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Sagan verteidigt in Doha seinen Titel im Sprint eines auf der Windkante vorentschiedenen WM-Rennens
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16.10.2016

Sagan verteidigt in Doha seinen Titel im Sprint eines auf der Windkante vorentschiedenen WM-Rennens

Info: STRASSEN-WELTMEISTERSCHAFT 2016 IN DOHA
Autor: Felix Griep (Werfel)



Doha, 16.10.2016 – Drei ehemalige Weltmeister waren in Doha zum Straßenrennen der Männer Elite gestartet und am Ende erhielt jeder von ihnen eine Medaille. Bronze gab es für den 2005 in Madrid erfolgreichen Tom Boonen und Silber für Mark Cavendish, der 2011 in Kopenhagen gewonnen hatte. Gold ging aber wie 2015 in Richmond an Peter Sagan, der als erster Fahrer seit Paolo Bettini, dem das vor neun Jahren gelungen war, das Regenbogentrikot ein zweites Mal in Folge erobern konnte. Der Slowake gewann den Sprint einer am Ende rund 20-köpfigen Spitzengruppe, welche sich bereits sehr früh von allen anderen Fahrern abgesetzt hatte, als das Feld auf der Windkante förmlich explodierte.

Ausreißer: Sieben „Exoten“ auf der Flucht
Nach kurzfristigen Absagen von Rigoberto Uran (Kolumbien) und Vegard Breen (Norwegen) starteten in der Aspire Zone, wo sich auf 250 Hektar die größten und wichtigsten Sportanlagen Dohas finden, 197 Fahrer aus 48 Nationen zum letzten Rennen der Straßen-Weltmeisterschaften 2016: dem 257,3 langen Titelkampf der Elite-Männer. Nach einer längeren neutralisierten Einrollphase feuerten beim scharfen Start sofort viele Fahrer von Ländern, die keine realistischen Aussichten auf ein gutes Ergebnis hatten, Attacken ab und nach nur fünf Kilometern war eine Gruppe entstanden, die weitere zwanzig Kilometer später einen Vorsprung von gut elfeinhalb Minuten aufwies. Brayan Stiven Ramirez (Kolumbien), Sergiy Lagkuti (Ukraine), Natnael Berhane (Eritrea), Ryan Roth (Kanada), Nick Dougall (Südafrika), Rene Corella (Mexiko) und Anas Ait El Abdia (Marokko), der einzige amtierende Landesmeister im Bunde, konnten sich als Ausreißer der Welt präsentieren, während es das Feld bei 36 Grad Hitze erst einmal ruhig angehen ließ. Kanstantsin Siutsou spannte sich dann als Erster vor das Peloton und begann mit der Nachführarbeit. Helferdienste für seinen weißrussischen Landsmann Yauheni Hutarovich – oder nicht doch eher für Mark Cavendish, der Siutsous Teamkollege bei Dimension Data ist?


Straßen-WM 2017:
Auf Doha folgt Bergen, u.a. mit Bergzeitfahren der Männer Elite


Windkante: Das Peloton zerfällt in der Wüste
Die Strecke führte aus Doha heraus zunächst gen Norden in die Wüste. Nach rund 80 Kilometern erreichte man einen Wendepunkt, ab wo es auf parallelen Straßen südwärts wieder zurück zur Hauptstadt Katars ging. Dieser Richtungswechsel ging mit wechselnden Windverhältnissen einher – eine vorhersehbare Situation, die im Schlachtplan einiger Nationen offensichtlich eine große Rolle spielte. Die Briten trieben das Tempo in die Höhe und als dann vor allem die Belgier den Druck noch weiter erhöhten, zerfiel das Hauptfeld rasend schnell in mindestens eine Handvoll Gruppen. Eine Entwicklung, die nicht mehr rückgängig zu machen war, auch wenn es lange dauerte, bis die Abstände größer wurden. Die erste Splittergruppe hatte anfangs rund 30 Fahrer umfasst, von denen einige aber in der großen Hektik noch zurückfielen. Dies traf beispielsweise nach einem Defekt auf den Deutschen John Degenkolb zu, aber auch auf die sprintstarken Magnus Cort Nielsen (Dänemark) und Geburtstagskind Sam Bennett (Irland). Noch schlimmer traf es aber den zum engeren Favoritenkreis gezählten Fernando Gaviria, der in einer zweiten Gruppe steckte: Als der Australier Luke Durbridge mit einem Defekt urplötzlich langsamer wurde, zog sich der Kolumbianer bei einem unausweichlichen Zusammenprall eine Schulterverletzung zu, die für ihn das vorzeitige Rennende bedeutete.

Vorentscheidung: Klare Situation bei erster Zielpassage
Nach etwa 110 Kilometern wurden die letzten Ausreißer eingeholt, von denen sich aber vier – nämlich Berhane, Ait El Abdia, Roth und Dougall – in der nun 26-köpfigen Spitzengruppe festbeißen konnten. Diese umfasste:
- 6 Belgier: Boonen, Keukeleire, Naesen, Roelandts, Stuyven, Van Avermaet
- 4 Italiener: Bennati, Guarnieri, Nizzolo, Viviani
- 3 Norweger: Boasson Hagen, Korsaeth, Kristoff
- 2 Slowaken: Peter Sagan, Kolar
- 2 Briten: Blythe, Cavendish
- 2 Australier: Hayman, Matthews
- 2 Niederländer: Leezer, Terpstra
- 1 Franzose: Bonnet
- 1 Eritreer: Berhane
- 1 Marokkaner: Ait El Abdia
- 1 Kanadier: Roth
- 1 Südafrikaner: Dougall
Bei der ersten Zielpassage nach 150,9 Kilometern betrug der Rückstand der ersten Verfolgergruppe 1:11 Minute. In dieser befanden sich 32 Fahrer, darunter die drei deutschen Sprinter Degenkolb, André Greipel und Marcel Kittel und andere endschnelle Leute wie Dylan Groenewegen (Niederlande) und Nacer Bouhanni (Frankreich) sowie Cort Nielsen und Bennett, deren Regenbogen-Träume geplatzt waren. Auf bereits 3:42 Minuten belief sich der Rückstand der 44 Fahrer starken dritten Gruppe um Arnaud Démare (Frankreich) und die nun nutzlosen deutschen Helfer Tony Martin, Nils Politt und Jasha Sütterlin. Die nächsten 50 Fahrer, die bis dahin noch nicht ausgestiegen waren, wurden bei 11:43 Minuten Rückstand direkt aus dem Rennen genommen, um keine Überrundung zu riskieren.

Verzweiflung: Deutschland gibt sich noch nicht geschlagen
Die vorne am häufigsten vertretenen Belgier und Italiener taten das Meiste dafür, dass von hinten niemand mehr an ihre Spitzengruppe herankam. Während der ersten beiden von sieben Runden, welche die Profis auf der 15,2 Kilometer langen Strecke auf der Insel „The Pearl“ zum Abschluss des Rennens zu absolvieren hatten, stieg der Vorsprung erst auf 1:33 Minute und dann weiter auf 1:49 Minute. Wirkliche Gegenwehr gab es nur noch von den Deutschen, bei denen selbst der als Kapitän angetretene Greipel Verfolgungsarbeit verrichtete. Degenkolb versuchte vergeblich, andere Fahrer zur Mitarbeit zu animieren und redete besonders stark auf Jens Debusschere ein, einen Teamkollege von Greipel bei Lotto Soudal. Doch der Belgier ließ sich nicht überreden, gegen seine Landsleute zu arbeiten, was Degenkolb so sehr zur Weißglut trieb, dass er Debusschere mit seiner Trinkflasche ins Gesicht spritzte. Eine Entgleisung, welche der großen Enttäuschung der BDR-Fahrer Ausdruck verlieh. Degenkolb und Kittel stiegen vier Runden vor Schluss erschöpft aus. Nur Greipel absolvierte die volle Distanz und wurde letztlich 42. Seine Gruppe, in der sich auch der Österreicher Marco Haller (34.) und die Schweizer Michael Schär (36.) und Stefan Küng (38.) befanden, finishte mit einem Rückstand von 5:26 Minuten.


Medaillenspiegel:
1. Deutschland 2/3/0, 2. USA 2/1/1, 3. Dänemark 2/1/0


Attacken: Niederländer suchen im Finale ihre Chance
Aus der Spitzengruppe verabschiedete sich gut 30 Kilometer vor dem Ende mit Jens Keukeleire der erste ausgepowerte belgische Helfer, während der Rest bis in die Schlussrunde beisammen blieb. Obwohl die Geschwindigkeit nicht mehr ganz so hoch war wie zuvor in der Wüste wollte (oder konnte) lange niemand angreifen, zumal die meisten noch im Kampf um den Sieg verbliebenen Nationen ohnehin auf einen Sprint setzten. Erst als dann mit den Belgiern Oliver Naesen und Jasper Stuyven und dem Italiener Daniele Bennati weitere wertvolle Tempomacher abreißen lassen mussten, wagten sich die Niederländer aus der Deckung, die ihren schnellsten Mann Groenewegen im Wind verloren hatten. Fünf Kilometer vor dem Ziel trat Niki Terpstra an, dessen Attacke jedoch viel zu wenig Schwung besaß. Der Belgier Greg Van Avermaet hatte sich sofort an sein Hinterrad geheftet und Terpstra brach die Aktion schnell wieder ab. 2,4 Kilometer vor Schluss witterte Tom Leezer eine Chance, als das Tempo gerade etwas runterging und sich die Fahrer gegenseitig anschauten. Zwischen dem 30-Jährigen und der Gruppe ging ein kleines Loch auf, ehe die Gegner reagierten. Aber die Belgier brachten schnell genug wieder Schwung in die Gruppe, um einen Überraschungscoup von Leezer zu verhindern, der 300 Meter vor der Ziellinie eingeholt wurde.

Sprintankunft: Sagan lässt die Konkurrenz klar hinter sich
Als Leezer überholt wurde, zog Jacopo Guarnieri mit Giacomo Nizzolo in seinem Windschatten an die Spitze. Hinter diesem italienischen Duo folgten Tom Boonen, der die starke belgische Leistung mit dem WM-Titel krönen wollte, und Michael Matthews, der Vize-Weltmeister des Vorjahres aus Australien. Adam Blythe wollte versuchen, seinen Chef Mark Cavendish in der leichten Kurve außen vorbei zu ziehen, doch die Briten verloren den Kontakt zueinander, Cavendish blieb hinter dem Norweger Edvald Boasson Hagen und dem Slowaken Peter Sagan hängen. An der 100-Meter-Marke starte Sagan seinen Endspurt, zog rechts an Boonen und Nizzolo vorbei. Cavendish suchte auf der linken Straßenseite nach einer Lücke, musste dort aber einmal kurz Tempo rausnehmen, um unfallfrei zwischen Matthews und Boasson Hagen durchschlüpfen zu können. Diese kurze Verzögerung wirkte sich möglicherweise entscheidend aus, jedenfalls kam Cavendish nur als Zweiter über die Linie – hinter Sagan, der den vielzitierten „Fluch des Regenbogentrikots“ mit seinen Frühjahrserfolgen bei Gent-Wevelgem und Flandern-Rundfahrt schon ins Reich der Fabeln verbannt hatte und nun sogar die Titelverteidigung schaffte. Die knappste Entscheidung war jene um Platz drei, den sich Boonen vor Matthews und Nizzolo schnappte, womit das nur von ehemaligen Weltmeisterin besetzte Podium perfekt war.

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Fotofinish: Peter Sagan wird Weltmeister vor Mark Cavendish, Tom Boonen, Michael Matthews und Giacomo Nizzolo (Foto: tissottiming.com)
Fotofinish: Peter Sagan wird Weltmeister vor Mark Cavendish, Tom Boonen, Michael Matthews und Giacomo Nizzolo (Foto: tissottiming.com)

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