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Adventskalender 2016 Adventskalender am 9. Dezember: Interview mit Stefan Denifl (Teil 2) |
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09.12.2016 | |||||
Adventskalender am 9. Dezember: Interview mit Stefan Denifl (Teil 2)Autor: Christine Kroth (Cofitine)
Am 26.11. hatte ich dann die Möglichkeit, länger mit ihm zu sprechen. Wir führten das Interview via Internettelefonie. Viele Fragen waren im Vorfeld von den Usern gestellt worden. Diese nahmen einen großen Teil des Gesprächs ein. Wir sprachen über seinen Werdegang, über persönlich Dinge, blickten zurück auf die letzten Jahre, insbesondere auf die Zeit beim Team IAM und schauten auch in die Zukunft. Im nächsten Jahr wird Stefan Denifl für das neugegründete irische ProContinental-Team Aqua Blue an den Start gehen.
Teil 1: über Aqua Blue, IAM Cycling und Il Lombardia Teil 2: über Vater, Tour de Suisse und Tirol-WM Ein User möchte wissen - Wenn er ein Teamchef wäre, welchen Fahrer auf der Welt würde er am liebsten verpflichten? Für ein Team für Rundfahrten würde er Alejandro Valverde verpflichten, er ist einer der alles gewinnen kann. Als Sprinter Mark Cavendish und richtig gute Helfer, weil die ein Team stark machen. Helfer sind extrem wichtig, wie er sagt. Die Arbeit der Helfer werde in der Öffentlichkeit aber zu wenig honoriert. Teamintern werden Helfer hingegen oft gelobt, da wird die Arbeit von den Kapitänen schon anerkannt. Ein guter Kapitän braucht eine gute Mannschaft um zu gewinnen. Im Laufe des Gesprächs blickten wir auch auf die Anfänge als Radprofi zurück. So wollte ich gerne wissen wie er zum Radsport gekommen ist. Stefan erzählt mir, dass er durch seinen Vater, einen Mountainbiker, zum Radsport gekommen ist. Sein Vater war 10 Jahre Profi und war 1996, als Mountainbike zum ersten Mal olympisch war, auch bei den Olympischen Spielen in Atlanta dabei. Dadurch dass sein Vater Sportler war, ist er in den Radsport quasi reingerutscht. Bis er 16/17 Jahre alt war, ist er selbst Mountainbike gefahren, ist dann zum Straßenradsport gewechselt. Aber ohne den Vater wäre er kein Radsportler geworden. Auf die Frage eines Users nach seinem Idol nennt er ebenfalls den Vater. Auch wenn er schmunzelnd sagt, dass er aus dem Alter, in dem man Idole habe, inzwischen heraus sei. Aber sein Vater sei in der Jugend sein Vorbild gewesen. Wobei er nicht der Vater gewesen sei der ihn in den Sport „reingedrückt“ habe. Er habe die Voraussetzung geschaffen, den Rest musste er selbst schaffen, er fand es wichtig dass er gepusht wurde vom Vater, aber nicht zuviel. Ich wollte auch wissen, wie sich der Radsport verändert hat, seit er seine Karriere als Radprofi gestartet hat. Stefan meint, dass alles viel stressiger geworden ist, jeder Einzelne hat mehr Druck, es wird aggressiver gefahren. Jeder will noch mehr aus sich herausholen, jeder macht Höhentraining, geht auf die Bahn, das Niveau ist nach oben gegangen, die Spitze dichter geworden. Eben das mache es stressiger, mache es gefährlicher im Rennen. Jeder muss Erfolge haben, es ist insgesamt stressiger geworden auch für den Kopf. Inzwischen hat man mehr Trainer und fast jedes Team rüstet auf, hat etwa seinen eigenen Koch dabei. Ein User wollte wissen wie er den Radsportalltag selbst empfindet. Ob er das alles mehr als harte Arbeit erlebt, oder doch eher als Hobby, mit dem er Geld verdienen kann. Es gibt solche und solche Tage, sagt der Österreicher. Zum Großteil ist es schon so, dass das Hobby zum Beruf wurde, an anderen Tage ist der Beruf schwierig und man muss beißen, aber das gehöre dazu und sei wie in jedem anderen Beruf auch. Wenn es aber mehr von solchen Tagen gebe, dann müsse man aufhören. Es gibt Tage wo er keine Lust hat zum Radfahren, auch bei Rennen wie etwa in der letzten Giro-Woche. Aber er sagt, der Körper vergisst schnell. Man rettet sich ins Ziel, will nicht mehr, am nächsten Tag aber geht es wieder, der Körper hat sich erholt. Ich frage auch nach den Hobbys außerhalb des Radsports. Er nennt das Tourenskifahren. Er könne direkt vom Haus weg starten. Nach 2-3 Stunden Aufstiegszeit sei er, wenn er vormittags starte, gegen 12-13 Uhr daheim, dann mache er noch Ergometer-Training, das ergänze sich sehr gut. Dabei sei man zudem an der frischen Luft. Er steige meist im Wald auf, die Abfahrt bewältige er dann auf einer ausgewiesenen Piste oder in der Gondel, da er aufpassen muss, keine Verletzung zu riskieren. Aber es sei ein gutes Ausdauertraining und so ist sein Hobby auch eine gute Ergänzung zu seinem Beruf. Ich möchte auch wissen wie seine Familie und seine Freundin mit dem Beruf des Radprofis und der Tatsache, dass er viel unterwegs ist, umgehen. Stefan sagt, dass es natürlich nicht optimal ist. Aber wenn er daheim ist, kann er die Zeit gut einteilen und hat dann Zeit für die Familie. Er findet aber, dass es schon sehr ins Gewicht fällt, dass er oft an Wochenenden Rennen fahren muss. Die Zeit daheim versucht er optimal auszunützen. Seine Partnerin wusste von vornherein vorauf sie sich einlässt. Er sieht es aber als Vorteil in seinem Beruf, dass er keine Kinder hat. Mit Familie/Kindern wäre es schon schwerer. Aber jeder, der den Beruf des Radprofis ergreift, weiß, dass dies so ist und muss damit leben, sonst könne man ihn nicht ausüben.
Darauf hat Stefan Denifl einen klare Antwort: Die Tour de Suisse 2015. Als er nach langer Knieverletzung zurückgekehrt war und dann im Bergtrikot die Etappe nach Sölden gefahren ist. Er sagt, dass er jetzt noch Gänsehaut bekommt, wenn er an den Moment denkt, an dem er in der Spitzengruppe nach Tirol hineingefahren ist, die einheimischen Fans am Streckenrand, und dann im Bergtrikot am Gletscher angekommen ist und diese Trikot auch hatte verteidigen können. Auch im Hinblick auf seine Vorgeschichte ist das der schönste Tag in seiner Karriere gewesen. Im Zuge dessen stellt sich natürlich auch die Frage nach dem härtesten Tag auf dem Rad und dem härtesten Rennen der Karriere. Auch darauf hat Stefan Denifl eine klare Antwort: Die Vuelta 2010 mit Cervélo. Es war seine erste Grand Tour in seinem ersten Jahr als Profi. Er hatte zuvor bereits viele Rennen in der Saison bestritten. Man sagte ihm, die Vuelta sei gut für ihn. So flog er also nach Spanien und erlebte einen Schock als er ankam. Am Abend herrschten noch 43° und er hat sich gefragt, was er da eigentlich macht. Zudem war die Form nicht gut, nach 3-4 Tagen ist er dann auch noch krank geworden, nach 6 Tagen hatte er keine Stimme mehr, jeden Tag wurde er früh abgehängt, jeden Tag beendete er die Etappe im Gruppetto. Außerdem erinnert er sich noch an die vielen schlechten Hotels, in denen er mit dem Team übernachtet hatte. Nach 14 Tagen ist er dann ausgestiegen, was eine sehr frustrierende Erfahrung war, da er das Rennen unbedingt hatte beenden wollen. Er ist dann lange keine Grand Tours mehr gefahren, auch aufgrund dieser Erfahrung. Er hatte großen Respekt davor. Inzwischen hat er aber gesehen, dass es mit guter Vorbereitung machbar ist, eine gute Grand Tour zu bestreiten. So antwortet er dann auch auf die Frage nach dem Rennen, das er gerne einmal gewinnen möchte, damit, dass er gerne eine Etappe bei einer Grand Tour gewinnen möchte, am besten eine Etappe beim Giro. Am liebsten würde er aber die Straßen-WM 2018 in Innsbruck gewinnen. Was mir die Gelegenheit gibt, danach zu fragen, was ihm die WM in seiner Heimat Tirol bedeutet. Er findet es eine „geniale Sache“, dass die WM 2018 in Tirol stattfindet. Schließlich haben nur relativ wenige Sportler die Chance, eine WM vor der Haustüre, 20 km von daheim, zu bestreiten. Er kennt die Strecken sehr gut. Die WM sei zudem sehr wichtig für Tirol. Momentan würden die Strecken noch ausgesucht, so nach und nach starte die Werbung für diesen Event. Er meint, die geographische Lage von Innsbruck sei sehr gut, Italien ist nicht weit, Deutschland auch nicht, ideal für Fans. Tirol sei ein guter Hotspot für eine WM. Der Kurs werde aber sicher sehr schwer werden. Wobei er glaubt, dass eine WM wie in Dubai mit Windkante und für Sprinter auch dazugehört, um allen Fahrertypen die Chance auf den WM-Titel zu geben. Innsbruck ist mit vielen Höhenmetern dann aber wieder etwas für die Bergfahrer. Ich frage auch nach dem Radsport in Österreich und den Vergleich zu den Nachbarn Schweiz und Deutschland. Stefan Denifl antwortet darauf sehr ausführlich. In Österreich sind Skisport und Fußball Nr. 1. Im Radsport ist die breite Masse groß, es gibt viele Radmarathons. Außerdem gibt es viele Continental-Teams die gute Arbeit leisten. Was fehlt, ist ein ProContinental-Team. Noch besser wäre natürlich ein WorldTour-Team. Viele Fahrer haben gute Möglichkeiten, müssen dann aber ins Ausland. Zur Zeit sei man aber mit einigen Profis im Ausland gut vertreten, im Vergleich zu vor 10-15 Jahren ist die Zahl der Profis aus Österreich im Ausland deutlich angestiegen. Die Schweiz sieht er jetzt nach dem Aus von IAM und Roth nicht mehr als so große Nation im Radsport. Auch hier müssen die Profis nun ihre Chance im Ausland suchen. Deutschland ist durch Bora als WorldTour-Team wieder besser vertreten, die Teams in den unteren Klassen fehlen hier aber und es fehlt vor allem an Rennen. Fans müssten, um Live-Rennen zu sehen, ins Ausland fahren. Für eine gute Struktur brauche man Teams und Rennen und das fehlt in Deutschland. Aber das gehöre zusammen. Es braucht für Nachwuchs-Rennen. Ein Event wie der Grand Départ der Tour de France in Düsseldorf sei zwar wichtig, aber das allein helfe dem Radsport nicht. Ich bedanke mich, auch im Namen aller Autoren und User von LiVE-Radsport.ch, bei Stefan Denifl für das ausführliche Interview und wünsche ihm für seine weitere Karriere im neuen Team viel Erfolg und alles Gute. |
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09.12.2016 | |||||
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