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Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW19)
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09.05.2020

Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW19)

Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



09.05.2020 – Zurzeit werden keine Radrennen ausgetragen, aber das heißt nicht, dass die Radsport-Szene verstummt ist. Geredet wird immer, zur Not über die Coronakrise. LiVE-Radsport.com hat die einschlägigen Medien durchstöbert und die Stimmen der Woche für Euch zusammengestellt.


Alle Beiträge der Serie „Die Stimmen der Woche“


04.05. – Zwift Tour, Ovett und die Reklametafeln

KW19 war die Woche der Zwift Tour for All. Das Etappenrennen mit Team-Punktewertung begann am Montag mit einem Schlagabtausch im virtuellen Innsbruck. Bei den Männern gelang Freddy Ovett (Israel Start-Up Nation) ein Außenseitersieg, wobei er keinen Geringeren als Mathieu van der Poel hinter sich ließ. Virtuelle Rennen hält der 26-jährige Australier in der Coronakrise für eine gute Sache: „Wir Fahrer müssen in dieser Zeit etwas umdenken. Es gibt keine Möglichkeit, Resultate einzufahren. Die einzige Sache, die wir tun können, sind diese Rennen oder die Sponsoren im Internet und in den sozialen Medien etwas mehr zu präsentieren. Es ist an der Zeit für uns Fahrer, ein bisschen querzudenken und uns nicht nur auf Ergebnisse zu fokussieren, denn letztlich sind wir für unsere Sponsoren nur Reklametafeln und sie machen gerade eine harte Zeit durch.“

Bei den Frauen ging der Auftaktsieg hingegen an eine prominente Fahrerin: Ex-Weltmeisterin Marianne Vos (CCC-Liv). „Im finalen Sprint musste ich alles geben. Es ist ähnlich wie auf der Straße, man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen und versuchen, Energie zu sparen, wo man nur kann. Ich habe mit Zwift nicht so viel Erfahrung und habe ein paar Tricks und Tipps von Teamkolleginnen bekommen – die schon vorher solche Rennen gefahren sind und mir ein paar gute Infos zum Gebrauch der Power-ups gegeben haben.“ Vos‘ Teamkollegin Ashleigh Moolman Pasio sollte im Verlauf der Woche noch drei (von insgesamt fünf) Etappen gewinnen.



05.05. – Van Dijk freut sich auf ein episches Paris-Roubaix

Am nächsten Tag schob sich ein anderes Thema in den Vordergrund: der sehnsüchtig erwartete neue Straßenrennkalender für die Corona-Saison 2020. Nach den Vorstellungen der UCI fängt das Wettkampfgeschehen am 1. August wieder an und zieht sich bis in den November hinein. Es gibt etliche Überschneidungen von WorldTour-Events, vor allem der Oktober wird voll. Eine der ersten Reaktionen kam vom Team Deceuninck-Quick Step. So wurde Zdenek Stybar auf der Teamwebseite zitiert: „Ich bin glücklich, dass wir einen neuen Kalender haben, dass wir wissen, wann die Klassiker stattfinden, die wir so lieben. Es macht mich froh zu wissen, wann die Flandern-Rundfahrt und Roubaix sein werden, obwohl es komisch ist, dass sie im Herbst stattfinden. Oktober wird ein ziemlich hektischer Monat und unser Programm wird eine Herausforderung sein, wenn die Rennen wieder losgehen, aber ich kann es gar nicht erwarten, mit den sportlichen Leitern zu sprechen und mit der Arbeit für diese Ziele zu beginnen.“

Auch Wout van Aert (Jumbo-Visma) freut sich. „Der Oktober übertrifft meine Erwartungen, mit drei schönen Wochen: Gent-Wevelgem, die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix. Im Prinzip ist das ein schöner Kalender“, sagte der frühere Radcross-Weltmeister gegenüber Sporza. Er gibt aber zu: „Es erscheint ein bisschen surrealistisch, sicherlich weil wir in dieser seltsamen Zeit leben. Man kann es sich eigentlich gar nicht vorstellen, aber es gibt einem Hoffnung. Die Reisebeschränkungen sind noch etwas schwierig. Muss ich mich komplett in Belgien vorbereiten? Kann ich ins Höhentrainingslager? Das möchte ich schnell wissen, genau wie viele Menschen wissen wollen, ob sie in Urlaub fahren können. Ich bin genauso ungeduldig wie sie.“



Greg van Avermaet (CCC Team) zollte der UCI Respekt: „Normalerweise fahren wir 7 Monate Rennen, nun drei. Das bekommt man schwer in einem Kalender unter. Aber sie haben ihr Bestes getan und das ist der bestmögliche Kalender“, sagte der De-Ronde-Lockdown-Edition-Gewinner ebenfalls gegenüber Sporza. „Ich muss etwas streichen, aber die großen Rennen kann ich doch mitmachen. Und die Flandern-Rundfahrt auszulassen, ist keine Option, denn die echte Ronde habe ich noch nie gewonnen... Es wird nicht einfach, die Form zu halten, aber hoffentlich ist es ein einmaliges Experiment und wir kommen gut durch.“

Überraschenderweise findet sich auf dem überarbeiteten Rennkalender erstmals ein Paris-Roubaix für Frauen. Die Freude unter den Fahrerinnen war groß. „Das ist etwas Positives und ich bin superhappy“, wurde Zeitfahr-Europameisterin Ellen van Dijk auf der Webseite von Trek-Segafredo zitiert. „Paris-Roubaix ist ein historisches Rennen und es wird supercool, über diese legendären Straßen zu fahren. Es ist für Ende Oktober angesetzt, wenn das Wetter manchmal nicht besonders gut ist, aber es wird möglicherweise sogar ein noch besseres Rennen, wenn es bei Nässe stattfindet, wo alles passieren kann. Je epischer es ist, desto cooler und ich wäre so gerne ein Teil dieser ersten Ausgabe von Paris-Roubaix für Damen.“ Überhaupt war es eine bemerkenswerte Woche für den Frauenradsport, denn es wurde auch gemeldet, dass die ASO für 2022 eine Tour de France Féminin plane.



06.05. – Vaughters kritisiert zu große Augen

Auch die australische Meisterin Amanda Spratt äußerte sich zur geplanten „Hölle des Nordens“ für Frauen: „Ich spüre schon die Schmerzen im ganzen Körper, wenn ich Paris-Roubaix nur auf dem Kalender sehe, aber ich denke, es ist einfach toll“, war auf der Webseite von Mitchelton-Scott zu lesen. Das ist das eine Rennen, nach dem das ganze Frauen-Peloton verlangt hat. Es ist so ein ikonisches Rennen und ich glaube, es gibt keinen Grund, warum wir dort keine gute Show bieten sollten. Es ist ein gewaltiger Schritt vorwärts und wirklich erfreulich, dass die ASO sich das Feedback zu Herzen genommen hat.“

Die Einschätzung von Ralph Denk, dem Teammanager von Bora-Hansgrohe, lautete: „Zuerst ist es mal schön einen Kalender zu haben. Logistisch sehe ich kein Problem, wir sind ja gewohnt bis zu drei Rennprogramme parallel zu fahren. Was schade ist, ist dass man Klassiker teilweise parallel zum Giro fährt, das finde ich fast ein wenig respektlos, zumal man die Saison auch hätte weiter verlängern können, um das zu vermeiden. Das Wichtigste ist aber, dass alle großen Rennen drin sind. Damit ist die mediale Präsenz unseres Sport wahrscheinlich auf einem ähnlichen Niveau wie in den letzten Jahren, was für die Teams wirtschaftlich entscheidend ist.“



Nur sehr vereinzelt gab es kritische Stimmen zum gerafften Rennkalender. EF-Pro-Cycling-Teammanager Jonathan Vaughters meinte gegenüber Cyclingnews: „Ich würde mich auf die wichtigsten Rennen konzentrieren und sicherstellen, dass diese durchgeführt werden können, weil ich denke, dass zu viel wollen jetzt sehr riskant ist. Ich und die meisten Teams wären wirklich glücklich, wenn wir die Tour de France fahren könnten und zwei oder drei Monumente. Jeder wäre damit glücklich. Lasst uns einfach sicherstellen, dass wir dieses Jahr überhaupt noch fahren und ein paar gute Rennen fahren. Machen wir uns nicht Sorgen über die Quantität, machen wir uns Sorgen über die Qualität. Was auch immer wir tun, ich möchte sichergehen, dass wir es auch tun können. Unsere Augen sollten nicht größer sein als unser Magen.“

Tanja Erath, die 2017 über die Zwift Academy an ihren Profi-Vertrag bei Canyon-SRAM gekommen war, gab auf Radsport-News.com einige Tipps zum Zwiften: „Es ist wie bei den großen Klassikern auf der Straße: Die wichtigen Punkte der Strecke sollte man auf jeden Fall kennen. Denn wenn man den rechtzeitigen Antritt für eine kurze Rampe verschläft, ist man schneller raus aus dem Feld und seinem Windschatten, als man gucken kann. Außerdem sollte man sich ruhig auch mal ein anderes Rennen auf der jeweiligen Strecke angeguckt haben." Apropos Windschattenfahren: „Das ist tatsächlich eine Übungssache. Man bekommt ein Gefühl dafür, was passiert, wenn man ein paar Watt mehr oder weniger fährt. Und man lernt, auf die Zahlen der Anderen zu achten, um seine eigene Leistung entsprechend anzupassen. Wenn die Fahrerin vor mir zum Beispiel 5,1 Watt pro Kilogramm fährt, versuche ich 4,5 bis 4,8 W/kg zu fahren, um hinter ihr zu bleiben. Aber es ist immer ein bisschen ein Jojo-Effekt und etwas unrhythmischer als draußen."



07.05. – Nys erwartet Auswirkungen auf die Cross-Saison

Am Donnerstag wurde über den neuen Rennkalender für 2020 natürlich immer noch gesprochen. „Der Kalender gibt dem Radsport ein wenig Sauerstoff“, wird Movistar-Teammanager Eusebio Unzué auf Velonews zitiert. „Wir wissen, der neue Kalender ist so etwas wie eine Wunschliste, aber wir hoffen, er wird wahr. Wir haben nun die Zeit, den Kalender zu studieren, der offenbar etwa 75 Porzent der wichtigsten Rennen umfasst. Jeder weiß, dass wir es mit einer Ausnahmesituation zu tun haben. Auch wenn es einige Überlappungen gibt, wenn wir später in der Saison Rennen fahren können, dann würde das bedeuten, dass das Schlimmste dieser Virus-Pandemie hinter uns liegt.“

Auch Jens Voigt machte sich seine Gedanken: „Wir werden trotzdem eine spannende Tour erleben. Vielleicht stehen plötzlich Rennfahrer im Licht, mit denen keiner gerechnet hat“, sagte der als Kämpfernatur bekannte Ex-Profi gegenüber Radsport-News.com. "Durch die ungewöhnliche Vorbereitung und die fehlende Rennpraxis können auch überraschende Ergebnisse herauskommen. Ich gehe davon aus, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit der Tour 2020 auf alle Fälle langsamer als sonst sein wird. Und auf alle Fälle ist ein langsameres Tempo für Ausreißversuche kein Nachteil.“



Serge Pauwels (CCC Team) hat jetzt wieder Hoffnung, was die Zukunft seiner Mannschaft bzw. des Hauptsponsors, eines polnischen Schuhherstellers, angeht. „Es konnten nun wieder einige Filialen geöffnet werden“, sagte er bei Sporza Extra Time Koers. „Aber es ist lange kein Bargeld hereingekommen. Die größte Öffentlichkeit erreicht ein Unternehmen mit Rennen, die im Fernsehen gezeigt werden. Man kann zwar auf Zwift und die virtuelle Flandern-Rundfahrt fahren, aber das ist nie dasselbe. Selbst wenn wir die Tour de France andersherum fahren müssen, von Paris nach Nizza. Wir müssen dieses Rennen unbedingt bestreiten. Damit steht und fällt alles.“

Sven Nys ist der Meinung, dass die nächste Radcross-Saison aufgrund von Corona auch anders verlaufen werde als geplant: „So wie der Kalender momentan aussieht, denke ich nicht, dass er zu Beginn der Saison noch aussehen wird“, so die lebende Radcross-Legende ebenfalls im Gespräch mit Sporza. „Wir sprechen jetzt schon über den 25.10., den Tag, an dem das Crossrennen in Zonhoven mit Paris-Roubaix, dem Giro und der Vuelta zusammenfällt. Das kann man nicht wollen. Ich denke, dass nach dem Kermiscross Ardooie [der diese Woche abgesagt wurde] noch andere Crossrennen wegfallen werden. Dadurch ergibt sich vielleicht etwas Raum, die Cross-Klassiker zu verschieben. Der Ehrgeiz, den Weltcup zu vergrößern und jeden Sonntag stattfinden zu lassen, wird nun auch schon problematisch.“

Außerdem unterstrich Titelverteidiger Egan Bernal seine Ambitionen für die Tour de France 2020, auch wenn er bei Ineos nur als einer von drei möglichen Kapitänen gelten könnte: „Ich verstehe natürlich die Situation der Mannschaft. Für sie wäre es interessant, eine fünfte Tour de France mit Chris [Froome] zu gewinnen oder eine weitere Tour mit Geraint Thomas. Letztlich sind das zwei britische Fahrer und es ist ein britisches Team, das ist wichtig für sie, daher verstehe ich die Position der Mannschaft“, sagte der junge Kolumbianer im spanischen Eurosport. „Aber ich bringe mich auch in Stellung. Ich bin jung, ich habe die Tour de France schon einmal gewonnen und ich werde die Chance, eine weitere Tour zu gewinnen, nicht aus der Hand geben, ganz sicher nicht. Dass ich mich opfern würde, wenn ich selbst 100 % in Form wäre, das werde ich glaube ich nicht tun, noch würde Chris das tun noch sonst irgendjemand.“



08.05. – Meintjes fühlt sich wie ein Profi

Noch einmal zurück zur Zwift Tour for All, die mit einer Bergankunft an der Alpe du Zwift vulgo Alpe d’Huez zu Ende ging. Louis Meintjes (NTT Pro Cycling), der in der realen Welt seit fünf Jahren nichts gewonnen hatte, konnte mit einem Sieg Selbstvertrauen tanken. „Der Lockdown war frustrierend, aber die Mannschaft hat uns wettbewerbsfähig gehalten und ich habe diese Art des Rennfahrens genossen. Ich habe mich wie auf ein normales Rennen vorbereitet, war vor dem Start sehr nervös und bin meine normale Rennroutinen durchgegangen. So etwas hält einen bei der Sache und man fühlt sich wieder wie ein Profi-Radfahrer.“







Team Deceuninck-Quick Step (Foto: twitter.com/deceuninck_qst)
Team Deceuninck-Quick Step (Foto: twitter.com/deceuninck_qst)

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