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Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW17)
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25.04.2020

Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW17)

Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



25.04.2020 – Zurzeit werden keine Radrennen ausgetragen, aber das heißt nicht, dass die Radsport-Szene verstummt ist. Geredet wird immer, zur Not über die Coronakrise. LiVE-Radsport.com hat die einschlägigen Medien durchstöbert und die Stimmen der Woche für Euch zusammengestellt.


Alle Beiträge der Serie „Die Stimmen der Woche“


20.04. – Dumoulin hat kein Interesse am Stundenweltrekord

Am Montag verriet Tom Dumoulin (Jumbo-Visma) gegenüber Sporza, warum er an einem Stundenweltrekord-Versuch, zumindest derzeit, nicht interessiert ist. „Ich finde das echte Rennfahren viel schöner, als eine Stunde auf der Bahn zu leiden. Die Tour zu gewinnen oder bei den Olympischen Spielen einen Erfolg zu feiern, steht auf meiner Wunschliste viel weiter oben. Ich weiß zwar, dass man sagt, ich hätte die Fähigkeiten dazu, aber mein Fokus liegt in den kommenden Jahren auf den großen Rundfahrten. Und das lässt sich schwer kombinieren. Für den Stundenweltrekord muss man an Gewicht zulegen, muss man Kraft haben.“

In dieser Woche hätte normalerweise die Flèche Wallonne stattgefunden, jener Ardennenklassiker zwischen dem Amstel Gold Race und Lüttich-Bastogne-Lüttich. Julian Alaphilippe wäre dort zum wiederholten Mal als Titelverteidiger an den Start gegangen. Auf der Webseite seiner Mannschaft Deceuninck-Quick Step war zu lesen, was ihm sein erster Erfolg (von 2018) bedeutete: „Jeder Sieg ist wichtig, aber dieser war besonders, denn es war mein erster bei einem Klassiker, wovon ich immer geträumt hatte. Ich liebe dieses Rennen, ich wusste, es ist wie für mich gemacht, und ich hatte hohe Erwartungen nach meinen vorangegangenen Podiumsplatzierungen. Dieser Sieg war mehr als ein Sieg, er hat etwas ausgelöst, ich habe ihn gebraucht, um weitere Siege einzufahren und an Selbstvertrauen zu gewinnen.“ Dennoch schätzt der Franzose den Triumph von 2019 höher ein: „Der kam am Ende einer höchst erfolgreichen ersten Hälfte der Saison. Ich kann euch gar nicht sagen, wie motiviert ich war, von meiner Topform zu profitieren und zu siegen.“

Sporza veröffentlichte außerdem ein Interview mit Ex-Radprofi Michael Boogerd, der das Amstel Gold Race 1999 gewinnen konnte und viele Male auf dem Podium stand. Natürlich kam auch die Doping-Vergangenheit des Niederländers zur Sprache, zu der er sich 2013 bekannte. „Ob ich aufgrund des Drucks gestanden habe und ich ansonsten vielleicht weiter geschwiegen hätte? Wenn da nicht so ein Druck gewesen wäre, dann hätte ich nie ein Geständnis abgelegt. Ich hoffte immer, dass es mich nicht treffen würde, aber es ist geschehen. Man will einfach nicht vom Sockel fallen und das Elend mitmachen, was einen dann trifft. Es gibt keine Fahrer, die aus Reue gestanden haben. Sie wurden erwischt oder unter Druck gesetzt. Niemand gesteht von sich aus.“



21.04. – Denk stellt sich auf Rennbetrieb bis Weihnachten ein

Letzte Woche hat die UCI ihren Plan publik gemacht, wonach die Tour de France von Ende August bis 20. September stattfinden soll. Die erste Euphorie ist mittlerweile bei vielen Fahrern einer vorsichtigen Skepsis gewichen – so auch bei Romain Bardet (AG2R-La Mondiale): „Bis September wird man kein medizintechnisches Wunder erleben“, sagte er Le Monde. „Man wird also sehr, sehr strikte Beschränkungen befolgen müssen und die Frage stellt sich, ob diese sich mit der Durchführung eines Events wie der Tour de France vertragen. Das hat meinen Enthusiasmus etwas abgekühlt. Wenn ich das Ausmaß der Tour anschaue, fällt es mir schwer zu glauben, dass kein Teilnehmer je mit einem Überträger des Virus zusammentreffen wird. Werden wir also das Virus während dreier Wochen überall hinschleppen, ohne es zu wissen? Mal ehrlich: Das Peloton ist ein Nest potenzieller Ansteckung. Wir atmen uns an, wir kommen in Kontakt miteinander, wir schwitzen. Im Bus, in unserem Alltag, man kann nichts dagegen machen. Die Masseure, die Mitarbeiter in den Restaurants und Hotels… Es ist einfach unmöglich, alle Vorsichtsmaßnahmen zu befolgen.

Bora-Hansgrohe-Teammanager Ralph Denk sieht die Sache allerdings sehr viel optimistischer. „Ich gehe fest davon aus, dass wir am 29. August in Nizza von der Startrampe rollen werden“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Wenn wir im September die Tour fahren, könnten im Oktober die Weltmeisterschaften und der Giro stattfinden. Die Vuelta könnte man klimatisch auch noch in den Dezember hinein fahren. Wir als Team sind bereit, bis Weihnachten zu fahren. Wenn wir dann noch die fünf Monumente wie zum Beispiel Paris–Roubaix reingeschoben bekämen, hätten wir beinahe alles gerettet im Radsport. Dann könnten wir am Jahresende sagen: Es ist fast alles gut.“ Lediglich die Tour de France durchzuführen, sei „Plan B. Damit hätten wir 70 Prozent des Jahres-Werbewerts erreicht. Damit könnten wir auch noch leben.“ Aber die vollständige Absage aller Rennen für 2020 „wäre ein erheblicher Rückschlag für den Radsport, der existenzielle Gefahren mit sich brächte.“



Eine geradezu unerschütterliche Zuversicht legt Ex-Radprofi Robbie McEwen an den Tag. Der dreifache Punktetrikotgewinner der Tour de France wird von Sporza zitiert mit den Worten: „Der Radsport wird es überleben. Die Sponsoren brauchen zwar ein paar Jahre, um das alte Niveau zu erreichen und die Vertragsgehälter werden vielleicht etwas niedriger sein. Es wird immer Fahrer und Rennen geben und die Mannschaften können nur bezahlen, was sie bezahlen können. Man kann dann entweder Profi werden für ein etwas niedrigeres Gehalt oder man kann einem normalen Beruf nachgehen. Aber es wird doch alles gut.“

Vom Wallonischen Pfeil war bereits die Rede. Michael Albasini (Mitchelton-Scott) stand dort 2015 auf dem Podium. Gegenüber Radsport-News.com beschrieb der Schweizer den legendären Schlussanstieg, die Mauer von Huy, mit drastischen Worten: „Die Mur ist ein spezieller Anstieg im Radsport. Ich habe mich immer gefreut, da mitten drin zu sein. Auf der anderen Seite hat mir keine Steigung mehr Schmerzen bereitet als diese. Ich war jeweils 60 bis 80 Meter vor dem Ziel komplett übersäuert, da beendet man normalerweise jegliche Belastung. Diese letzten Meter zu ertragen, ist das Schwierigste, weil du weißt, dass sie kommen. Über den Punkt hinauszugehen, das klappt nicht jedes Mal. Absichtlich in eine Kreissäge zu greifen, das braucht eben mentale Überwindung.“



22.04. – Sollte die Flèche Wallonne abgeschafft werden?

Michael Albasini wurde auch am Mittwoch in einem Artikel von Velonews erwähnt. Der 39-Jährige gehört nämlich (neben z. B. Alejandro Valverde, Tony Martin oder Enrico Gasparotto) zu den Fahrern, die Ende 2020 eigentlich aufhören wollten, ihren Plan aufgrund der Coronakrise aber noch mal überdenken. Das könnte zu zusätzlichen Konkurrenzsituationen und Engpässen führen: „Quer durch das Peloton fühlen Mannschaften schon die Auswirkungen des Coronavirus und des Wettkampfstopps und man befürchtet, dass ein paar Teams dichtmachen müssen. Und jene, die überleben, werden 2021 geringere Budgets haben und ihre Kader werden sicherlich weniger groß sein. Es ist fast sicher, dass viele Fahrer nächstes Jahr in der WorldTour keinen Platz mehr finden werden. Einige davon werden Veteranen sein, die ihre Karriere gerne anders abgeschlossen hätten, aber andere werden jüngere Fahrer sein, die einfach keinen Vertrag bekommen.“

Radsport-News.com brachte diese Woche ein mehrteiliges Interview mit Sylvan Adams, dem reichen Finanzier hinter dem Israel Start-Up Nation Team. Was ihn von anderen Mäzenen unterscheidet, erklärte der Israeli so: „Ich bringe ein Element ein, das die anderen nicht hatten. Ich mache Werbung für ein Land. Ich mache es nicht nur, weil ich den Radsport mag. Dann hätte ich ein WorldTour-Team kaufen können. Ich war nur an Gesprächen über eine Fusion mit meinem Israel Team interessiert. Zufälligerweise mag ich den Radsport. Aber der motivierende und bei weitem der bedeutendste Faktor war, dass ich mein Land promoten und meinen Auftrag als Sonderbotschafter erfüllen wollte.“ Der Radsport eigne sich dafür besonders, weil er „hunderte Millionen Menschen erreicht. Außerdem gibt es so viele Rennen mit weltweiter Ausstrahlung. Wir sind überall. Ich denke, dass Radsport sehr gut ist, um Israel zu promoten, indem ich Erstbesuchern via Fernsehen oder dem Team zeige, dass Israel ein normales Land ist. Und dass wir normale und großartige Dinge tun.“



Am kommenden Sonntag hätte eigentlich Lüttich-Bastogne-Lüttich stattfinden sollen. Velonews sprach mit Bernard Hinault über dessen unvergesslichen Sieg vor genau 40 Jahren. 1980 hatte Hinault Liège-Bastogne-Liège nach einer 80-Kilometer-Solofahrt gewonnen – im wüstesten Schneetreiben. Der heute 65-Jährige beschrieb seine Ausstattung: „Ich hatte eine Regenjacke wie die meisten Fahrer. Damals hatten wir keine Funktionskleidung, wie es sie heute gibt. Damals gaben uns die Teams keine Winterhandschuhe, weil einfach keine speziellen Handschuhe existierten. Ich hatte nur einfach ein paar Wollhandschuhe und eine Mütze, aber sie waren nicht speziell für den Radsport gemacht oder so. Ich hatte zwei oder drei Wolltrikots unter der Regenjacke und das war’s.“ Die Einzigartigkeit seines Siegs war ihm nicht sofort bewusst: „Wenn ich auf jenen Tag zurückblicke, dann weiß ich, ich habe etwas wirklich Fantastisches geleistet, aber wenn man mitten im Geschehen ist, dann versteht man nicht unbedingt die Größe eines bestimmten Siegs. Für mich war Liège zu gewinnen genauso wie ein anderes großes Rennen zu gewinnen. Nur weil es schneite, war das nicht anders. Erst mit der Zeit habe ich begriffen, dass ich an jenem Tag eine Heldentat vollbrachte.“

Noch mal zurück zur Flèche Wallonne. Cyclingtips brachte eine unterhaltsame Polemik, in der erklärt wird, warum es sich dabei um den schlechtesten Ardennenklassiker handelt. „In den letzten 25 Jahren war Flèche Wallonne ein nicht zu genießender, formelhafter Langeweiler und die Mauer ist einer der Gründe dafür. Hier die letzten 10 Austragungen in der Zusammenfassung: frühe Fluchtgruppe mit weniger bekannten Fahrern wird während oder nach der zweiten Passage der Mur eingeholt. Massensturz im Peloton nach der Abfahrt. Konterattacke von bekannteren Fahrern, wird aber während oder kurz vor dem letzten Anstieg auf die Mauer eingeholt. Und dann der letzte Anstieg, der sich wie ein Sprint im Gegenwind abspielt und wo normalerweise derjenige gewinnt, der als Letzter attackiert. Flèche Wallonne ist buchstäblich die Klassikerversion jener einschläfernden Tage der Tour de France, wo das Rennen eine 200+ Kilometer ‚Überführungsetappe‘ zurücklegt. Nur die letzten 5 bis 10 Kilometer sind interessant und man fragt sich, warum hat man nicht einfach Ausfahrt unternommen und ist dann rechtzeitig für den Sprint nach Hause gekommen?“



23.04. – Kittel spürt noch immer das Adrenalin

Über Facebook befragte Sporza den früheren Top-Sprinter Marcel Kittel, ob er irgendetwas am Radsport mittlerweile vermisse. „Wenn ich das Finale eines Wettkampfs sehe und den Sprint, dann fühle ich noch das Adrenalin. Ich weiß genau, wie ein Fahrer sich während eines Sprints fühlt. Was er denkt, was bei den Fahrern um sich herum los ist und worauf man achten muss. Meine Karriere ist vielleicht vorbei, aber ich fühle in meinem Herzen immer noch die Leidenschaft und das Adrenalin. Was ich natürlich ein bisschen vermisse, ist das Unterwegssein mit meinen Teamkollegen. Das war immer eine schöne Zeit und einer der Hauptgründe, warum ich meinen Sport genießen konnte. Ich finde auch, dass dies eines der Dinge ist, die den Radsport so authentisch machen. Auf der ganzen Welt Rad zu fahren mit deinen Kameraden.“

24.04. – Bigla-Katusha steht das Wasser bis zum Hals

Am Freitag legte Annemiek van Vleuten (Mitchelton-Scott), die amtierende Weltmeisterin, gegenüber Sporza ein bemerkenswertes Geständnis ab. „Man vermisst den Wettkampf so sehr, dass man sozusagen einen Mord begehen würde, um wenigstens ein Kirmesrennen fahren zu können. Ich hoffe, dass wir überhaupt noch Rennen fahren können. Für mich ist es besonders bitter, weil ich ausgerechnet dieses Jahr das Regenbogentrikot trage. Aber ich habe mit dem Omloop Het Nieuwsblad immerhin einen schönen Sieg in dem Trikot gefeiert. Ein Rennen gefahren und ein Sieg, dass ist doch auch schön.“

Velonews befragte verschiedene Autoren zu ihrer Meinung über die Bedeutung des E-Radsports, der derzeit natürlich in aller Munde ist. „Virtuelle Rennen werden uns erhalten bleiben“, heißt es einerseits. „Der Covid-19-Rennstopp hat die Welt der virtuellen Rennen einem größeren Publikum eröffnet. Es gibt schon Online-Renn-Ligen und bald eine Weltmeisterschaft. Der Profiradsport sollte das begrüßen.“ Ein anderer hält dagegen: „Es ist großartig fürs Training und die existierenden Plattformen werden von der Situation profitieren, aber niemand betrachtet virtuelle Rennen als mehr als eine Ablenkung von dem derzeitigen Mangel an echten Radrennen.“ Eine vermittelnde Position lautet: „Ich bin mir zwar nicht sicher, ob die Top-Teams die Energien der Fahrer auf virtuelle Rennen richten wollen während eines vollgepackten traditionellen Rennkalenders. Ich denke aber unbedingt, dass sie weiter öffentliche Events mit markanten Fahrern verwenden werden, um Sponsoren und Fans glücklich zu machen.“

Außerdem hörte man, dass die Zukunft des Bigla-Katusha Teams, eines erfolgreichen Frauenteams, das u. a. Elise Chabbey und Clara Koppenburg in seinen Reihen hat, am seidenen Faden hängt. „Der Teammanager hat einen Brief von einem der Hauptsponsoren, Bigla, erhalten, in dem steht, dass das Unternehmen den Großteil seiner üblichen Zahlungen an das Team einstellen möchte“, war auf der Teamwebseite zu lesen. „Der andere Partner der Mannschaft, Katusha, hat dem Team bereits in den vergangenen Monaten alle Mittel verweigert. Die Mannschaft und ihre Partner waren 100 % entschlossen, den großen Erfolg fortzusetzen, wenn die Rennen dieses Jahr wieder losgehen, und die Fahrerinnen haben viel Zeit und Energie darauf verwendet, ihre Fitness und Wettkampftauglichkeit zu erhalten. Eine solch bekannte und erfolgreiche Mannschaft mit 200 Podiumsplatzierungen seit 2015 in einer so schwierigen Lage zu sehen, ist enttäuschend, nicht nur für das Team, auch für seine Partner, Unterstützer und die Radsportfans im Allgemeinen.“







Annemiek van Vleuten (Foto: twitter.com/AvVleuten)
Annemiek van Vleuten (Foto: twitter.com/AvVleuten)

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