<< älterer Bericht  | zurück zur News |  neuerer Bericht >>
Start > Radsport History
Live in die Vergangenheit – Sixdays Geschichten (4)
Suchen Radsport History Forum  Radsport History Forum  Radsport History
12.01.2008

Live in die Vergangenheit – Sixdays Geschichten (4)

Info: 100. Berliner 6 Tage Rennen | Veranstalter
Autor: Adriano Coco




Sixdays Geschichten (4)
Back to the Roots: Alex Rasmussen (23, Foto) gewann 2006 an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche die 54. Tour de Berlin. Rechts hinter dem Dänen (Foto unten) stand 1909 die Zoohalle, in der die Sixdays in Europa Premiere hatten. Der Pastor der Kirche verdarb aber bald den Sixdays-Spaß.


Mit dem Spruch, es sei frevelhaft, ein so turbulentes Treiben in unmittelbarer Nachbarschaft eines Gotteshauses zu starten, belegt die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im Bezirk Charlottenburg die neumodische Veranstaltung fürs erste mit ihrem Bann.

Damit bringt die Kirchenbehörde Rennfahrer und Veranstalter in die Klemme, wirft aber auch dem sinkenden nagelneuen „Sportpalast-Schiff“ einen Rettungsanker zu und macht Berlin mit dieser vergnügungsfeindlichen Haltung ungewollt zur heimlichen, neuen Hauptstadt des internationalen Sechstagerennens.

Das dauert jedoch noch ein bisschen. Architekt Jaques Rostin, der für rund 2,7 Millionen Goldmark den Sportpalast auf dem Grundstück Potsdamer Straße 72/73 im Bezirk Schöneberg baute, um sein Glück mit Eisrevuen zu machen, lässt Sixdayssieger Walter Rütt, eiskalt abfahren, als der ihm eröffnet, die Zukunft des Eispalastes hänge auf Gedeih und Verderb ab von Sechstagerennen.

Es ist dann der Radsportjournalist Budzinsky, der sich für die Jagd auf dem Holzlattenoval erfolgreich ins Zeug legt. Er versichert dem Investor Rostin, dass ein einziges Sechstagerennen mehr Einnahmen bringe, als eine Eisbahn im ganzen Jahr.

An diese Worte klammert sich Rostin wie an einen Strohhalm. Drohten doch seine ehrgeizigen Träume vom „Berliner Eiskönig“ in der Sonne dahin zu schmelzen angesichts der heissen Konkurrenz.

Die Glitzerbahnen in der nahen Martin-Luther-Straße und im Admiralspalast am Bahnhof Friedrichstraße waren schon vor ihm erfolgreich auf den neuen Modezug aufgesprungen.

24. März 1911: 10.000 Zuschauer sind bei der Premiere der Sechstagerennen im Sportpalast dabei. Es ist das dritte in Berlin. Aber auch Bremen (09.11.1910), Hamburg (14.01.1911), Dresden (01.03.1911) haben sich innerhalb kurzer Zeit vom Sixdays-Fieber anstecken lassen. Es folgen schnell Frankfurt/Main, Brüssel, Paris, Hannover, Kiel.

Im legendären Sportpalast reißen jedenfalls an jenem Frühlingsabend 1911 bis zum Schlussabend die Schlangen vor den Kassen nicht ab. In diesen sechs Nächten wird in der Potsdamer Straße das unverwechselbare Berliner Sechstage-Fludidum geboren.

In seinen Bann zieht es brave Hausfrauen, Filmdivas, Arbeiter aus Neukölln oder von der Frankfurter Allee im armen Osten der Reichshauptstadt aber ebenso Bankiers aus dem vornehmen Grunewald sowie Künstler, Wissenschaftler, Politiker und natürlich alle Schönen und Reichen und die, die sich dafür halten.

Im Sportpalast entsteht eine Atmosphäre, wie sie eben nur in der boomenden Industriestadt vor dem ersten Weltkrieg, beim Anbruch der modernen Zeit, gedeihen konnte.

Nur in der plötzlich drittgrößten Stadt der Welt (3,5 Mio, eingerechnet alle heutigen Bezirke) nach London und New York, konnte einer wie „Krücke“ aus der Anonymität der düsteren Mietskasernen (1 Mio Wohnungen) schlagartig auftauchen im gleißenden Scheinwerferlicht gesellschaftlicher Großerveranstaltungen der so genannten guten alten Zeit...

Nur hier also im Sportpalast war es möglich, dass der radsportfanatische Invalide „Krücke“ die Walzerklänge von Translateurs „Wiener Praterleben“ mit seinen enthusiastischen Pfeif-Koloraturen als „Sportpalastwalzer“ zur weltweiten Erkennungsmelodie für Sixdays machte.

Live in die Vergangenheit wird fortgesetzt in losen Folgen (Bericht erschienen in der Berliner Morgenpost, 1979, copyright Adriano Coco, Veröffentlichung honorarpflichtig)

Die historischen Fotos dieser Folge sind gesponsort von der Fotoagentur www.ullsteinbild.de Live-Radsport.ch dankt dem Geschäftsführer Frank Frischmuth von ullstein bild in Berlin

Tickets für das 100. Berliner Sechstagerennen (27.01. - 01.02.2011):

oder
Tel: 049 30 - 44 30 44 30
Fax: 049 30 - 44 30 44 39

-> Ferienwohnung Berlin in Mitte und Kreuzberg bei Adriano Coco







Vor historischer Sixdayskulisse: Alex Rasmussen (23, DEN), Sieger der 54. Tour de Berlin 2006 vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Foto: Adriano Coco
Vor historischer Sixdayskulisse: Alex Rasmussen (23), Sieger der 54. Tour de Berlin 2006. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche verhinderte die 3. Sixdays am Zoo. Die Ausstellungshallen standen einst rechts neben dem "Hohler Zahn" genannten Kirchenruine. Größter Wunsch des Dänen nach seinem Sieg im ältesten Berliner Etappenrennen, die Berlins Radboss Wolfgang Scheibner trotz größter Schwierigkeiten am Leben hält: "Jetzt will ich auch bei den Berliner Sixdays fahren." Sechs Monate später war er mit Landsmann Mörkov (22) dabei (6. Platz) und in dieser Saison feierten die beiden jungen Wilden in Grenoble sogar schon ihren ersten Sieg. Foto: Adriano Coco


Die Eisbahn-Pleite  machte den Berliner Sportpalast zur neuen Hauptstadt der Sixdays. Foto: private Postkarte
Der letzte Schrei der Reichen und Schönen um 1911: Schlittschuhlaufen und vornehm Tafeln im Berliner Eis-Sportpalast. Die schnelle Eisbahn-Pleite machte den Sportpalast dann zur neuen heimlichen Hauptstadt in der Sixdayswelt. Foto: private Postkarte


Sechstage-Fluidum im legendären Berliner Sportpalast. Foto: gesponsort von www.ullsteinbild.de
Sechstage-Fluidum im legendären Berliner Sportpalast. Treffpunkt für alle Reichen und Schönen und die, die sich in der scheinbar guten alten Zeit dafür hielten. Foto: gesponsort von www.ullsteinbild.de


Die historischen Fotos sind gesponsort von der Fotoagentur www.ullsteinbild.de
Die historischen Fotos sind gesponsort von der Fotoagentur www.ullsteinbild.de

ullstein bild ist eine der führenden internationalen Bildagenturen mit zeithistorischem Fotomaterial.
ullstein bild, die Fotoagentur der Axel Springer AG, sammelt und vermarktet seit mehr als hundert Jahren Lichtbilder aus aller Welt. Live-Radsport.ch dankt dem Geschäftsführer Frank Frischmuth von ullstein bild in Berlin



Zum Seitenanfang von für Live in die Vergangenheit – Sixdays Geschichten (4)



Radsportnews auf Twitter - Radsport, Cycling, Radrennen live