen.


Weitere Rückblicke zur Tour de France im Laufe der Woche ...

Gleich in seiner ersten Saison in der höchsten Rennklasse wurde Roger Kluge (24) für die Tour de France nominiert. Der Bahnspezialist tat sich erwartungsgemäß in den Bergen schwer und gehörte dort stets zu den ersten Leidenden. Seine Aufgabe war jedoch auch die Unterstützung von Gerald Ciolek, die er bis zu seinem vorzeitigen Ausscheiden auch ordentlich verrichtete. Bei einem Sturz zog sich der Jüngste im Team jedoch einen Kahnbeinbruch zu, sodass er nach dem ersten Ruhetag in den Alpen zur 9. Etappe nicht mehr antreten konnte. Am meisten auf sich aufmerksam machen konnte der gebürtige Cottbuser zuvor jedoch bereits auf der 3. Etappe nach Arenberg, wo er sich auf dem Kopfsteinpflaster wohl fühlte und alle drei Zwischensprints aus einer Ausreißergruppe heraus gewinnen konnte. Abgesehen von seiner Verletzung und dem vorzeitigen Aus kann Kluge zufrieden mit seiner Premieren-Tour sein.

Kleiner Lichtblick im Team war der deutsche Meister Christian Knees (29) . Auf der ersten Etappe ging er den zahlreichen Stürzen im Finale aus dem Weg und wurde 8., am Folgetag wurde er auf der jedoch im geschlossenen Feld zu Ende gefahrenen Etappe 5. Nachdem er auf der 7. Etappe als Ausreißer unterwegs war, ließ er sich anscheinend jedoch von den durchwachsenen Leistungen der Teamkollegen anstecken. Der Sprung in eine Gruppe gelang nicht mehr, auch wenn er es ab und an versuchte. Erst auf den Straßen von Paris zeigte er noch einmal sein Können. In einer größeren Gruppe lag er 12 Kilometer vor dem Ende vorne, ehe er diese mit einer Attacke früh zersprengte und damit vielleicht auch zu früh dezimierte, sodass alle wieder eingeholt wurden. Auch wenn Knees darauf verzichtete, seinen Möglichkeiten entsprechend eine ordentliche Platzierung im Gesamtklassement anzustreben zu Gunsten eines Etappensieges, und zwischendurch auch unglücklich agierte, so gehört Knees zu den Fahrern mit denen das Team noch einigermaßen zufrieden sein kann.

Einziger Nicht-Europäer im Team war Luke Roberts (33) . Nach Jahren bei kleineren deutschen Teams holte Milram den Australier zurück in die ProTour. Mit seiner Erfahrung sollte er dem noch jungen Team zur Seite stehen. Auch in der Sprintvorbereitung sollte er für Ciolek eingesetzt werden, auf der 18. Etappe ging dies jedoch völlig schief, als er sich mit seinem Teamkollegen in die Quere kam und ihm jede Chance auf eine gute Platzierung nahm. Rein sportlich sorgte er jedoch dennoch für eines der Highlights. Auf der schweren Pyrenäen-Etappe nach Bagnères-de-Luchon verkaufte sich Roberts in auf für ihn ungewohntem Terrain teuer. Erst am letzten Berg wurde er von der Favoritengruppe um Alberto Contador und Andy Schleck eingeholt. Dort hielt er sich in der Abfahrt, um im Ziel der 15. Etappe zu einem hervorragenden 5. Platz zu sprinten. Völlig zu Recht wird dieses Ergebnis von der Teamleitung als eine der wenigen gelungenen Aktionen während der Tour als Anschauungsobjekt herangezogen, um den anderen zu zeigen, was mit Willen und Kampfgeist möglich war. Dieser war vielen Teamkollegen von Roberts zwischenzeitlich völlig abgesprochen worden.

Kaum in Erscheinung treten konnte Thomas Rohregger (27) . Sein Abschneiden in Frankreich betrachteten wir bereits bei unserem Rückblick auf die Leistungen der Österreicher bei der diesjährigen Ausgabe.

Niki Terpstra (26) . reiste mit der Empfehlung des Gewinns der niederländischen Meisterschaft gegen die starke Rabobank-Mannschaft zur Tour. Milram setzte auf den starken Fahrer vor allem in Ausreißergruppen. Dazu sollte es jedoch nicht kommen, bereits krank in die Große Schleife gestartet konnte der Niederländer mit Fieber nicht mehr zur dritten Etappe antreten. Damit erreichte er leider nicht einmal die erste Etappe auf französischem Boden.

Viel erhoffen durfte man sich von Fabian Wegmann (30) . Der Sieger des Eschborn-Frankfurt-City Loops in diesem Jahr weiß, wie man bei der Tour attackiert, trug sogar bereits das Bergtrikot bei früheren Ausgaben und sollte auch in diesem Jahr wieder auf Etappenjagd gehen. Vor dem Feld sah man den Münsteraner jedoch leider nicht. Schuld daran war sicherlich auch eine Erkrankung, die die Einnahme von Antibiotika nötig machte. Cleverness bewies er jedoch auf der zweiten Etappe in den Ardennen, die das Feld geschlossen zu Ende fuhr. Er hielt sich dabei in der ersten Reihe auf und staubte so einen dritten Platz ab. Dennoch wird weder Wegmann noch das Team mit seiner Leistung in diesem Jahr zufrieden sein.



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