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In Memoriam: Zur Erinnerung an die im Jahr 2011 verstorbenen Radsportler
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11.12.2011

In Memoriam: Zur Erinnerung an die im Jahr 2011 verstorbenen Radsportler

Info: Alle Artikel im Adventskalender 2011
Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



11.12.2011 - Es ist nun fast schon guter Brauch, dass LiVE-Radsport.com in der Vorweihnachtszeit einmal innehält, um an die Radsportler zu erinnern, die uns im vergangenen Jahr für immer verlassen haben. 2011 wurde von zwei tragischen Unfällen überschattet, bei denen Wouter Weylandt und Xavier Tondo ihr Leben ließen. Diesen beiden und den zahlreichen weiteren jüngst Verstorbenen ist unser heutiger Adventskalenderbeitrag gewidmet.


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Unglückszahl 108
Es waren Bilder, die kein Radsportfan jemals wieder vergessen wird. Ein Mann liegt auf der Straße, auf dem Rücken, regungslos in seinem eigenen Blut; Ersthelfer schneiden seinen Brustgurt auf, um lebensrettende Maßnahmen durchführen zu können. Deutlich ist die Auf-und-Ab-Bewegung einer Herzmassage zu erkennen. Schnitt. Die Kameras werde abgezogen, um den Zuschauern weitere Details zu ersparen. Einige Stunden darauf die Gewissheit: Wouter Weylandt ist tot. Er erlag praktisch augenblicklich den schweren Verletzungen, die er sich bei seinem meterweiten Sturz am dritten Tag des Giro zuzog. Auch wenn vermutlich Unkonzentriertheit und Unachtsamkeit und nicht das Gefahrenpotenzial der eigentlich "harmlosen" Abfahrt vom Passo del Brocco die Unfallursache waren, wird der 9. Mai 2011 als einer der schwärzesten Tage in die Geschichte des Radsports eingehen. Der Tod des 26-jährigen Belgiers, der eine Lebenspartnerin und eine zu diesem Zeitpunkt noch ungeborene Tochter hinterließ, sorgte für viele Diskussionen und mag etwas dazu beigetragen haben, dass vor Kurzem die Organisationsstruktur des Giro d'Italia umgestaltet wurde und die neuen Rennleiter unbedingt das Wohl der Athleten in den Vordergrund stellen wollen. Weylandt konnte in seiner Zeit als Radprofi mehrere Siege feiern, z. B. bei der Ronde van het Groene Hart, der Ster Elektrotoer und der Belgienrundfahrt - den größten aber ausgerechnet beim Giro d'Italia ein Jahr vor dem Unglück. Unter Anteilnahme Tausender Trauergäste wurde er in seiner Heimatstadt Gent beerdigt. Die Rückennummer 108, die er in Reihen von Leopard Trek bei der Italienrundfahrt trug, soll dort nie mehr vergeben werden.

Xavier Tondos grausiger Tod
Der Schock von Weylandts Tod war noch kaum verdaut - der Giro war sogar noch im Gang -, als eine neue Schreckensmeldung die Runde machte. Auch Xavier Tondo Volpini wurde Opfer eines grässlichen Unfalls, aber nicht im Rennen, sondern praktisch in seinen eigenen vier Wänden. Am 23. Mai wollte der 32-jährige Spanier sich gerade mit seinem Movistar-Teamkollegen Beñat Intxausti zu einer Trainingsfahrt aufmachen, als er zwischen Garagentor und Auto regelrecht erdrückt wurde. Offenbar bemerkte er nicht, dass der Wagen auf ihn zurollte und konnte den Öffnungsmechanismus nicht mehr rechtzeitig betätigen. Dieser sinnlose Tod im Stile eines Horrorfilms beendete das Leben eines Athleten, der auf den Höhepunkt seiner Karriere zustrebte. Nach Etappensiegen bei Paris-Nizza und der Katalonienrundfahrt 2010, die er als Gesamtzweiter beendete, wurde er Gesamtsechster bei der Vuelta a Espana. Anderthalb Monate vor seinem Unfall gewann er die Vuelta a Castilla y Leon; mit Sicherheit wäre der als beherzt und aufrichtig geltende Tondo auch in diesem Jahr bei seiner Heimatrundfahrt um den Gesamtsieg mitgefahren.

Trainingsunfälle zweier Radsportlerinnen
Leider beschränkten sich die Unfalltode nicht auf die beiden genannten Vorfälle. Gleich zwei bekannte Radsportlerinnen kamen 2011 auf tragische Weise ums Leben: Am 19. Januar wurde die erst 23-jährige Südafrikanerin Carla Swart - Gesamtzweite der Tour de l´Aude-Nachwuchswertung und Zehnte der WM 2010 - im Training von einem Lastwagen überrollt. Ähnlich erging es der Australierin Carly Hibberd, die am 5. Juli auf einer Trainingsfahrt in ihrer Wahlheimat Norditalien von einem Auto erfasst wurde. Für die 26-Jährige, deren größter Erfolg Gesamtrang zwei bei der Tour of Perth 2008 war, kam jede medizinische Hilfe zu spät. Dass natürlich nicht nur Straßenradsport gefährlich ist, lernten wir vor wenigen Tagen, als der Tod von Dane Searls, eines der weltweit bekanntesten BMX-Dirt-Artisten, gemeldet wurde. Der 23-jährige Australier wollte vom Balkon eines Nachtclubs mit dem Bike hinunter in den Swimmingpool springen, schlug aber auf dem Beton neben dem Becken auf und erlag im Krankenhaus seinen Kopf- und Rückenverletzungen. Zu den sehr plötzlichen Todesfällen zählt auch der des mehrfachen Radcross-Weltmeisters der Mastersklasse Marc Druyts. Der 44-jährige Belgier erlitt am 14. August während eines Amateurwettkampfs einen Herzstillstand.

Sechstagekönig Peter Post
Fragt man nach den Fahrern, die bei ihrem Tod auf eine vollendete Karriere zurückblicken konnten, stößt man zunächst auf den Namen von Peter Post. Der Niederländer war sowohl auf der Straße wie auf der Bahn höchst erfolgreich. Seine Siege sind Legion und würden jede Aufzählung sprengen. 65 Mal stand er bei Sechstagerennen ganz oben auf dem Treppchen, u. a. in Antwerpen, Brüssel, Gent, Berlin, Zürich und Dortmund. Hinzu kommen 13 (!) europäische Meistertitel im Derny und im Madison. Unter seinen Spitzenresultaten als Straßenfahrer ragen der Gesamtsieg bei der der Ronde van Nederland 1960, der Deutschland-Rundfahrt 1962 und der Belgienrundfahrt 1963 heraus sowie sein Triumph bei Paris-Roubaix 1964. Dort stellte er einen Durchschnittsgeschwindigkeitsrekord auf, der bis heute gilt. Trotz eines Doping-Geständnisses im Jahr 1965 war Post nach Beendigung seiner aktiven Zeit ab 1974 als Teamleiter tätig, zunächst bei TI-Raleigh, dann bei Panasonic. Zuletzt beriet er die Mannschaft Rabobank. Am 14. Januar 2011 starb Peter Post im Alter von 77 Jahren.

Fedor "der Schreckliche" den Hertog
Circa einen Monat später mussten sich die Niederländer von einem weiteren berühmten Landsmann verabschieden, von Fedor Iwan den Hertog. Dieser war in seiner Zeit als Amateurradsportler Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre einer der erfolgreichsten überhaupt, was ihm den Spitznamen "Iwan der Schreckliche" einbrachte. Unter anderem gewann er 1969 neun von elf Etappen der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt und sicherte sich die Gesamtwertung mit bis heute unübertroffenen 36 Minuten Vorsprung. Die Profiteams rissen sich um ihn, doch er widerstand bis 1974 den Anwerbeversuchen. Auch als Berufsradfahrer feierte er Erfolge, u. a. bei der Tour de France sowie der Vuelta 1977 und bei Paris-Nizza 1978. Am 12. Februar 2011 erlag Den Hertog im Alter von erst 64 Jahren einem schleichenden Prostatakrebs.

Querfeldein-Pionier Van Kerrebroeck:
Von Bahn und Straße zum Querfeldeinrennen: In dieser Disziplin fühlte Firmin Van Kerrebroeck sich zu Hause, denn er stammte aus Belgien, dem Mutterland des Radcross, war dort sechs Mal nationaler Meister und zeichnete nach Beendigung seiner Karriere 16 Jahre lang als Nationaltrainer verantwortlich. Van Kerrebroeck feierte zwischen 1951 und 1961 über 50 Siege, u. a. in Zonhoven, Harelbeke, Sint-Niklaas und Tervuren; 1957 errang er bei der Weltmeisterschaft in Edelare die Silbermedaille. Der in seiner Heimat als einer der ersten Stars des Querfeldeinsports Verehrte starb 88-jährig am 17. August.

Mehrere ehemalige deutsche Meister verstorben
Mehrere prominente deutsche Radsportler schieden 2011 aus dem Leben, so am 10. Juni der Wiesbadener Franz Reitz. Nach Gesamtrang zwei bei der Deutschland-Rundfahrt 1955 wurde er zwei Jahre später Landesmeister auf der Straße - ein Titel, den er 1954 bereits in der Einzelverfolgung auf der Bahn geholt hatte. Besondere Verdienste um den Radsport erwarb er sich nach Karriereende als Organisator von Profiradrennen in seiner Heimatregion. Unter anderem war er 1980 für die Tour-Etappe Frankfurt-Wiesbaden-Frankfurt verantwortlich und zuletzt 2007 für die Deutsche Meisterschaft. Franz Reitz wurde 82 Jahre alt. Ungefähr zeitgleich mit ihm war Bernhard Trefflich als Radsportler aktiv - allerdings jenseits der Mauer in der Deutschen Demokratischen Republik. Trefflich schrieb sich als erster deutscher Etappensieger bei der Internationalen Friedensfahrt 1953 in die Geschichtsbücher ein. Im selben Jahr wurde er DDR-Meister. Drei Jahre zuvor hatte er die DDR-Rundfahrt und Rund um Berlin gewohnnen. Noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs verließ Trefflich aufgrund seiner politischen Überzeugungen - die ihn auch eine Stelle als Nationaltrainer hatten ausschlagen lassen - die DDR und fand in Hannover eine neue Heimat. Dort starb er am 15. Mai 2011 im Alter von 86 Jahren. Ein weiterer ehemaliger deutscher Meister war Karl Kittsteiner. Der Nürnberger holte 1940 - also mitten im Zweiten Weltkrieg - den Titel bei den Straßenrad-Amateuren und 1946 - ein Jahr nach dem Krieg - bei den Profifahrern. 1954 kam die Landesmeisterschaft im Steher-Rennen dazu. Kittsteiner, der am 12. August 91-jährig verstarb, zählt außerdem zu den Siegern des Traditionsrennens Rund um Köln (1943). Genau 40 Jahre später war dort Rolf-Dieter Wolfshohl erfolgreich, der Sohn des vielfachen deutschen Meisters und dreifachen Cross-Weltmeisters Rolf Wolfhohl. Viel Zeit blieb Rolf-Dieter nicht, um dem Vater nachzueifern, denn 1984 kam er bei der deutschen Amateurmeisterschaft so unglücklich zu Fall, dass er sich einen Halswirbel brach und fortan im Rollstuhl saß. Zwar ließ er sich von seiner Querschnittslähmung nicht unterkriegen, doch kostete ein tückisches Krebsleiden den erst 51-Jährigen am 13. November das Leben.

Derksen, Pavesi und die Gnade des hohen Alters
Zu den ältesten in diesem Jahr verstorbenen Radprofis zählt Jan Derksen, der in den 40er und 50er Jahren unzählige Erfolge als Bahnsprinter einfuhr. Unter anderem war der Niederländer Amateurweltmeister 1949 und Profiweltmeister 1946 und 1957. Er holte 13 Mal den Landesmeistertitel und triumphierte auf den Bahnen von u. a. Kopenhagen, Paris und Amsterdam. Bei der WM 1955 lieferte er sich mit dem Italiener Antonio Maspes einen legendären Stehversuch, der über 32 Minuten andauerte und von der Jury abgebrochen wurde. Nach Beendigung seiner Karriere arbeitete er als Bahnrad-Nationalcoach. Derksen, nach dem der Sprinter-Grand Prix im Rahmen des Amsterdamer Sechstagerennens benannt ist, starb am 22. Mai mit 92 Jahren. Den Altersrekord von 2011 aber hält Attilio Pavesi. Der Italiener holte 1932 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles gleich zwei Goldmedaillen: die eine auf der Straße, die andere mit der Mannschaft auf der Bahn. Nach einer kurzen, erfolglosen Zeit als Radprofi zog er sich vom Sport zurück. Pavesi starb am 2. August in seiner Wahlheimat Argentinien. Zwei Monate später wäre er 101 Jahre alt geworden.





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