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Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW14)
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04.04.2020

Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW14)

Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



04.04.2020 - Zurzeit werden keine Radrennen ausgetragen, aber das heißt nicht, dass die Radsport-Szene verstummt ist. Geredet wird immer, zur Not über die Coronakrise. LiVE-Radsport.com hat die einschlägigen Medien durchstöbert und die Stimmen der Woche für Euch zusammengestellt.


Alle Beiträge der Serie „Die Stimmen der Woche“


30.03. – Bookwalter vermisst eine starke Fahrergewerkschaft

Über einen Monat ist es nun her, dass die ersten Radrennen aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt wurden. Und so langsam wird deutlich, dass die Krise den Radsport nicht nur aktuell, sondern auch längerfristig in Probleme bringen könnte. Große Teams wie Astana, Lotto Soudal oder Bahrain-McLaren kürzen die Fahrergehälter; von CCC war gar zu hören, dass der in finanzielle Schieflage geratene Sponsor sich vorzeitig zurückzieht. Am Montag widmete Cyclingnews diesem Thema einen ausführlichen Beitrag und erläuterte: „Es wird nicht viel darüber gesprochen, aber einige Mannschaften bekommen ihr jährliches Sponsorengeld nicht im Voraus, sondern werden in Raten bezahlt. Wenn dieser Kapitalfluss plötzlich abreißt, weil ein Sponsor das Handtuch wirft, kein Geld mehr hat oder seine Mittel kürzt, um seine eigenen Angestellten zu bezahlen und zu überleben, kann eine Mannschaft schnell zugrundegehen.“

Auch der frühere Tour-de-France-Sieger Geraint Thomas (Team Ineos) ging in einem Interview mit The Telegraph auf die langfristigen wirtschaftlichen Folgen der Wettkampfpause, gerade auch im Fall einer Absage der Frankreichrundfahrt ein. „Ich habe einige Leute sagen hören: ‚Es ist nur Sport‘. Und natürlich stimmt das. Wenn man in 20 Jahren in den Geschichtsbüchern zurückblättert, wird es egal sein, dass es 2020 keine Tour gegeben hat. Aber andererseits gibt es etwa 20 Teams und Firmen, die in diese Teams investiert haben. Und wenn die Tour abgesagt wird, könnten einige Leute arbeitslos werden. Also obwohl das Resultat nicht zählt, zählt doch das Event als solches, denn es hängen viele Existenzen daran – nicht nur von Teams, auch von Sponsoren.“

Aufgrund der zunehmend angespannten Situation macht sich auch Brent Bookwalter (Mitchelton-Scott) Gedanken. Der US-Amerikaner sagte gegenüber Cyclingnews: „In einer perfekten Welt hätten wir eine Fahrergewerkschaft, die in einer solchen Situation gut vorbereitet und souverän auftreten könnte. Wenn es je eine Zeit gab, in der wir sie gebraucht haben, dann ist diese Zeit jetzt da. Wir sind der kleinste Fisch im Ozean. Unsere Bedingungen und Umstände werden in erster Linie von anderen diktiert. Wir haben nicht viel Einfluss.“

Dass die Tour de France ohne Zuschauer ausgetragen werden könnte, fand letzte Woche zunächst Zuspruch, nun aber häufen sich die kritischen Stimmen. Ex-Profi Marcel Kittel wurde von der Funke Mediengruppe zitiert mit den Worten: „Das wäre völlig unvernünftig. Das hieße ja, wir denken über eine Tour nach, die in einer Zeit durch Frankreich rollen würde, in der sich das Coronavirus noch weiter ausbreiten würde. Sonst müssten die Zuschauer ja nicht geschützt werden. Wenn sich die Corona-Krise nicht schnell bewältigen lässt, dann wäre es gut, wenn die Tour im Sommer eine Pause macht und später ausgetragen wird. Man kann die Tour nicht mit allen Mitteln durchziehen.“ Zwei Tage später war von Tour-Chef Christian Prudhomme denn auch zu hören, die Rundfahrt werde eher verschoben als „hinter verschlossenen Türen“ ausgetragen.



31.03. – Konrad macht sich keine Sorgen um den Tour-Mythos

Am Dienstag und Mittwoch veröffentlichte die Gazzetta dello Sport eindrückliche Erlebnisberichte von Davide Formolo (UAE-Team Emirates) und Teammanager Andrea Agostini über ihre Corona-Quarantäne in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Ich bin als Amateur mit Marco Pantani gefahren; Radsportler lernen es zu leiden, aber wenn man im Krankenhaus ist und die Ärzte und Krankenschwestern sind angezogen, als wollten sie zum Mars fliegen, wenn sie an dein Bett treten, dann ändert das alles in deinem Leben“, schilderte Agostini. „Ich litt mental, in einigen Augenblicken fiel es mir sogar schwer zu sprechen. Isolation ist so hart. Ich hatte einmal eine Panikattacke und rang um Luft.“ Formolo, der anders als sein Teammanager nie positiv auf SARS-Cov-2 getestet wurde, sagte über die Quarantäne: „Das Gute ist, dass wir als Team gemeinsam hindurchgegangen sind. Es tat mir so leid, dass Diego Ulissi die Geburt seine Tochter Anna verpasst hat, aber er teilte die Emotionen der Geburt mit uns allen und deswegen hat Anna nun 30 Onkel zusätzlich.“

Einer der sich nach wie vor auf die Tour de France freut und mit einer Austragung rechnet, ist Patrick Konrad (Bora-Hansgrohe). Der österreichische Staatsmeister sagte ORF.at: „Die Tour de France, das größte Radrennen der Welt, die Möglichkeit dort zu starten, würde uns Fahrer wieder voll motivieren. Wenn mir die Möglichkeit geboten wird, werde ich auf jeden Fall fahren. Selbst über eine verkürzte Version würden sich viele Fans freuen, sei es nur vor dem Fernseher, weil es nach einer langen Durststrecke ohne Rennen im Sommer endlich wieder mit dem Radsport losgehen würde. Der Mythos würde unter einer abgespeckten Tour ganz bestimmt nicht leiden, da mache ich mir keine Sorgen.“



01.04. – Greipel rechnet nicht mit Rennen vor August

Vor etwas mehr als einem Monat gewann er das wichtigste Eintagesrennen, das in dieser Saison bislang ausgetragen wurde, nun wartet auch Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) darauf, dass es weitergeht. „Ich hoffe natürlich, dass die Klassiker am Ende des Jahres nachgeholt werden“, wird der Omloop-Sieger von Velonews zitiert. „Ich glaube, das wäre gut für den Radsport. Ich glaube, der Radsport hat es nötig, dass die Monumente ausgetragen werden. Für mich ist jeder Klassiker spannend, es sind immer so viele Leute am Straßenrand.“

Das Comeback von André Greipel (Israel Start-Up Nation), der sich Anfang Februar eine Schulterverletzung zuzog, verzögert sich nun auch. „Meine Genesung hat Prio 1. Alles ist nach Plan gelaufen, die Operation verlief gut, die Schulter ist fest, die Gelenkklippe gut angewachsen“, erzählte der frühere deutsche Meister Radsport-News.com. Aber: „Ich bin in der Bewegung noch sehr beschränkt, mein Arm ist nur eingeschränkt belastbar.“ Mit einem baldigen Einsatz rechnet Greipel ohnehin nicht: „Ich gehe davon aus, dass wir vor August keine Radrennen fahren werden. Alles andere wäre angesichts der jetzigen Situation der Bevölkerung auch schwer zu verkaufen: dass man etwa eine Tour de France plant, während in Italien, Spanien und Frankreich viele Menschen sterben.“

Derweil hat Neoprofi Ian Garrison (Deceuninck-Quick Step) den Spaß am Radfahren nicht verloren. Der Vize-Weltmeister U23 im Einzelzeitfahren hält sich in seiner Heimat, dem US-Bundesstaat Georgia auf: „Es ist seltsam ohne Ziel im Kopf zu arbeiten, weil wir einfach nicht wissen, wann das Renngeschehen wieder beginnt und was unser Programm sein wird“, so Garrison gegenüber Velonews. „Ich bin einfach dankbar, dass ich die Zeit draußen auf dem Rad genießen kann, denn ich weiß, einige Menschen können nicht einmal das und müssen drinnen bleiben. Ich mag es zwar, bestimmte Ziele zu haben, aber ich liebe es auch, einfach Rad zu fahren – also brauche ich keinen Grund zu fahren oder zu trainieren. Ich kann meinen Kopf ausschalten und es einfach genießen.“



02.04. – Matthews vertraut auf das Team und die Sponsoren

Über die Situation im Team Lotto Soudal gab Cheftrainer Wim Van Hoolst gegenüber Sport.be Auskunft: „Jeder ist nun wieder zurück im Training. Wir haben sechs Fahrer in Frankreich und Spanien, die momentan nicht draußen fahren dürfen, aber auch sie trainieren nun drinnen auf der Rolle. Für Bergfahrer ist der Verlust des Wettkampfrhythmus‘ nicht so schlimm. Sie können sich perfekt vorbereiten, indem sie in einem Höhenluftzelt schlafen und trainieren. Für Sprinter ist es aber entscheidend, denn sie lernen bei jedem Sprint dazu. Für die Sprinter und den Sprintzug ist ein Wettkampfrhythmus sehr wichtig, denn nach jedem Rennen gibt es eine Besprechung, aus der sie etwas mitnehmen.“

Auch das belgische Talent Jasper Philipsen (UAE-Team Emirates) vermisst die Frühjahrsklassiker und vor allem die Flandern-Rundfahrt, die am kommenden Sonntag hätte ausgetragen werden sollen. „Das ist eines der Rennen, die mein Interesse am Radsport geweckt haben“, sagte er gegenüber Velonews. Ich erinnere mich, dass ich als Zuschauer da war, als ich jünger war. Ich war an der Mauer von Geraardsbergen mit meiner Familie in dem Jahr, in dem Nick Nuyens gewonnen hat. Es ist ein bisschen seltsam, dass das Rennen nicht stattfindet. Aber ich wäre überrascht gewesen, wenn es ohne Zuschauer stattgefunden hätte. Sie hatten keine andere Wahl, als es abzusagen.“

Bei Sunweb erlebt Michael Matthews noch keine Gehaltskürzungen, grundsätzlich hat aber auch er sich auf schwierigere Zeiten eingestellt: „Ich stehe im ständigen Kontakt mit meiner Mannschaft und wir sind sehr privilegiert mit unseren Sponsoren und Sunweb“, sagte der Punktetrikotgewinner der Tour de France gegenüber Cyclingnews. Momentan ist alles noch so gut, wie es sein kann in dieser Lage. Sie haben uns gesagt, dass die Dinge derzeit sicher und unter Kontrolle sind und ich habe riesiges Vertrauen in Ivan Spekenbrink und die Mannschaft. Wenn es hart auf hart kommt und Einschnitte nötig werden, dann weiß ich, dass sie sich absolut sicher sind, dass dies der beste Schritt für die Fahrer, das Personal und den Rest des Teams ist. Es ist traurig, dass das bei anderen Mannschaften schon geschieht, aber im Moment muss jeder auf irgendeine Weise Opfer bringen.“

Dass auch und besonders der Frauenradsport unter der Coronakrise leiden wird, machte Cyclingnews am Donnerstag klar. Ronny Lauke, der Teamchef von Canyon-SRAM, wird zitiert mit den Worten: „In Zukunft werden Teams verschwinden und andere werden die Anzahl an Fahrerinnen reduzieren. Wenn man bedenkt, dass viele Leute in der normalen Arbeitswelt ihren Job verloren haben oder nur in Teilzeit weitermachen können, Gehaltskürzungen akzeptieren müssen oder auf finanzielle Unterstützung der Regierungen angewiesen sind, erscheint es mir klar, dass das im Radsport auch passieren wird. Unser Sportbusiness kann nur gesund bleiben, wenn die normale Geschäftswelt richtig funktioniert.“



03.04. – Lampaert lässt die Ronde hochleben

Am Freitag war auf Cyclingnews ein langes Interview mit der Luxemburgerin Christine Majerus zu lesen, einer der wichtigsten Helferinnen im so erfolgreichen Boels-Dolmans Team. „Es ist entscheidend, geben zu können und kein allzu großes Ego zu haben und sich für jemand anderen aufopfern zu können“, erklärte sie die Voraussetzungen für ihren Job. „Ich denke, ich gebe eher als ich nehme, und das hat mir bei meiner Rolle als Domestik in die Karten gespielt. Obwohl ich mich nicht nur als Helferin bezeichnen würde, denn wenn ich die Chance habe, für mich selbst zu fahren, kann ich das auch ziemlich gut. Ich sehe mich eher als Capitaine de Route denn als Domestik, aber ich bin nicht sicher, ob jeder den Unterschied versteht. Ich glaube, Capitaines de Route müssen taktische Entscheidungen treffen, vor allem wenn es keinen Teamfunk gibt, und es ist eine meiner Stärken, ein Rennen lesen zu können, weil ich Erfahrung habe.“

Zusammen mit Velonews warf auch Yves Lampaert (Deceunick-Quick Step), der Zweitplatzierte vom Omloop Het Nieuwsblad, noch einen Blick auf die für diesen Sonntag abgesagte Flandern-Rundfahrt: „Die Enttäuschung wird von Tag zu Tag größer, je näher der Sonntag kommt. Ich spreche mit meinen Nachbarn darüber und zu wissen, dass es an diesem Wochenende kein Rennen gibt, macht einem klar, wie unnormal momentan alles ist. Für mich und für viele andere ist es nicht nur das größte Ziel des Jahres, es ist unsere eigene Weltmeisterschaft mit derselben Bedeutung und demselben Prestige. An diesem Tag steht ein ganzes Land still. ‚De Ronde‘ ist Teil unserer Identität, etwas das uns ausmacht.“






Davide Formolo (Foto: instagram.com/davideformolo/)
Davide Formolo (Foto: instagram.com/davideformolo/)

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