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Ausnahme-Performance bringt Annemiek van Vleuten den Titel der Straßenrad-Weltmeisterin ein
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28.09.2019

Ausnahme-Performance bringt Annemiek van Vleuten den Titel der Straßenrad-Weltmeisterin ein

Info: STRASSEN-WELTMEISTERSCHAFT 2019 IN YORKSHIRE
Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



Harrogate, 28.09.2019 - Am Ende einer beispiellosen 100-Kilometer-Soloflucht hat sich Annemiek van Vleuten Gold im Straßenrennen der Frauen Elite bei den Weltmeisterschaften in Yorkshire (Nordengland) geholt. Die 36-jährige Niederländerin griff am Lofthouse Summit an und hielt eine 8-köpfige, prominent besetzte Verfolgergruppe sowie das gesamte Hauptfeld bis ins Ziel auf Distanz. Mit einem Rückstand von 2:15 Minuten errang Vorjahressiegerin Anna van der Breggen Silber, sodass sich die von der Disqualifikation des vermeintlichen U23-Weltmeisters geschockten Niederländer über einen Doppelerfolg freuen konnten. Bronze nach insgesamt 149,4 km ging an die letztjährige Zweitplatzierte Amanda Spratt aus Australien (+2:28).

Happy End einer herausragenden Saison
Es sind fantastische Leistungen wie die von Annemiek van Vleuten, für die einfach die Worte fehlen. Nicht weil das Geschehen schwer zu beschreiben wäre – sie fuhr 104 Kilometer vor dem Ziel weg und kam mit großem Vorsprung an -, sondern weil es sich schwer begreifen und einordnen lässt. Selbst die Innsbrucker One-Woman-Show von Landsfrau Van der Breggen stellte Van Vleuten irgendwie in den Schatten. Dabei hatte die Niederländerin, die mit 36 Jahren (am 8. Oktober wird sie 37) nun die älteste Straßenrad-Weltmeisterin ist, in dieser Saison schon dreimal mit Solo-Fluchten Rennen gewonnen, nämlich bei den Strade Bianche, bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und auf der fünften Etappe des Giro d’Italia. Besonders an jenem Tag kam ihr Auftreten den anderen geradezu „außerirdisch“ vor. Vielleicht fuhr sie das WM-Straßenrennen auch mit der Wut im Bauch, weil sie im Einzelzeitfahren vier Tage zuvor als große Favoritin „nur“ Dritte wurde. Es kommen außerdem Erinnerungen an die Olympischen Spiele von Rio hoch, als Van Vleuten allein mit besten Siegchancen in Führung lag und dann schrecklich stürzte. Pech hatte sie auch letztes Jahr bei der WM gehabt – Sturz und Schienbeinkopffraktur nach wenigen Kilometern, ins Ziel geschleppt und noch Siebte geworden. Schon das war eine Art Heldengeschichte – aber die von Harrogate hat den Vorteil des Happy Ends.

Endlich Bilderbuchwetter in Yorkshire
Das Straßenrennen der Frauen wurde in Bradford gestartet, machte einen großen Bogen durch North Yorkshire und führte dann wieder in Richtung Süden nach Harrogate, wo der 13,8 km lange Rundkurs noch dreimal zu befahren war. Mit 2100 Höhenmetern war es sicherlich keine leichte Angelegenheit, aber wenigstens das Wetter meinte es gut mit den Fahrerinnen. Durchgehend blauer Himmel und Sonnenschein – so schön hatte man es die ganze Woche nicht gehabt. Außerdem standen die Zuschauer dicht gedrängt nicht nur im Zielort, sondern schon an Schlüsselstellen an der Strecke und feuerten die Athletinnen an, allen voran Local Hero Elizabeth Deignan. Durch Oatley, ihre Heimatgemeinde, fuhr man ganz zu Beginn. Dort stand sogar die Großmutter der früheren Weltmeisterin an der Strecke, die seit letztem Jahr bekanntlich schon Uroma ist. Dass es die starke niederländische Mannschaft der britischen Medaillenhoffnung aber nicht leicht machen würde, zeigte sich schon am ersten namhaften Anstieg, dem Norwood Edge Summit nach 15 Kilometern. Demi Vollering drückte vorne aufs Tempo und das Feld riss auseinander. Natürlich rollten viele Abgehängte danach wieder heran, aber am Lofthouse Summit nach 44 Kilometern wiederholte sich das Spiel, bevor Annemiek van Vleuten noch einen draufsetzte.

Koppenburg in der Verfolgergruppe
Zunächst sah es aus wie eine bloße Tempoverschärfung, aber aus Van Vleutens Antritt wurde ein Soloritt, der Radsport-Geschichte schrieb. Keine ihrer Konkurrentinnen ging mit. Erst als ihr Vorsprung über 40 Sekunden groß war, setzte Lizzie Deignan nach und zog sieben weitere Fahrerinnen mit sich: die Niederländerin Anna van der Breggen, die Australierin Amanda Spratt, die Dänin Cecilie Uttrup Ludwig, die US-Amerikanerin Chloe Dygert, die Italienerin Elisa Longo Borghini und ihre Teamkollegin Soraya Paladin sowie erfreulicherweise auch die Deutsche Clara Koppenburg. Am komfortabelsten war dabei die Situation der Italienerinnen – weil immerhin zu zweit – und natürlich die von Titelverteidigerin Van der Breggen. Sie konnte sich unter Verweis auf die führende Landsfrau komplett schonen und sich als niederländischen Plan B bereithalten. Da die meisten großen Nationen vorne vertreten waren, fand sich im Peloton kaum noch jemand, der nachführen wollte. Die Polinnen um Katarzyna Niewiadoma taten etwas und die Französinnen, die sich auf dem falschen Fuß erwischt sahen. In Ripon, wo das Einzelzeitfahren gestartet worden war, passierte man die Verpflegungszone. Es waren noch 70 Kilometer bis ins Ziel; der Vorsprung von Vleuten auf die Gruppe betrug 50 Sekunden und der auf das Hauptfeld 2:30 Minuten.

Dygerts Angriff zwingt Deignan in die Knie
Wenn man diese Zeitangaben macht, muss man bedenken, dass die Fahrerinnen wie bei einer WM üblich ohne Funk unterwegs waren, also ihre Informationen nur über die Schiefertafel, die Streckenposten oder die Begleitfahrzeuge erhielten. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Verfolgerinnen ihrer Lage irgendwie falsch eingeschätzt hätten. Van Vleuten machte schlicht und ergreifend das Unwahrscheinliche zur Tatsache und baute den Vorsprung auf das Oktett auf eine Minute, dann auf zwei Minuten aus. Die Einigkeit der acht schwand natürlich auch, je mehr man einsah, dass man die Kräfte schonen musste, um nicht auch die Aussicht auf Silber zu verlieren. Im Peloton führten mittlerweile die Deutschen, die wohl nicht exklusiv auf Koppenburg setzen wollten, trotzdem fiel man weiter zurück. Vier Minuten betrug der Rückstand bei der ersten Zielpassage nach 108 Kilometern. Mit 2:37 Rückstand auf Van Vleuten war die Gruppe durchgekommen. Nun griff Dygert an und zog Koppenburg, Uttrup Ludwig sowie Paladin, die vorher schon geschwächelt hatten, den letzten Zahn. Van der Breggen, Longo-Borghini und Spratt konnten mit der Zeitfahrweltmeisterin mithalten. Deignan mühte sich, ging bei Dygerts zweitem Vorstoß aber endgültig in die Knie.

Brennauer beste Deutsche auf Platz 9
Die junge US-Amerikanerin kam solo zur nächsten Zielpassage, mit 1:49 Rückstand auf Van Vleuten und ca. eine halbe Minute vor ihre drei ehemaligen Begleiterinnen, die bald auch nur noch zu zweit waren, weil Longo-Borghini am Oak Beck Climb abreißen lassen musste. Deignan wurde bei der dritten und letzten Zielpassage vom Hauptfeld geschluckt, in das Koppenburg, Paladin und Uttrup Ludwig schon zuvor zurückgefallen waren. Dygert wirkte jetzt müde und musste sich von Van der Breggen sowie Spratt wieder einholen lassen, konnte dann mit der Vorjahressiegerin und der Vorjahreszweiten auch nicht mehr lange mithalten. Wenig später warf Van der Breggen noch mal alles in die Waagschale und setzte sich ab, da die Australierin keine Kraft mehr übrig hatte. Unterdessen näherte sich Annemiek van Vleuten, die bis zuletzt einen relativ flüssigen Tritt an den Tag legte, dem Ziel und zeigte erstmals ihre Freude über den bevorstehenden Sieg. Die Mitchelton-Scott-Fahrerin beendete damit die Hegemonie des Boels-Dolmans Teams, das seit 2015 immer die Weltmeisterin gestellt hatte. Keine 24 Stunden nach der Disqualifikation von Nils Eeckhoff machten sie und die Zweitplatzierte Van der Breggen die Niederländer wieder glücklich. Spratt kam erneut aufs Podium, Dygert wurde Vierte, Longo Borghini noch Fünfte. Marianne Vos gewann den Sprint des 5:20 Minuten zurückliegenden Hauptfelds vor der Italienerin Marta Bastianelli, der Südafrikanerin Ashleigh Moolman und Lisa Brennauer, der bestplatzierten Deutschen. Die Schweizerin Elise Chabbey kam ebenfalls mit dieser Gruppe als Einundzwanzigste ins Ziel.

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