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LiVE-Radsport Spezial: "Mein Erlebnis" – Der RAAM-Gewinner erzählt
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30.12.2016

LiVE-Radsport Spezial: "Mein Erlebnis" – Der RAAM-Gewinner erzählt

Info: Race Across America (RAAM) 2016 | Webseite Pierre Bischoff | Facebook-Seite Pierre Bischoff
Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



30.12.2016 – Nauders in Tirol ist die Wahlheimat des Duisburgers Pierre Bischoff, des Race Across America-Siegers 2016. Und der Winterferienort von LiVE-Radsport-Autorin H.O. So kann sie zufällig dabei sein, als Bischoff am zweiten Weihnachtsfeiertag in der Lobby des Hotels, wo er als Fitnesscoach arbeitet, vom Abenteuer seines Lebens, der Erfüllung seines größten Traums erzählt.

Bischoff ist ein lebenslustiger, quirliger Mann Anfang 30. Für Menschen wie ihn hat man das Wort „Energiebündel“ erfunden. Pierre Bischoffs unglaubliche Geschichte: Obwohl er sich wenige Wochen zuvor im Mallorca-Trainingslager das linke Schlüsselbein brach, hat er im Juni 2016 das Race Across America gewonnen, als erster Deutscher und als Neuling – RAAM-Neuling wohlgemerkt, denn bei europäischen Ultra-Rennen wie dem "Rennen um Österreich" und beim Race across the alps stand er natürlich schon auf dem Podium. Beim RAAM handelt es sich um das härteste Radrennen der Welt, manche sagen gar die härteste Sportveranstaltung überhaupt.

3100 Meilen zwischen den Meeren
Zu Beginn seines Vortrags, in den zahlreiche Videodateien eingestreut sind, sagt Bischoff etwas zu seiner Person und macht ein paar Anmerkungen zum Thema Zielsetzung und Motivation. Dann erklärt er, was Ultra Cycling ist: Radfahren über extrem lange Distanzen, über mehrere Tage, bei fast völligem Schlafentzug und oft am Rande des Deliriums – mithilfe einer Crew im Hintergrund, die auf den Athleten aufpasst. Seine RAAM-Crew stellt Bischoff als Nächstes vor, dazu gehörten seine Mutter, seine Schwester, sein früherer Vereinstrainer, der österreichische Teamleiter, ein Masseur und eine weitere Betreuerin. Andere vertraute Personen hat er bewusst zu Hause gelassen, weil sie negativen Einfluss hätten ausüben können, wie er sagt. Das Team verteilt sich auf einen Camper und das sogen. Pace Car; mindestens 30.000 bis 40.000 Euro muss jeder Teilnehmer aufbringen, um die Teilnahme am RAAM finanzieren zu können. Nach einer strengen Materialinspektion durch die Jury geht es an den Start, der bei eher spärlicher Zuschauerkulisse stattfindet. 2 Jahre Vorbereitung – inklusive Indoortraining in der Infrarotkabine – liegen hinter Bischoff, 3100 Meilen (knapp 5000 km) von der amerikanischen West- an die Ostküste liegen vor ihm.

Allein an der Spitze
Gedanklich teilt er sich die Wahnsinnsdistanz in Mikroabschnitte auf, die er nach und nach angehen kann. Anfängliche Abstimmungsprobleme, was die Menge der Nahrungsaufnahme angeht, bekommt das Team bald in den Griff. Verwendet werden Plastikbeutel mit Speisebrei – z. B. in Wasser aufgequollenes Müsli –, der durch eine Öffnung direkt in den Mund befördert werden kann: Eine Hand bleibt am Lenker, die andere Hand quetscht den Inhalt der Tüte durch eine kleine Öffnung. Noch bevor es ins Gebirge geht, fährt Bischoff auf den letzten noch vor ihm verbliebenen Teilnehmer auf, Stefan Schlegel, ebenfalls Deutscher und seiner Einschätzung zufolge ein besonders harter Konkurrent. Er richtet nur einen kurzen Gruß an ihn und fährt vorbei. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass ihm ein anderer Athlet im Rennen begegnet.

Erst nachdem der höchste Punkt (>3000 m über Meereshöhe) überquert ist, und damit unerwartet spät, holt das Medienauto Bischoff ein. Das liegt daran, dass er schon jetzt einen ungewöhnlich großen Vorsprung hat. Jedes Mal wenn ihn die Kamera nun einfängt, liefert er eine so gute Show ab, macht so viele Witze und wirkt bei all den Strapazen so unbekümmert, dass die Amerikaner ihn einfach ins Herz schließen müssen. Einen RAAM-Führenden, der die Schaulustigen an der Strecke mit Handschlag begrüßt und so viel Humor an den Tag legt, haben sie noch nie gehabt. Tatsächlich kann er sich diese Zeit auch nehmen, denn sein Vorsprung steigt und steigt – Schlegel hat das Rennen mittlerweile aufgegeben –, alle anderen Konkurrenten erscheinen machtlos. Diese Situation stürzt Bischoffs Team in eine veritable Krise – man muss sich erst gegenseitig versichern, dass es richtig ist weiterzumachen, wo der Sieg doch nie das Ziel gewesen war.

Gewinnen war nie das Ziel
Auch in seinem Vortrag wird Bischoff nicht müde zu betonen, dass es ihm um den Spaß an der Sache gehe und der Spaß das Wichtigste überhaupt sei. Selbst am Rande der Erschöpfung, als er nach einer Schlafpause zum Rad getragen werden muss – eine Vorsichtsmaßnahme, es darf jetzt nichts mehr schiefgehen –, hat er noch lockere Sprüche parat. Mit seiner Fitness ist er auch am Schluss noch zufrieden – im Endspurt habe er noch eine Herzfrequenz von 150 mobilisieren können, erzählt er stolz. Kurz vor dem Ziel kann er längere Schlafpausen einlegen als zuvor – 1 Stunde gilt in der Ultra-Szene als „lang“ –, weil er uneinholbar vorne liegt. So bleibt die Uhr bei 9 Tagen, 17 Stunden und 9 Minuten stehen, 6 Stunden eher als bei dem Zweitplatzierten. Um diese Zahlen sei es in seinem größten Traum aber nie gegangen, betont Bischoff. Nur um das Ankommen. „Official Finisher“, und nicht etwa die Platzierung, steht denn auch auf der rechteckigen, silbernen Medaille, welche ihre Runde durch die Reihen der ehrfürchtigen Zuhörer macht.

Die Fotos wurden LiVE-Radsport.com von Pierre Bischoff dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.





LiVE-Radsport Spezial: Mein Erlebnis - Der RAAM-Gewinner erzählt
LiVE-Radsport Spezial: "Mein Erlebnis" - Der RAAM-Gewinner erzählt Foto: Pierre Bischoff

Official Finisher steht hinten auf der Medaille.
"Official Finisher" steht hinten auf der Medaille. Foto: Pierre Bischoff

Bischoff ist der erste Deutsche, der das RAAM gewinnen konnte.
Bischoff ist der erste Deutsche, der das RAAM gewinnen konnte. Foto: Pierre Bischoff

Allein an der Spitze.
Allein an der Spitze. Foto: Pierre Bischoff

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