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Der LiVE-Radsport-Blog – Vom tiefen Fall eines einstigen Helden
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13.08.2018

Der LiVE-Radsport-Blog – Vom tiefen Fall eines einstigen Helden

Autor: Christine Kroth (Cofitine)



13.08.18

Helden vergangener Zeiten haben es oft schwer. Gerade wenn sie nicht nur Höhen erlebt haben. Doch die Schatten sind oft lang und groß! Und Erfolge vergisst man viel zu schnell, wenn sie von Niederlagen überschattet werden.
Doch das, was zur Zeit mit Jan Ullrich passiert, hat mich sehr nachdenklich gemacht.



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Wer hoch steigt, kann tief fallen! Manche fallen weich, werden aufgefangen durch ein Netz von Familie und Freunden, einem guten und gefestigten sozialen Umfeld. Doch manche haben dieses Glück nicht. Weil das Netz löchrig ist oder ganz verschwunden. Sie fallen noch tiefer und schlagen hart auf.
Jan Ullrich ist so einer, der ganz oben war und jetzt ganz unten ist. Ganz weit unten! Ohne Netz und doppelten Boden.

Seit einiger Zeit füllt er die Schlagzeilen in schönster Regelmäßigkeit, seit einer Woche fast täglich und die Meldungen wurden immer dramatischer.
Jan Ullrich, zuletzt beheimatet auf Mallorca, wurde von seiner Frau verlassen, soll zudem Probleme mit Alkohol und Drogen haben. Letzte Woche soll er bei seinem Nachbarn Til Schweiger randaliert haben, wurde festgenommen. Und dann soll er zuletzt eine Prostituierte schwer verletzt haben, weshalb er erneut in Polizeigewahrsam kam. Ein weiterer Vorfall sorgte schließlich dafür, dass er in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen wurde.
Das ganz knapp die Fakten.

Doch was hinter dem Drama steht, kann keiner wirklich ermessen und keiner wirklich beurteilen.

Jan Ullrich, Tour de France Sieger des Jahres 1997, Zweiter des Jahres 1996. Mit gerade mal 23 Jahren bis an die Weltspitze. Bis nach ganz oben! Erster Deutscher Tour-Sieger, gefeierter Held der Massen. Seine Erfolge lösen einen Boom in Deutschland aus. Radsport ist plötzlich in, es wird ausführlich darüber berichtet, die Medien reißen sich um die deutschen Stars, an deren Spitze Jan Ullrich steht. Ein schüchterner junger Mann, der nie das Rampenlicht gesucht hat. Dem der Hype um seine Person eher unangenehm ist. Der eigentlich nur eins will – Rad fahren!

An seinen größten Erfolg konnte er nie wieder anknüpfen, wohl auch weil er immer am Tour-Sieg gemessen wurde. Erfolge wie der Sieg der Vuelta a Espana 1999 und der Olympiasieg 2000 in Sydney waren für die Fans zwar bedeutend und für Ullrich selbst sehr große Erfolge, doch für die Medien nicht wirklich wichtig. Ein weiterer Tour-Sieg sollte her, gerne auch eine Serie wie zuvor bei Miguel Indurain. Kritik kam deshalb umso schneller auf, zu dick, zu faul?
Sein letzter großer Sieg war der der Tour de Suisse 2004. Zwar gewann er auch die Tour de Suisse 2006, doch dieser Sieg wurde ihm im Nachhinein aberkannt.
Und damit wären wir bei dem Thema, das vielen hierzulande im Zusammenhang mit dem Namen Jan Ullrich fast noch genauso im Gedächtnis hängengeblieben ist wie sein größer Erfolg – die Verwicklung in die Fuentes-Affaire und der Ausschluss von der Tour de France 2006.
Der freie Fall begann, wurde zwischenzeitlich wohl aber noch abgefedert durch das private Glück. Doch dieses Netz, das ihn aufgefangen hat, hat große Risse bekommen.
Ullrich war immer wieder für Schlagzeilen gut – Burnout 2010, ein unter Alkoholeinfluss verursachter schwerer Autounfall in der Schweiz 2014 mit der Verurteilung zu einer 21-monatigen Haftstrafe auf Bewährung.
Und jetzt diese Schlagzeilen! Die Boulevard-Medien stürzen und stürzten sich mit Genuss auf den gefallenen Helden. Erfolge und Verdienste für den Sport sind längst vergessen! Munter wird auf dem einstigen Star herumgetrampelt, wird seine Privatleben zerpflückt, werden pikante Details in der Öffentlichkeit aufgebauscht. Voyeurismus der übelsten Sorte!

Vergessen wird dabei, dass dahinter ein Schicksal steht! Das Schicksal eines Menschen, der hoch gestiegen und tief gefallen ist.
Es sind die, die ihn einst hochgejubelt, in den Himmel gehoben haben! Genau die lassen ihn jetzt fallen, weiden sich an seinen Aussetzern und an seinem Scheitern! Genau die haben ihm das in Fetzen gerissene Netz nun ganz weggezogen!

Was Jan Ullrich nun braucht, sind Menschen, die zu ihm stehen, die ihm helfen sein Leben wieder in den Griff zu bekommen!
Was Jan Ullrich braucht, ist Hilfe! Er ist ein kranker Mann, einer der es nicht geschafft hat sich im Leben außerhalb des Sports zurechtzufinden.
Was er jetzt nicht braucht ist Mitleid! Und was er schon gar nicht braucht, sind Journalisten, die nachtreten, sich an seinem Schicksal weiden und es in der Öffentlichkeit breittreten!

Ich hoffe sehr, dass er es schafft sich etwas aufzubauen, was er eigentlich nie hatte – ein „normales Leben“! Ich wünsche es ihm sehr!
Denn Fallen ist keine Schande! Die Kunst ist es, nicht liegen zu bleiben!


A bientôt





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