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CIRC-Abschlussbericht befasst sich mit Doping in Vergangenheit und Gegenwart, entlastet UCI von Korruptionsvorwurf, gibt Empfehlungen für die Zukunft
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09.03.2015

CIRC-Abschlussbericht befasst sich mit Doping in Vergangenheit und Gegenwart, entlastet UCI von Korruptionsvorwurf, gibt Empfehlungen für die Zukunft

Info: CIRC-Report in voller Länge
Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



Aigle, 09.03.2015 - Wie angekündigt hat die UCI heute Vormittag den Abschlussbericht der unabhängigen Radsport-Reform-Kommission (Cycling Independent Reform Commission) auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Das Dossier betitelt "Report to the President of the Union Cycliste International" umfasst 228 Seiten und ist in drei Kapitel untergliedert, welche vergangenes und gegenwärtiges Doping im Straßenradsport, die Rolle des internationalen Verbands sowie Empfehlungen für zukünftige Anti-Doping-Maßnahmen betreffen.

174 Befragte aus allen Bereichen des Radsports
13 Monate lang haben Dick Marty, Ulrich Haas, Peter Nicholson - die Mitglieder der von der UCI eingesetzen und finanzierten, aber völlig unabhängig operierenden CIRC - sich mit den Hochzeiten des Dopings ab 1998, einer möglichen Verwicklung der UCI in die Vorfälle sowie verbesserten Doping-Bekämpfungsstrategien befasst. Dazu führten sie Interviews mit 174 Personen, die aus allen Bereichen des Radsports stammen - mit zurückgetretenen und aktiven Fahrern, Teamleitern, Repräsentanten von Verbänden, Ärzten, Sponsoren, Organisatoren, Journalisten etc. Eine Liste aller Befragten findet sich im Anhang des Reports; dort liest man Namen wie Lance Armstrong, Tyler Hamilton, Michael Boogerd (Fahrer), Bjarne Riis, Alexander Vinokourov, Bobby Julich (Teampersonal) oder Rasmus Damsgaard, Wilhelm Schänzer und Mario Thevis (Wissenschaftler). Es wurden keinen neuen Doping-Geständnisse vor der Kommission abgelegt und nicht alle Geladenen waren bereit, vor der CIRC auszusagen.

Mikro-Dosierung und technisches Doping Themen von heute
Im ersten Teil des über 220 Seiten starken Dossiers ("Elite Road Cycling") skizziert die CIRC eine Geschichte des Dopings im Straßenradsport, von seinen Anfängen im 19. Jahrhundert, über die Hochzeiten des EPO-Dopings bis zur Frage, welche Rolle unerlaubte Mittel der Leistungssteigerung heute noch im Peloton spielen. Die erschreckende Nachricht lautet, dass immer noch, wenn auch vorsichtiger gedopt wird, dass Mikrodosierung von EPO, der Missbrauch von (noch) nicht verbotenen Mitteln wie Tramadol und ganz neue Doping-Substanzen wie GW1516 und Aicar "im Untergrund" ein ernstes Problem darstellen, dessen Größenordnung jedoch nicht beziffert werden kann. Manche Befragte gingen davon aus, dass bis zu 90 % aller Fahrer gedopt seien, die Mehrheit sprach von um die 20 %.
Offenbar gibt es kein von Teamseite organisiertes Doping mehr; es ist aber davon auszugehen, dass Einzelne mithilfe von Ärzten - von denen einige nur allzu gut bekannt sind - sich Zugang zu verbotenen Mitteln und Methoden verschaffen. Eine Sonderstellung nehmen in diesem Zusammenhang die therapeutischen Ausnahmegenehmigungen (TUEs) ein. Offenbar werden diese häufig zu leistungssteigernden Zwecken missbraucht, und zwar auch im Frauenradsport. Alles in allem kommt die CIRC zu dem Schluss, dass die Leistungszuwächse durch Doping heute zwischen 3 und 5 % liegen (verglichen mit 10-15 % vor zehn Jahren); der Benefit von "technischem Doping" wird mit ebenfalls 3 % veranschlagt.
Aber immerhin: Die Fahrer seien heute in der Regel davon überzeugt, dass man auch sauber Rennen gewinnen kann.

Keine Beweise für Korruptions- und Vertuschungsvorwürfe
Der zweite Teil ("Union Cycliste Internationale") befasst sich mit den Leistungen und auch dem Versagen der UCI im Anti-Doping-Kampf und thematisiert Korruptionsvorwürfe, welche vor allem gegen die ehemaligen Präsidenten Hein Verbruggen und Pat McQuaid immer wieder erhoben wurden. Um es vorwegzunehmen: Die CIRC hat keinerlei Beweise für Bestechungsvorgänge oder bewusstes Vertuschen positiver Doping-Tests finden können und entlastet den Weltverband somit in nicht unerheblichem Maße.
Was stark kritisiert wird, ist jedoch die unverhältnismäßige Nähe der ehemaligen UCI-Chefs zu bestimmten Fahrern, allen voran Lance Armstrong. Der inzwischen tief gefallene Tour-de-France-Dominator sei bevorzugt behandelt worden, weil man in ihm vor allem einen Helden und Krebsbezwinger als vielmehr einen normalen Sportler gesehen habe. Indem man Armstrongs zurückdatiertes Attest für Kortison im Jahr 1999 akzeptiert, ja begrüßt habe - ebenso übrigens eine zurückdatierte Lidocain-Verschreibung für Laurent Brochard im Jahr 1997 - habe man eklatant gegen die eigenen Regeln verstoßen. Auch dass man das Armstrong-Lager den sogen. Vrijman Report habe redigieren lassen und dass Pat McQuaid dem US-Amerikaner 2009 ein vorzeitiges Comeback ermöglicht habe, verurteilt die CIRC. Gleizeitig ist sie aber der Auffassung, dass die 25.000-Dollar-Spende, welche Armstrong 2001 an die UCI leistete, nur in zeitlicher Nähe zu dessen angeblichem positiven Test bei der Tour de Suisse stehe und es nicht um Bestechung gegangen sei. Armstrong sei zudem damals nicht positiv getestet worden.
Ein anderer Fahrer, der von der UCI in unzulässiger Weise bevorzugt worden sei, sei Alberto Contador. Der Clenbuterol-Befund von der Tour 2010 hätte dem Spanier nicht persönlich mitgeteilt werden dürfen.
Die CIRC sieht die Anti-Doping-Politik der UCI in den frühen EPO-Jahren als völlig unzureichend an; man sei mit der Situation überfordert gewesen und habe zu spät gehandelt. Auch die Einführung der Hämatokrit-Schwelle sei kontraproduktiv gewesen. Die Praxis, (bevorzugte) Fahrer über die Vorgehensweise bei Doping-Tests in Kenntnis zu setzen, kritisiert der Report ebenfalls. Als wahrhaft positiver Schritt wird die Einführung des Biologischen Blutpasses im Jahr 2008 angesehen.

Qualitatives Testen, verstärkte Zusammenarbeit empfohlen
Der dritte und letzte Abschnitt ("Recommendations") enthält Empfehlungen für eine zukünftigen, verbesserte Doping-Bekämpfung, wird aber bei Weitem nicht so konkret wie viele, nicht zuletzt UCI-Präsident Cookson sich das versprochen hatten. Die CIRC empfiehlt eine verstärkte Zusammenarbeit des Weltverbands mit den nationalen Verbänden, der WADA, den nationalen Anti-Doping-Agenturen, aber auch den nationalen Regierungen. Die CADF - die Abteilung der UCI, welche für Doping-Bekämpfungsmaßnahmen zuständig ist - solle sich von "quantitativem" auf "qualitatives" Testen verlegen, also anstatt möglichst viele Fahrer zu testen, mit möglichst elaborierten Methoden und zu möglich unvorhersehbaren Zeiten. Die CIRC möchte eine Ausweitung der Tests auf den bisher "sankrosankten" Bereich zwischen 23 Uhr und 6 Uhr morgens.
Die UCI solle eine Anlaufstelle für "Whistleblower" einrichten, als Dopinghelfer überführte Ärzte stärker bestrafen, das TUE-Verfahren und den Biopass verbessern, alte Proben mit neuen Verfahren testen, in die medizinische, wissenschaftliche und technische Forschung investieren und den Kontakt zur Pharmaindustrie suchen. Was die interne Struktur des Weltverbands angeht - im zweiten Teil wurde auch die Quasi-"Inthronisierung" von McQuaid als Nachfolger Verbruggens kritisiert -, so sollten Wahlvorgänge transparenter und demokratischer gemacht werden, das Management Committee solle mehr in Erscheinung treten und die sogen. Ethikkommission solle neu aufgestellt werden.

Erste Stimmen zum CIRC-Report
Der Erste, der sich zum CIRC-Bericht äußerte, war natürlich der jetzige UCI-Chef Brian Cookson. Im offiziellen Statement heißt es: "Nur wenige Sportarten, wenn überhaupt haben sich in einem solchen Ausmaß einer unabhängigen Untersuchung unterzogen, und obwohl der CIRC-Report über die Vergangenheit hart zu lesen ist für alle, die unseren Sport lieben, glaube ich, dass der Radsport daraus besser und stärker hervorgehen wird... Es geht aus dem Bericht klar hervor, dass die UCI in der Vergangenheit schwer an einem Mangel von "good governance" litt, indem nämlich bestimmte Leute wichtige Entscheidungen alleine trafen, von denen viele die Anti-Doping-Maßnahmen unterliefen..." In einem Interview mit "The Guardian" äußerte Cookson sich dann schärfer zur Regentschaft seiner Vorgänger, u. a. nannte er Verbruggens Verbrüderung mit Lance Armstrong "unverzeihlich" und forderte den Niederländer zum Rücktritt vom UCI-Ehrenvorsitz auf.
Cooksons unmittelbarer Vorgänger, Pat McQuaid zeigte sich mit dem CIRC-Report sehr zufrieden. Dieser weise zwar nach, dass er Fehler gemacht habe, er entlaste ihn aber vom Vorwurf der Korruption, so der Ire gegenüber RTE. In die gleiche Kerbe schlug auch Hein Verbruggen. Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur, begrüßte ebenfalls, wenn auch aus anderen Gründen, den Inhalt des Abschlussberichts und nannte ihn "einen starken ersten Schritt zur Überwindung der Fehler der Vergangenheit. Die USADA ist entschlossen, mit der UCI zusammenzuarbeiten, um dem sauberen Radsport eine hellere Zukunft zu verschaffen." Lance Armstrong, der wohl prominenteste Doping-Sünder aller Zeiten, bedankte sich gar bei der CIRC dafür, "dass sie die Wahrheit sucht und mir erlaubt hat, bei dieser Suche zu helfen.... Ich hoffe, dass alle Fahrer, die im Wettkampf gedopt waren, sich offenbaren und dem Stärkungsmittel Wahrheit dabei helfen, diesen großartigen Sport zu heilen."
Apropos Armstrong: Die CIRC empfiehlt keine Verkürzung seiner lebenslangen Sperre, kritisiert aber sehr wohl eine Ungleichheit seiner Behandlung gegenüber anderen Missetätern. Diese könne allenfalls durch vorhandene bzw. fehlende Bereitschaft zur Kooperation gerechtfertigt werden - ein Argument, das so auch die USADA benutzt hatte.





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