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Vorschau Ironman Hawaii 2018 – das Rennen der Herren: Findet die deutsche Siegesserie auch ohne „Frodo“ ihre Fortsetzung?
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11.10.2018

Vorschau Ironman Hawaii 2018 – das Rennen der Herren: Findet die deutsche Siegesserie auch ohne „Frodo“ ihre Fortsetzung?

Info: IRONMAN HAWAII 2018 - Ironman World Championship | Rückblick 2017 | Startliste
Autor: El_Matzo



Nach dem verletzungsbedingten Ausfall Jan Frodenos fehlt bei den Herren der klare Fünf-Sterne-Favorit. Wer nun meint, Frodenos Abwesenheit werde den Sieg 2018 entwerten, dem sei entgegnet, dass in einer Sportart, die wie kaum eine andere die hauchdünne Linie zwischen Weltbestform und Überforderung des Körpers verdeutlicht, wie immer gilt: Man muss es an die Startlinie schaffen - „You gotta be in it to win it“. Und „in“ sind noch immer ausreichend viele Weltklasseathleten, die kein Vakuum zulassen und sich einen heißen Schlagabtausch auf dem Alii Drive liefern werden.


Der Ironman Hawaii 2018
am Samstag ab 18:35 Uhr im LiVE-Ticker

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„Frodo“, 2015 und 2016 bereits Champion auf Hawaii, schickte sich nach dem unglücklichen Auftritt von 2017, bei dem er sich mit Rückenschmerzen weit unter Wert ins Ziel geschleppt und dabei viele neue Sympathien entfacht hatte, an, es dieses Jahr wieder deutlich besser zu machen. Seine dominanten Siege beim 70.3 Oceanside, dem 70.3 Kraichgau, dem Ironman Frankfurt und vor allem auch bei der 70.3 WM im September – viele Konkurrenten bezeichneten dies als die vielleicht beste jemals in einem Triathlon erzielte Einzelleistung – machten den Olympiasieger von 2008 zum haushohen Favoriten für Big Island. Auch die 8-Stunden-Marke sahen viele bereits so gut wie unterboten. Kurz nach dem spektakulären Auftritt in seiner alten Heimat Südafrika, bei der auch den langjährigen Herrschern der Kurzdistanzszene, Alistair Brownlee und Javier Gomez, keine Chance gelassen hatte, erfolgte dann die Hawaii-Absage. Grund: Stressfraktur in der Hüfte.

Die Chancen auf einen weiteren deutschen Sieg stehen derweil auch ohne Frodeno nicht schlecht. Immerhin sind mit Titelverteidiger Patrick Lange sowie Sebastian Kienle zwei einstige Champions am Start. Auch Hawaii Rookie Andreas Dreitz werden Außenseiterchancen und eine Überraschung zugetraut. Sollte einer von ihnen tatsächlich gewinnen, wäre es der fünfte deutsche Sieg in Serie und der bereits neunte der Geschichte.

Patrick Lange hat 2018 nicht unbedingt durch sensationell starke Ergebnisse aufhorchen lassen. Der Druck des Titelverteidigers schien auf seinen Schultern zu lasten. In Frankfurt wurde er Dritter, Zweiter beim 70.3 auf Rügen. Über Lang- und Mitteldistanz ist der 32 Jahre alte Hesse damit seit dem Hawaiierfolg von 2017, bei dem er in 8h01m40s einen neuen Streckenrekord aufgestellt hatte, ohne Sieg. Ihn abzuschreiben wäre jedoch ein großer Fehler, denn bei beiden Hawaiistarts – auch dem von 2016, als er den Marathonrekord von 2h39m45s lief – wusste Lange zu überraschen und den schwierigen Wetterbedingungen der Insel besonders gut zu trotzen. Er selbst sieht sich damit trotz begrenzter Erfolgserlebnisse eher in einer guten Tradition als auf dem falschen Weg. Entsprechend selbstbewusst präsentierte der Titelverteidiger erst kürzlich, Seit an Seit mit seinen grössten Sponsoren, das "Project 101", in dem es darum geht, mittels Anwendung modernster Technik aus der Formel 1 Steuerung und Aerodynamik von Langes Rad noch einmal zu verbessern und damit die fehlenden 101 Sekunden zum Sub-8-Stunden-Finish herauszuholen.

Dennoch dürfte Sebastian Kienle auf dem Papier der heißere deutsche Sieganwärter dieses Jahres sein. „Sebi“ qualifizierte sich noch Ende 2017 mit dem Sieg beim Ironman Cozumel in Mexiko, um im laufenden Jahr dann eine alternative Route, abseits der weltbesten Konkurrenz, zu wählen. Musste er bei der Challenge World Championship in Samorin noch Lionel Sanders den Vortritt lassen, so fügte er seinen Palmares im Juli erstmals den Sieg bei der Challenge Roth hinzu. Es folgten weitere Challenge-Siege über die Halbdistanz in Turku (Finnland) und am Walchsee (Österreich), die ein mehrwöchiges Höhentrainingslager in den Dolomiten flankierten. Nach eigener Aussage befindet sich der 34-Jährige aus Mühlacker in der besten Form der letzten Jahre. Sein Trainer Lubos Michel bestätigt dies öffentlich. Warum also sollte der erfahrene Bikespezialist nach den Rängen 8 (2015), 2 (2016) und 4 (2017) nicht noch einmal an den Sieg von 2014 anknüpfen können?

An Lionel Sanders führt in der Berichterstattung kein Weg vorbei. Der Kanadier hat sich mit seinen regelmäßigen Videos eine Vielzahl von Fans erworben. Einst drogensüchtig und übergewichtig, fasste der heute 30-Jährige ohne Umweg über kürzere Distanzen sofort auf der Langstrecke Fuß. 2017 belegte er den 2. Rang in Kona und musste Lange erst spät im Marathon vorbeilassen. Neben seiner angriffslustigen Rennstrategie, die maßgeblich auf seiner Radstärke basiert, verehren ihn viele Anhänger für seine Kritikfähigkeit und Offenheit, mit der er auf YouTube über seinen Trainingsalltag informiert, seine Rennen brutal ehrlich analysiert und den Zuseher an Ernährungsexperimenten und Schwächenbeseitigung teilhaben lässt. Seit Hawaii 2017 hat er fünf seiner Lang- und Halbdistanzrennen gewonnen und dabei auch Kienle zum wiederholten Male bezwungen. Trotz stilistischer Defizite in allen drei Disziplinen ist dem Autodidakten der Sprung aufs oberste Treppchen zuzutrauen. An mentaler Stärke wird es ihm jedenfalls nicht mangeln.


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Javier Gomez ist fraglos einer der größten Triathleten der vergangenen gut zwölf Jahre. Als fünffachem Weltmeister und Silbermedaillengewinner von London fehlt ihm zur Perfektion seiner Kurzdistanzgeschichte, die ihm mehr als 50 internationale Siege einbrachte, nur olympisches Gold. Nachdem er Rio verletzungsbedingt verpasste, widmet er sich zunehmend neuen Herausforderungen. Seine Vielseitigkeit hat der Spanier dabei als zweifacher 70.3 Weltmeister und Weltmeister im Xterra (Crosstriathlon) längst bewiesen. 2018 aber ist er im nicht mehr ganz zarten Alter von 35 Jahren noch einmal Rookie, nämlich auf der Langdistanz. Sein Debüt beim Ironman Cairns im Juni war in unter 8 Stunden mehr als beeindruckend, wenngleich es, wohl auch wegen Krämpfen gegen Rennende, nicht zum Tagessieg reichte. Im Hinblick auf Hawaii hat der bärenstarke Schwimmer und Läufer noch einmal die Trainingsumfänge erhöht und spezifischer auf die Langdistanzanforderungen angepasst. Das Potenzial zum Hawaii Champion hat er zweifelsohne, aber dafür könnte es im ersten Anlauf vielleicht noch etwas zu früh sein.

Braden Currie aus Neuseeland ist derjenige, der Gomez in Cairns noch in die Suppe spuckte. Seine Zeit dort (7h54m58s) war aufsehenerregend schnell. Dass er Gomez ausgerechnet im Laufen niederzwang, überraschte umso mehr. 2017 hatte Currie schon den Ironman Neuseeland gewonnen, während sein Hawaii-Debüt mit Rang 31 unauffällig verlief. Dennoch halten viele den 32-Jährigen, vor allem wegen seiner Ausgeglichenheit, für den Geheimfavoriten.

Mit Frederik van Lierde steht neben Kienle und Lange ein weiterer Ex-Champion (2013) an der Startlinie. Seine Erfahrung macht den 39-Jährigen, der in diesem Jahr zum vierten Mal den Ironman Nizza und übrigens auch die abgewandelte Langstrecke im Radsportmekka Alpe d’Huez gewann, zu einem ernst zu nehmenden Kandidaten. Er wird von der Hawaii-Legende Luc van Lierde trainiert, mit dem er trotz Namensgleichheit nicht verwandt ist.

Den deutschen Beobachtern der Szene drängt sich mit Bart Aernouts ein weiterer Belgier auf. Der nämlich gewann im Juli den wegen Blaualgenbefalls der Alster als Duathlon ausgetragenen Ironman Hamburg und legte dabei eine erschreckend überlegene Laufleistung hin. 2017 hatte er zudem die Challenge Roth auf deutschem Boden gewonnen. Auf Hawaii verfügt der 34-Jährige mittlerweile über ausreichend Erfahrung und mit fünf Platzierungen zwischen Rang 8 und 12 auch über eine beachtliche Vorbilanz.

Zu den jüngsten Profis gehört der Schwede Patrik Nilsson (27), dieses Jahr Zweiter in Frankfurt noch vor Patrick Lange. Der älteste Pro dagegen ist Andy Potts (41), bereits zweimal Vierter auf Hawaii und auch 2018 in starker Form. Gemeinsam mit Timothy O’Donnell, dem Kona-Dritten von 2015, Radweltrekordhalter Andrew Starykowicz und Ironman-Texas-Gewinner Matt Hanson bringen die gastgebenden USA ein starkes Team an den Start, das jedoch eher für die Ränge 4 bis 10 als für das Podium in Frage kommt.

Die lange Liste angelsächsischer Platzierungsanwärter ist damit noch nicht vorbei: Aus Großbritannien sind der Vorjahresdritte David McNamee, dieses Jahr allerdings ohne ganz große Ergebnisse, Joe Skipper (Sieger des Ironman Bolton, 4. in Roth und 2. in Hamburg) sowie Tim Don am Start, dessen Horrorunfall an Ort und Stelle, bei dem er sich das Genick brach, nun genau ein Jahr her ist. Kanadische Fans setzen neben Sanders auch große Hoffnungen in Brent McMahon, den Sieger des Ironman Canada. Deutlich stärker noch könnten sich Ex-World-Tour-Radprofi Cameron Wurf (Australien), seit 2017 Radstreckenrekordhalter in Kona, und Spitzenschwimmer Joshua Amberger (Australien), 2017 Achter auf Hawaii und 2018 mehrfacher 70.3 Champion, sowie James Cunnama (Südafrika), 2017 Fünfter vor Ort und 2018 Sieger des Ironman South Africa, in den Platzierungskampf einbringen.

Aber auch einige weitere deutschsprachige Athleten machen sich große Hoffnungen, aus dem Schatten Kienles und Langes zu treten, allen voran Andreas Dreitz, der als Sieger des Ironman Italy und Zweiter von Roth 2018 endgültig auf der Langdistanz angekommen ist. Maurice Clavel, Spitzname „Krawallmacher“, wird als starker Schwimmer und Radler zur frühen Attacke blasen und an seinen Sieg beim 70.3 Vichy anknüpfen wollen. Das deutsche Aufgebot wird durch Marc Duelsen, im Vorjahr 18., komplettiert.
Aus Schweizer Sicht nimmt Ronnie Schildknecht, „Mister Ironman Switzerland“ als neunfacher Sieger von Zürich, Hawaii zum elften Mal in Angriff. Sein bestes Resultat bislang ist Rang 4 aus dem Jahr 2008. Jan van Berkel, der seinen Landsmann heuer in Zürich enthronte und im Frühjahr in Texas einen neuen Schweizer Rekord (7h48m40s) aufstellte, ist in Anbetracht der Resultate von 2018 als stärkster Eidgenosse einzustufen.
Einziger österreichischer Profi ist Michael Weiss, der 2018 alle Heimrennen (St. Pölten, Klagenfurt und Zell am See) dominierte. Für den Xterra World Champion von 2011 ist es der siebte Start auf Hawaii, wobei Rang 13 (2010) bislang sein bestes Ergebnis war. Über dem mittlerweile 37 Jahre alten Niederösterreicher und seiner 2018 besonders auffälligen Laufverbesserung hängt der große Schatten seiner Dopingvergangenheit. Der Ex-Mountainbiker, 2004 Staatsmeister und Olympiateilnehmer von Athen, war zwischen 2009 und 2011 gesperrt, u.a. nachdem ihn Ex-Gerolsteiner-Radprofi Bernard Kohl belastet hatte.

Rennszenarien

Im Männerrennen ist ein Schlagabtausch der „Radmonster“ zu erwarten. Während Sebastian Kienle, Lionel Sanders und Cameron Wurf mit ungefähr ähnlichen Hypotheken aus dem Wasser steigen dürften, können Joshua Amberger, Andrew Starykowicz und Maurice Clavel auf eine bessere Ausgangsposition hoffen. Andreas Dreitz dürfte sich dabei ungefähr in der Mitte dieses Szenarios befinden. Ob sich hieraus mehrere kleinere oder aber eine riesige Gruppe bilden wird, hängt von Windbedingungen, Hitze und Auslegung der Windschattenverbotsregel seitens der Wettkampfrichter ab. Starke Läufer mit leichter Radschwäche wie etwa Patrick Lange oder Javier Gomez könnten von einer hohen Leistungsdichte im Radfahren entweder profitieren oder aber angesichts solch einer Übermacht früh entscheidend ins Hintertreffen geraten. Da sie auf die oben genannten Athleten durchaus fünf, im Extremfall auch bis zu zehn Minuten „zulaufen“ können, wird es sehr lange spannend bleiben. Zwischen den „Überbikern“ und „Wunderläufern“ werden sich dann sicher auch die ausgeglichenen Athleten wie Braden Currie, Patrick Nilsson, Bart Aernous oder Frederik van Lierde in den Kampf einschalten. Eine Rekordsiegerzeit unterhalb von 8 Stunden ist durchaus denkbar.

Favoriten

***** Sebastian Kienle (GER)
***** Lionel Sanders (CAN), Javier Gomez (ESP)
***** Patrick Lange (GER), Braden Currie (NZL), Patrik Nilsson (SWE)
***** Bart Aernouts (BEL), Joshua Amberger (AUS), Frederik van Lierde (BEL)
***** Timothy O’Donnell (USA), David McNamee (GBR), Brent McMahon (CAN)
Dark Horse: Andreas Dreitz (GER)





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