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Adventskalender 2011 Vier monumentale Überraschungen bei nur einem Favoritensieg |
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18.12.2011 | ||||||||
Vier monumentale Überraschungen bei nur einem FavoritensiegInfo: Alle Artikel im Adventskalender 2011Autor: Felix Griep (Werfel) Die wichtigsten Rennen einer Radsport-Saison, abgesehen von den drei großen Landesrundfahrten und der Weltmeisterschaft, sind die fünf Monumente. Bei Milano-Sanremo, Ronde van Vlaanderen, Paris-Roubaix, Liège-Bastogne- Liège und Giro di Lombardia kämpfen die Besten der Klassikerspezialisten um Erfolge, die an Prestige nicht zu überbieten sind. Doch gerade 2011 hatten die favorisierten Fahrer überraschend oft das Nachsehen und „Underdogs“ traten ins Rampenlicht. Von den diesjährigen Siegern der genannten Rennen hatte nur ein einziger schon einmal ein Monument gewonnen, während es 2010 nur Wiederholungstäter gegeben hatte. LiVE-Radsport.com blickt im heutigen Adventskalenderbeitrag zurück auf die großen Klassiker 2011 und ihre meist unerwarteten Sieger.
Der erste Höhepunkt des Jahres war die „Classicissima“. Bei dem Rennen von Mailand nach Sanremo stehen normalerweise Cipressa und Poggio im Mittelpunkt, aber diesmal wollte auch der Anstieg Le Mànie, fast hundert Kilometer vor dem Ziel gelegen, ein Wörtchen mitreden. Beinahe sämtliche Topsprinter, darunter Oscar Freire und Mark Cavendish, die Sieger der Vorjahre, waren abgehängt und es sah ganz nach einem Tag für die Klassikerspezialisten aus. Ein paar Wochen früher als erwartet bot sich Fabian Cancellara und Philippe Gilbert, die in Flandern angreifen wollten, die Chance auf einen großen Sieg. Doch ein einziger Sprinter hielt sich bis zum Schluss in der dann noch achtköpfigen Spitzengruppe - der damals noch 24-jährige Matthew Goss. Der Giro-Etappensieger von 2010 hatte mit Tageserfolgen bei Tour Down Under, Tour of Oman und Paris-Nizza schon einen guten Saisonstart erlebt, seine Leistung in Sanremo war aber trotzdem eine unerwartete. Die Attacken im Finale konnten den Australier nicht zermürben, der dann seine Sprintqualitäten in einen Sieg vor Cancellara und Gilbert ummünzen konnte. Damit zeigte Goss endgültig, dass in ihm mehr steckt als nur ein guter Anfahrer für seinen Teamkollegen Cavendish. Und möglicherweise wirkte sein Coup inspirierend für andere Außenseiter, dass es möglich ist, bei den großen Rennen auch gegen die großen, scheinbar übermächtigen Stars zu gewinnen. Fabian Cancellara galt bei den Kopfsteinpflaster-Klassikern natürlich als haushoher Favorit, immerhin hatte er 2010 sowohl Flandern-Rundfahrt als auch Paris-Roubaix in beeindruckender Manier gewonnen. Seinem Status und den Erwartungen wollte der Schweizer auch gerecht werden, hatte damit aber quasi das gesamte Peloton gegen sich. Das hinderte ihn nicht daran, seine Klasse zu demonstrieren: Am 40 Kilometer vor dem Ziel gelegenen Leberg attackierte „Spartakus“, holte kurz darauf Sylvain Chavanel ein und fuhr mit dem Franzosen am Hinterrad eine Minute Vorsprung heraus. Vorentscheidung? Falsch gedacht! Krämpfe kamen Cancellara in die Quere und führten dazu, dass das Führungsduo in der Mauer von Geraardsbergen eingeholt wurde. Cancellara konnte sich wieder erholen und drei Kilometer vor Schluss gar einen weiteren Angriff lancieren. Diesmal war es die Vorentscheidung. Wieder blieb Chavanel bei ihm und sonst nur noch Nick Nuyens, der sich die meiste Zeit des Rennens geschickt versteckt und Kräfte gespart hatte. Nur drei nennenswerte Aktionen zeigte der Belgier bei der Ronde: 1. Ein wirkungsloser Angriffsversuch sechs Kilometer vor Meerbeke, 2. Der erfolgreiche Konter bei Cancellaras finaler Attacke und 3. der Gewinn des Sprints vor Chavanel und dem Vorjahressieger. Bei Stijn Devolders erstem Solosieg im Jahr 2008 hatte Nuyens mit Platz zwei schon gezeigt, dass ihm Flandern liegt. Nach seinem Wechsel von Cofidis zu Rabobank brachte der mittlerweile 31-Jährige aber nicht viel zustande, es gab nur ein 15. Platz 2009 und eine Aufgabe 2010. In dieser Saison sollte er nun Saxo Banks neuer Mann für die Klassiker werden, nachdem Cancellara das Riis-Team Richtung Leopard Trek verlassen hatte. Knapp zwei Wochen vor der Ronde hatte Nuyens bei Dwars Door Vlaanderen schon einmal sein Können aufblitzen lassen, doch hatte von ihm trotzdem niemand den Ronde-Sieg erwartet. Trotz Nuyens‘ Sieg war Fabian Cancellara wohl der stärkste Fahrer bei der Flandern-Rundfahrt und ging daher eine Woche später bei Paris-Roubaix erneut als logischer Favorit an den Start. Und er sollte beim dritten Monument des Jahres auch zum dritten Mal das Podium erreichen, allein der Sieg blieb ihm erneut verwehrt. Für Quick Step, das mit Tom Boonen und Sylvain Chavanel eine aussichtsreiche Doppelspitze ins Rennen geschickt hatte, begann im Wald von Arenberg eine Serie von Defekten und Stürzen, die bald darauf beide Mitfavoriten aus dem Rennen warf. 50 Kilometer vor dem Ziel attackierte Cancellara in einem der schwersten Kopfsteinpflaster-Abschnitte aus der Favoritengruppe, weil eine große Ausreißergruppe schon mehr als eine Minute vorausfuhr und der Schweizer die Chancen auf den Sieg schwinden sah. Cancellara erfuhr durch Thor Hushovd und Alessandro Ballan, den einzigen beiden, die sich lange nicht von ihm abhängen ließen, keine Unterstützung, was dieses Grüppchen viel Zeit kostete. Cancellara setzte sich dann doch noch von den beiden ab, kam aber nur als Zweiter ins Ziel. Erster wurde Johan Vansummeren, der ab dem Sektor Carrefour de l’Arbre die letzten 15 Kilometer alleine fuhr. Dass seine Gegner von Cancellara erwarteten, die Verfolgungsarbeit alleine zu stemmen, hat diesen möglicherweise den Sieg gekostet und es Vansummeren ermöglicht, mit 30 Jahren das absolute Highlight seiner Karriere zu erleben, und das ungeachtet eines Reifens, der auf den letzten fünf Kilometern massiv an Luft verlor. Als U23-Fahrer hatte der Belgier Omloop Het Volk und Lüttich-Bastogne-Lüttich gewonnen, doch sein Profi-Dasein war meist von Helferdiensten geprägt. Ein achter Platz 2008 und ein fünfter ein Jahr später zeigen aber, dass Vansummeren keinesfalls ein Zufallssieger bei der „Hölle des Nordens“ war, sondern ein Fahrer, dem das Rennen durchaus liegt und der die Umstände der sich neutralisierenden Favoriten perfekt ausgenutzt hat. Noch unvergesslicher wurde der Tag für Vansummeren, weil er kurze Zeit nach der Zielankunft noch im Velodrom von Roubaix seiner Freundin Jasmine Vangrieken einen Heiratsantrag machte. „Die meisten Leute geben einen Ring, ich gab ihr einen Stein“ beschrieb Vansummeren die orginelle Variante, wie er mit der Siegertrophäe erfolgreich um die Hand seiner Liebsten anhielt. Nach Flandern und Roubaix zogen die Klassikerfahrer wie gewohnt in die Ardennen weiter, wo Philippe Gilbert Amstel Gold Race und Flèche Wallonne gewann. Die überragende Form, in der sich der Belgier präsentierte, machte ihn zum einzig denkbaren Sieger bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, dem vierten Monument der Saison. Es wurde der einzige der fünf großen Klassiker, bei dem sich tatsächlich der Favorit durchsetzte. Nur Gilbert konnte 20 Kilometer vor dem Ziel den an der Côte de la Roche aux Faucons attackierenden Schleck-Brüdern Paroli bieten. Gilbert war deren Angriff sogar recht, denn nun musste er nur noch die beiden Luxemburger kontrollieren und sich um die anderen Herausforderer keine Gedanken mehr machen. Andy und Fränk waren machtlos gegen Gilbert in der wohl besten Form seiner Karriere. Der zum Zeitpunkt dieses Rennens noch 28-Jährige zeigte nicht den kleinsten Moment der Schwäche und holte sich in Ans den Sieg im Sprint gegen seine chancenlosen Begleiter. So endete die Saison der Frühjahrsklassiker, die so voller Überraschungen war, doch mit einem Favoritensieg, an dem im Vorfeld kaum jemand gezweifelt hatte. Eine Anomalie in diesem Jahr, in dem ja gewissermaßen dieser Favoritensieg die Überraschung war. Ab Mitte der Saison stehen die großen Rundfahrten im Fokus und es gibt kaum wichtige Eintagesrennen. Das Saisonende zierte aber, ein halbes Jahr nach Lüttich-Bastogne-Lüttich, der Giro di Lombardia, zu dem auch Philippe Gilbert wieder antrat, um ihn ein drittes Mal hintereinander zu gewinnen. Viel zu früh schon musste er eine Menge Energie aufwenden, wie auch die anderen Favoriten, die sich ab der Abfahrt des Colma di Sormano, die 80 Kilometer vor dem Rennende begann, einen harten Kampf lieferten. An der Madonna del Ghisallo, von wo aus immer noch 45 Kilometer zu fahren waren, lag Vincenzo Nibali als Solist an der Spitze und hätte mit seinem fabelhaften Solo durchaus den Sieg verdient gehabt. Doch es kam anders und am letzten Anstieg war wieder alles offen. Oliver Zaugg fasste sich dort ein Herz und fuhr die letzten neun Kilometer nach der Salita di Ello zum Sieg - es war wohl die größte aller monumentalen Überraschungen der Saison 2011. Gilbert und vielen anderen fehlte die nötige Frische nach den vorausgegangenen Scharmützeln. Nachdem Fabian Cancellara in März und April dreimal aufs Podium kam, aber keinen Sieg feierte, bescherte ausgerechnet sein Landsmann Zaugg dem Leopard-Rennstall noch einen herausragenden Erfolg. Dass es überhaupt der erste des 30-Jährigen in seiner gesamten Profi-Karriere war, machte ihn umso besonderer. In den Tagen zuvor hatte Zaugg zwar mit Platzierungen zwischen acht und elf bei Giro dell’Emilia, GP Beghelli und Gran Piemonte schon eine gute Form angedeutet, doch den ganz großen Wurf ausgerechnet beim „Rennen der fallenden Blätter“ hätte ihm wohl kaum jemand zugetraut. So sorgte er für den passenden Abschluss einer Klassikersaison voller Überraschungen. |
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18.12.2011 | ||||||||
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