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Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW21)
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23.05.2020

Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW21)

Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



16.05.2020 – Zurzeit werden keine Radrennen ausgetragen, aber das heißt nicht, dass die Radsport-Szene verstummt ist. Geredet wird immer, zur Not über die Coronakrise. LiVE-Radsport.com hat die einschlägigen Medien durchstöbert und die Stimmen der Woche für Euch zusammengestellt.


Alle Beiträge der Serie „Die Stimmen der Woche“


18.05. – Nibali konzentriert sich auf Italien

Nach und nach beginnen die Fahrer und ihre Teams, die Zeit nach der Corona-bedingten Rennpause zu planen. Trek-Segafredo ließ auf der Teamwebseite ein paar Athleten zu Wort kommen. Den Anfang machte Vincenzo Nibali, der meinte: „Ich werde mich auf einen rein italienischen Kalender fokussieren, wobei der Giro immer noch mein zentrales Ziel ist, was mich glücklich und stolz macht. Ich warte auch auf Neuigkeiten zur WM. Es gibt viele unbekannte Variablen, sowohl was die Vorbereitung angeht wie die Rennen. Die hohe Berge des Giro im Herbst zu befahren oder die 300 km von Mailand-Sanremo im August zurückzulegen, zum Beispiel, sowas hatten wir noch nicht. Aber ich mag neue Herausforderungen und mein Wunsch, eine Startnummer anzuheften, ist riesig. Vom ersten Höhentrainingslager im Juli an habe ich vier volle Monate vor mir. Ich bin motiviert und vor allem optimistisch, dass ich wieder das tun kann, was wir, Fahrer und Fans, so lieben: Rennen fahren.“

Nibalis Teamkollege Richie Porte ergänzte: „Die Saison hatte für mich persönlich großartig begonnen [Gesamtsieg bei der Tour Down Under], aber seitdem war alles so seltsam ohne Rennen und ohne die Möglichkeit, draußen Rad zu fahren. Die Tatsache, dass wir am Ende des Jahres noch Rennen haben werden, ist gut für den Sport. Das Team hat sich in dieser Zeit sehr gut verhalten, war sehr transparent in seinen Informationen darüber, was hinter den Kulissen vor sich ging. Nun darf ich seit einer Woche wieder auf der Straße trainieren und natürlich brennt das Tour-de-France-Feuer in mir. Allerdings ist es ein auch ein Systemschock, wenn man neun Wochen nicht draußen trainiert hat.“



19.05. – Madiot vermisst die Revolution

Über einen möglichen Mannschaftswechsel von Chris Froome (Team Ineos) wurde in letzter Zeit viel spekuliert. Der vierfache Tour-de-France-Sieger, der am Wochenende auch bei der „Challenge of Stars“ mitmachen wird, äußerte sich gegenüber Marca folgendermaßen: „Es dreht sich nicht nur um meinen eigenen Vertrag, vielmehr lässt die Situation in unserem Sport alle momentan im Unklaren. Ich hoffe, dass wir noch Rennen fahren können, und dann werden wir sehen, wer von der Mannschaft gehalten wird und weitermachen kann. Momentan haben wir alle Zweifel. Man muss mehrere Überlegungen anstellen. Viele Aspekte müssen berücksichtigt werden, aber ich bin gerade mitten in diesem Prozess. In den kommenden Wochen und Monaten muss ich mir über einiges klarwerden. Ich hoffe, ich habe ein klareres Bild davon, was die Zukunft bringt, wenn die aktuelle schwierige Lage vorbei ist.“



Bahrain-McLaren wird als ein mögliches zukünftiges Team von Chris Froome gehandelt. Cyclingnews befragte den Teammanager [und ehemaligen Sky-Teammanager] Rod Ellingworth dazu. „Ich spreche sowieso immer noch viel mit den Jungs von Ineos. Einige von denen betrachten mich seit jeher als jemanden, der ihnen ehrlich die Meinung sagt, auch wenn ich mittlerweile für ein anderes Team arbeite. Ja, ich habe mit einigen gesprochen und ja, ich habe mit Chris gesprochen, aber in unseren Gesprächen ging es nur darum, wie es ihm geht und um die derzeitige Situation. Ich würde nicht sagen, dass er jemand ist, der absolut auf unserem Radar ist. Wir bauen ein Team auf mit dem Ziel, Grand Tours zu gewinnen. Ich weiß, dass Chris‘ Vertrag ausläuft und ich habe mit ihm darüber gesprochen. Ich würde nicht sagen, dass wir ihn momentan als Option betrachten, aber man darf niemanden ausschließen. Momentan müssen wir allerdings über andere Dinge nachdenken als darüber, ob wir Chris Froome verpflichten. Ich weiß, dass er sich umsieht, aber derzeit würde ich sagen, dass die Wahrscheinlichkeit wohl höher ist, dass er bei seiner jetzigen Mannschaft bleibt.“
Eine Schwierigkeit bei der Verpflichtung seines früheren Schützlings sieht Ellingworth auf jeden Fall: „Ein Punkt ist sein hohes Preisschild. Nur wenige Teams können sich ihn leisten und der Grund, warum ich dazu nichts sage, ist dass ich nicht weiß, was in der Zukunft mit unserem Team passiert. Manche Türen schließen sich, andere öffnen sich. Vor drei Monate waren wir als neues Team am Singen und Tanzen und dann wurden wir ins Gesicht geschlagen so wie jeder andere aufgrund dieses Virus.“



Marc Madiot, der Teammanager von Groupama-FDJ, äußerte gegenüber L’Equipe Kritik an der schwachen Position der Profimannschaften, die sich gerade in der derzeitigen Situation bemerkbar mache: „Wenn die großen Rennen nicht im Privatbesitz wären, wenn wir diese Events besitzen würden, dann könnten wir die Regeln machen und das wäre ein großer Game-Changer. Aber um dorthin zu gelangen, um Dinge zu verändern, bräuchte es eine Revolution. Die Fahrer müssten protestieren. Am Start der Tour müssten die Fahrer sagen: ‚Wir starten nicht‘. Ich habe das einmal gemacht, wegen eines kleinen Problems, und es hat funktioniert. Zum Beispiel 1991 wegen der Helme. Wir haben gestreikt, wir haben unsere Helme abgenommen. Ich sage ja nicht, dass das die beste Entscheidung war, aber wir haben gewonnen und die Fahrer könnten auch heute gewinnen. Wenn die Fahrer anhalten, gibt es kein Rennen.“
Trotz allem ist Madiot zufrieden mit der Situation seiner Mannschaft: „Ich bin glücklich mit Groupama und FDJ. Für sie ist es mehr als nur ein Geschäft. Das erzähle ich auch meinen Jungs: Groupama und FDJ unterstützen uns, wir gehören zu einem Team. Das sind nicht nur zwei Logos auf dem Trikot.“ Allgemein billigt er dem Radsport viel Krisenresistenz zu: „Wenn man jemals eine Startnummer getragen hat, dann ist man das Kämpfen gewohnt. Es gibt einen Überlebensinstinkt im Radsport. Die Tatsache, dass wir imstande waren, einen neuen Rennkalender zu entwerfen, unterstreicht diesen Spirit, der spezifisch für den Radsport ist: Wenn Du stürzt, dann stehst Du wieder auf und kehrst schnell ins Peloton zurück, ansonsten wirst Du nach Hause geschickt. Und der Profiradsport wird eine entscheidende Rolle für den Amateurradsport spielen: Wenn wir die Maschine nicht wieder anwerfen können und weitermachen, wird der Amateurradsport untergehen. Diesmal sind es die Profis, die den Amateuren vorausgehen, während zu normalen Zeiten die Basis die Pyramide stützt.“

Trek-Segafredo zitierte weitere Fahrer im Hinblick auf die Saisonplanung. Der amtierende Weltmeister Mads Pedersen sagte: „Ganz offensichtlich bleiben die Klassiker mein Ziel und ich hoffe immer noch darauf, die Tour zu fahren. Sicherlich wird den Klassikern mein Hauptaugenmerk gelten, und sie liegen am Ende der Saison, daher freue ich mich sehr darauf und hoffe auf ein nasses Roubaix dieses Jahr. Es wird eine coole Erfahrung sein, all die großen Rennen in einer so kurzen Zeitspanne zu absolvieren. Das ist für alle neu und wird nett werden.“ Sein Teamkollege Jasper Stuyven richtet sich ganz ähnlich aus: „Die Klassiker sind immer noch mein Hauptziel und es wird eine kurze Zeitspanne mit vielen Rennen sein, daher wird es wichtig, eine Balance zwischen Wettkämpfen, Ruhe und ein wenig Training zu finden. Keiner weiß, wie Klassikerfahren im Oktober sein wird, aber soweit ich mich erinnere, war das Wetter in den letzten Jahren im Oktober ganz OK in Belgien. Die Wahrscheinlichkeit für schlechtes Wetter ist ein bisschen höher, aber ein wenig Regen und ein wenig Kälte machen mir nichts aus.“



20.05. – Landa sieht sich auf dem Tour-Podium

Am Mittwoch stellte IOC-Präsident Thomas Bach auf BBC.com klar, dass eine Verschiebung der Olympischen Sommerspiele von Tokio über das Jahr 2021 hinaus nicht infrage kommt. „Man kann nicht jedes Jahr den gesamten Sportkalender aller großen Verbände weltweit ändern. Man kann die Athleten nicht so lange im Ungewissen lassen. Man kann außerdem keine Überlappungen mit zukünftigen Olympischen Spielen akzeptieren. Wir sind auf verschiedene Szenarien eingestellt. Die klare Ansage ist, dass wir diese Spiele im Juli nächsten Jahres abhalten werden.“ Unter welchen Bedingungen Tokio 2020 stattfinden wird, ist aber selbst Bach noch überhaupt nicht klar: „Wir schauen uns gleichzeitig die Szenarien an, die von den Organisatoren möglicherweise verlangt werden, im Hinblick auf Gesundheitsmaßnahmen. Diese könnten Quarantäne für die Athleten erfordern, für einen Teil der Athleten oder für andere Teilnehmer. Was würde das für das Leben in einem Olympischen Dorf und so weiter bedeuten? All diese verschiedenen Szenarien werden in Betrachtung gezogen und daher sage ich, es ist eine Mammutaufgabe, weil es so viele verschiedene Optionen gibt, dass man sie derzeit nicht leicht angehen kann.“

Niki Terpstra (Total Direct Energie) sagte in Facebook Live mit Shimano über die anstehende zweite Hälfte der Saison: „Meine größten Ziele sind Paris-Roubaix und die Flandern-Rundfahrt, das sind immer meine Hauptziele – die Klassiker, die BinckBank Tour und die Tour. Vielleicht wenn es eine Überraschung bei der WM gibt, könnte ich dort auch antreten. Meine Mannschaft möchte ins Höhentrainingslager reisen, aber wir müssen sehen, ob uns das erlaubt sein wird. Ansonsten bereite ich mich zu Hause vor. Vielleicht könnten einige Fahrer, die im April in guter Form sind, im Oktober keine gute Form haben. Aber letztlich denke ich doch, wir werden die üblichen Verdächtigen sehen.“



Marca befragte Mikel Landa (Bahrain-McLaren) zu seiner Stimmung und seinen Zielen: „Ich schätze das Vertrauen, das mein Team mir entgegenbringt. Das gibt mir die Motivation, um weiter zu arbeiten. Mit dem neuen Kalender muss man die Ziele priorisieren. Wir arbeiten darauf hin, eine großartige Tour zu fahren und das begeistert uns. Den Rest wird man sehen. Möglicherweise werde ich in Burgos anfangen, das gefällt mir sehr. Ich habe noch nicht mit dem Team darüber gesprochen, aber es wäre ein guter Einstieg. Bei der Tour de France sehe ich mich auf dem Podium, warum auch nicht? Ich glaube, die Favoriten werden dieselben sein wie immer: Thomas, Bernal, Roglic…“

Auf die Tour de France richten sich auch die Begehrlichkeiten von Esteban Chaves (Mitchelton-Scott), wenn auch eher allgemein, nicht konkret für dieses Jahr. Der Kolumbianer sagte im Deportes W Radio: „Ich würde gerne wieder eine große Rundfahrt bestreiten und ich denke, ich habe das meiner Mannschaft gegenüber deutlich gemacht. Mein Traum ist es, eines Tages die Tour zu gewinnen, das hoffe ich wirklich. Ich hatte immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen und bin nachher stärker zurückgekommen. Ich hoffe, dass sich das so fortsetzt und ich eines Tages meinen Traum realisiere.“ Über einen seiner größten Konkurrenten auf dem Weg zum Tour-Sieg sagte Chaves: „Froome ist ein einfacher und bescheidener Mensch. Irgendwann im Laufe meiner Karriere würde ich gern mit ihm in einer Mannschaft fahren.“

21.05. – Heppner trug 2002 für 10 Tage das Rosa Trikot

Radsport-News.com blickt derzeit jeden Tag auf vergangene Austragungen des Giro zurück, am Donnerstag auf das Jahr 2002, als Jens Heppner 10 Tage das Rosa Trikot trug – so viele wie vor und nach ihm kein Deutscher. „Natürlich macht mich das stolz. Und es kann auch gerne noch beim Rekord bleiben“, so der heute 55-Jährige. Er schilderte den Tag (18. Mai), an dem er die Maglia Rosa übernahm: „Das Gefühl war unbeschreiblich schön. Es war einer meiner größten und schönsten Erfolge und Erinnerung in meiner Laufbahn. Es war eine Schlechtwetter-Etappe, auch wenn es warm war. Es gab am Anfang viel Regen. Ich fuhr am Ende des Feldes und hatte irgendwann die Nase voll, was mich dazu bewog, nach vorn zu fahren. Irgendwie hatte ich Frust wegen des Wetters und als ich vorn war, entstand die Gruppe. Als ich merkte, dass ich virtuell in Rosa war, arbeitete ich schon gezielt auf das Trikot hin. Ich wollte keinen anderen Fahrer mehr wegfahren lassen und so viel wie möglich an Vorsprung ins Ziel bringen.“
Nach Etappe 16 verlor er, nicht zuletzt sturzbedingt, die Gesamtführung wieder und musste kurz darauf die Rundfahrt verlassen: „Ich hatte durch den Sturz große Schmerzen an der Hüfte. Auf der 17. Etappe konnte ich aufgrund der vielen kleinen Brüche am rechten Hüftknochen kaum treten und dann kam auch noch hohes Fieber dazu“, so Heppner, dem die Begleitumstände seines Erfolgs lebhaft in Erinnerung geblieben sind: „Der Rummel, egal ob Medien oder italienische Radsportfans, war enorm. Sie bestürmten mich immer nach der Siegerehrung und wollten mir irgendetwas als Souvenir entreißen. Ich hatte bereits nach dem ersten Tag in Rosa vier Bodyguards an meiner Seite, sonst wäre ich nie zum Bus gekommen.“



22.05. – Froomes Zukunft in der Diskussion

Der mögliche Wechsel von Chris Froome war auch am Ende der Woche noch Thema. Auf Velonews tauschten sich drei Journalisten darüber aus. „Irgendetwas in meinem Kopf weigert sich, den Gedanken von Froome bei Movistar zuzulassen“, so einer der Diskutanten. „Sie haben zwar einen Mangel an Leadern in dieser Saison, aber der Übergang von der Innovationsspeerspitze Ineos zu Old-School-Movistar scheint mir ein Kulturschock zu sein. Bahrain-McLaren macht Sinn, wenn man die Verbindungen zu Ellingworth, Landa und Poels bedenkt, aber sie kürzen dieses Jahr ihre Gehälter, können sie sich Froome leisten? Ich wette, der ewige Zweite Mike Landa hofft, dass nicht. Ich würde vermutlich mein Geld auf Israel Start-Up Nation wetten. Sie haben die Dollars und [Teambesitzer] Sylvan Adams hat sich vorgenommen, mit dem Team an die Spitze vorzustoßen.“
Der zweite Diskutant war skeptisch: „Ich habe ernste Zweifel, dass Froome Ineos verlassen wird, besonders nicht als Transfer inmitten der Saison. Erstens ist er angeschlagen. Kein Team, vor allem nicht bei der herrschenden ökonomischen Ungewissheit, wird Millionen für einen Fahrer opfern, der möglicherweise nicht sein früheres Leistungslevel erreicht, zumal wenn man keine Garantie hat, dass es 2020 überhaupt noch Rennen gibt.“ Ein dritter Journalist meinte: „Ich setze auf NTT Pro Cycling. Ich mag die afrikanische Verbindung, weil Chris viel mehr ein Afrikaner ist als ein Brite. Jedes Mal, wenn ich mit ihm über Afrika gesprochen habe, macht sich ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht breit.“
Wird Froome denn noch ein weiteres mal die Tour de France gewinnen können? „Bei der diesjährigen Tour wird es sehr schwierig, denn es fehlen die ganz hohen Berge und die langen Einzelzeitfahren. Offensichtlich hat er die besten Chancen, die Tour zu gewinnen, wenn er der unumstrittene Leader von Ineos ist. Aber dort verderben zu viele Köche den Brei.“ Eine andere Mannschaft scheint aber auch keine Option zu sein: „Wenn Froome die Tour 2020 wirklich mit einer neuen Mannschaft fährt, dann sehe ich ihn nicht als Sieger. Ineos und Jumbo-Visma haben die Erfahrung und das Know-how, und wenn Froome nach einem Jahr Auszeit zurückkommt, sich an ein neues Team gewöhnen muss und Bernal, Thomas, Roglic, Domoulin etc. die Stirn bieten soll, dann erscheint das zu viel auf einmal.“







Niki Terpstra (Foto: instagram.com/shimanoroad/)
Niki Terpstra (Foto: instagram.com/shimanoroad/)

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