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01.08.2006

Cyclassics mal anders

Info: Bildergalerie
Autor: Daniel Schönhoff (schoene)

Es dürfte wohl der Traum eines jeden Radsportfans sein, einen ganzen Renntag gemeinsam mit den Profis zu verbringen. Hautnah zu erleben, was man sonst nur vom Streckenrand oder dem Fernsehen kennt. Die Vattenfall-Cyclassics 2006 werde ich niemals vergessen. Dank der Skil-Shimano-Mannschaft durfte ich den ganzen Renntag mit dem Team verbringen. Mein Traum wurde wahr.

Den ersten Kontakt mit den Mannschaften hatte ich am Holiday Inn, einem Hotel in Hamburg, in dem neben dem Skil-Shimano-Team auch andere Mannschaften, u.a. Discovery Channel, Phonak, Milram und Saunier Duval untergebracht waren. Rund um das Hotel waren die Mechaniker schon mehr als drei Stunden vor Rennbeginn mit den Vorbereitungen beschäftigt. Die Teamwagen wurden nocheinmal gründlichst gereinigt und auf Hochglanz poliert. An den Rennrädern wurden alle Komponenten und Einstellungen noch einmal überprüft. Einer der Milram-Mechaniker stand interessierten Fans bei Fragen zur Technik und den Fahrern offen zur Verfügung. Und auch die Fahrer, die nach und nach aus dem Hotel kamen, waren sich nicht zu schade für einen kleinen Plausch. So hatte Björn Schröder (MRM) sich die Zeit genommen mir sein SRM-System zu erklären, und mir die Notwendigkeit dieser Technologie im Trainingsbereich zu verdeutlichen.

Mittlerweile hatten sich neben den Mechanikern der Skil-Shimano-Mannschaft auch die ersten Fahrer und die Teamleitung an den Mannschaftswagen eingefunden. Nachdem man sich gegenseitig vorgestellt hatte und uns der Tagesablauf bekannt gegeben wurde, fuhren wir dann in Begleitung von Iwan Spekenbrink (Teammanager Skil-Shimano) und José van Seters (Brand & Communikation Management) in den Start-/Zielbereich an die Mönckebergstraße wo wir noch Zeit für eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen hatten. Auf dem Weg dorthin hat man sehen können, dass nicht alle Fahrer mit den Wagen zum Start wollten. Viele nutzen die Strecke vom Hotel zum Start als Einrollphase, erklärte uns Spekenbrink. Zu diesem Zeitpunkt waren die 20.000 Jedermänner bereits auf der Straße und Zehntausende Fans säumten die Strecke. Um kurz nach 11.00 Uhr waren wir wieder am Teamwagen, wo sich Aart Vierhouten (Routinier bei Skil-Shimano) noch kurz mit uns über seine Erwartungen an das Rennen unterhielt.

Dann mussten wir aber schnell zum Startbereich. Um 11.20 Uhr erfolgte der neutralisierte Start. Nachdem die Fahrer und Teamwagen uns passiert hatten, reihten wir uns in die Fahrzeugkolonne ein.

Auf den ersten Kilometern sprudelten die Informationen nur so aus Herrn Spekenbrink heraus. Er erklärte uns die Bedeutung der roten und der grünen Flagge, die einmal den Anfang und einmal das Ende des Rennens signalisieren. Auch wie die Kommunikation zwischen der Rennleitung und den einzelnen Mannschaftswagen funktioniert oder wie bei einem Rennen wie den Vattenfall-Cyclassics die Rangordnung der Fahrzeuge geregelt ist hat er uns ausführlich erläutert. Auf die Frage nach der heutigen Renntaktik der Skil-Shimano-Mannschaft hatte er uns dann geantwortet, dass sie zunächst versuchen würden einen Mann mit in eine Ausreißergruppe zu bekommen. Für den Fall das dies nicht klappen sollte, wäre dann die oberste Priorität sich weit vorn im Peloton zu zeigen um den Sponsor zu präsentieren.

Was ich zuvor nur von den Radsportlern her kannte, nämlich dass sie regelmäßig einige Phasen des Rennen dazu nutzen, ihren natürlichen Bedürfnissen nachzugehen, erlebte ich auch in der Fahrzeugkolonne. Innerhalb von ca. fünf Kilometern hielt ein Mannschaftswagen nach dem anderen an. Auch die Leute in den Fahrzeugen sind schließlich nur Menschen.

Leider war unser Fahrzeug nicht mit dem Radio-Tour ausgerüstet, so dass die Informationen über die aktuelle Rensituation nicht bis zu uns vor drangen. Wir verließen dann den abgesperrten Streckenbereich, um uns vor das Feld zu bringen. Nach einigen Minuten auf der Autobahn und reichlich Diskussionen mit der Polizei hatten wir es dann geschafft, uns an eine weit einzusehende Stelle zu platzieren, wo wir dann auf das Fahrerfeld warteten. Nur wenige Minuten später fuhren drei Fahrer an uns vorbei, von denen ich nur Bodrogi im Meistertrikot erkannte. Nachdem uns einige Zeit später auch das Feld und die Teamwagen passiert hatten, reihten wir uns wieder ein und fuhren einige Kilometer in der Karavane mit.

Der nächste Streckenpunkt den wir angepeilt hatten, war die Verpflegungszone. Wir scherten also wieder aus, und gaben Vollgas, um auch ja rechtzeitig dort zu sein. Vergebens - die Fahrer waren doch schneller. Also fuhren wir weiter und schlossen bald wieder zum Tross auf, wo der Faher des Fahrzeug mit der Grünen Flagge wie wild aus dem Fenster winkte. Wir mussten schnell an ihm vorbei denn er ist schließlich das Ende des Rennens.

Wir fuhren noch immer am Ende der Wagenkolonne, als ein Polizeimotorrad und mehrere Krankenwagen mit Sirenen an uns vorbei jagten. Wenige Kilometer später mussten wir sehen, dass es einen schweren Sturz gegeben hatte. Als wir zu der Sturzstelle kamen, lag bereits ein Fahrer von Cofidis in einem der Krankenwagen. Ein Phonakfahrer, es war Bert Grabsch wie wir später erfuhren, saß zu diesem Zeitpunkt auf der Straße und wurde von den Sanitätern versorgt. Er musste zwar das Rennen aufgeben, aber es sah so aus, als wäre im nichts gravierendes passiert. Weil Grabsch keinen Teamwagen mehr bei sich hatte, wurden wir gebeten sein Rad mitzunehmen. Selbstverständlich haben wir das dann auch getan. (Später im Zielbereich haben wir uns gegenseitig auf diesem Rennrad fotografiert - ich hoffe, dass das dem Bert recht war und das es ihm wieder gut geht)

Nachdem wir mehr als zehn Minuten an dieser Stelle warten mussten, fuhren wir so schnell es ging dem Feld hinterher, um rechtzeitig an der ersten Überfahrt des Waseberges wieder dran zu sein. Wir haben es leider nicht geschafft, aber der Anstieg war schon beeindruckend. Menschenmassen feierten am Waseberg und auch uns hat man reichlich zugejubelt.

Die letzte Rennstunde wollten wir im Zielbereich verbringen, von wo aus wir deutlich besser das Renngeschehen beurteilen konnten. Zur Freude von Iwan Spekenbrink und José van Seters befand sich gerade einer der ihren in der Spitzengruppe. Nachdem die Fahrer den Zielbereich passiert hatten und auf die letzte Runde gingen, beschlossen wir etwas essen zu gehen. Auf dem Weg in die Vattenfall-Lounge begegnete ich Rudolf Scharping, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer, der mir freundlicherweise ein Autogramm gab, und sich auch noch fotografieren ließ.

Während wir noch am essen waren und das Rennen am Bildschirm verfolgten, bekam Herr Spekenbrink einen Anruf. Einer der Skil-Shimano-Fahrer hatte sich in den Zielbereich gekämpft und war kurz vorm verdursten, er fuhr schließlich lange Zeit abgeschlagen hinter dem Feld und hatte keine Flaschen mehr. Spekenbrink reagierte sofort, schnappte sich eine Flasche kaltgekühltes Getränk (den Hersteller will ich hier nicht nennen, es war aber eine gute Wahl, nämlich eines meiner Lieblingsgetränke) und machte sich sofort auf den Weg zu seinem Schützling.

Wohlgesättigt begaben wir uns danach auf die Zuschauertribüne die direkt am Ziel aufgebaut war. Mit Trillerpfeiffen und Fahnen ausgerüstet erwarteten wir den Zieleinlauf. Und endlich kamen sie. Als der letzte Kilometer erreicht war, hielt es keinen mehr auf den Sitzen. Es kam wie bekannt zur Sprintentscheidung, und auch wir waren uns nicht sicher, wer denn wohl der Sieger war. Erst das Zielfoto zeigte, dass Oscar Freire um Reifenbreite vor Erik Zabel gewonnen hatte. Sowohl Freire als auch Zabel drehten im Zielbereich noch ihre Ehrenrunde und wurden vom Hamburger Puplikum lautstark gefeiert.

Für die Siegerehrung hatten wir keine Zeit mehr. Schnell mussten wir zu den Teamfahrzeugen, wo nach und nach die völlig erschöpften Fahrer von Skil-Shimano eintrafen. Es war beeindruckend wie ruhig nach solch Strapazen plötzlich die Fahrer beisammen standen und nur wenig zu reden hatten. Auch Aart Vierhouten, der vor dem Rennen noch lange Zeit mit uns geredet hatte gesellte sich still zu den anderen und sah von den Anstrengungen gezeichnet aus.

Ich konnte mich in diesem Moment nicht in die Nähe der Mannschaft bringen. Sie sollten nach diesem harten Tag nicht noch von mir belagert werden. Etwas Ruhe hatten sie wirklich verdient, also zog ich mich etwas zurück und beobachtete alles aus der Ferne.

Nach einigen Minuten der Erholung setzten sich die Fahrer wieder auf ihre Räder um ihre Beine auf der Fahrt zurück zum Hotel wieder locker zu bekommen. Iwan Spekenbrink gab unterdessen ein Fernsehinterview. Wie er später erzählte, hatte er keine Ahnung für welchen Sender er dort Rede und Antwort gestanden hatte. Aber es war wirklich interessant zu sehen, wie kompliziert so ein Interview in der Vorbereitung ist. Erst steht das Teamfahrzeug nicht in der richtigen Position. Dann passt es dem Kamerateam nicht wie Herr Spekenbrink da steht. Aber er hat es dann doch noch geschafft, und wir konnten zurück zum Fahrerhotel.

Auf dem Weg dorthin, hatte ich die Gelegenheit, meinen Holländischen Begleitern den Sinn des grünen Pfeils an Ampeln zu erklären. Stur wartete Herr Spekenbrink bis die Ampel auf Grün schaltete, bevor er losfuhr. Hatte er mir nicht geglaubt?

Als wir am Hotel ankamen, waren die vielen Helfer und Mechaniker schon eifrig am Arbeiten. Die Rennmaschinen wurden demontiert und gründlichst gereinigt. Es lag ein wenig der Geruch von Waschmittel in der Luft. Immer mehr Fahrer kamen auf dem Rad zum Hotel, und die meisten sahen schon wieder recht ansehnlich aus. Der Tag neigte sich dem Ende entgegen.

Wir wurden herzlich von der Skil-Shimano-Mannschaft verabschiedet, die uns noch einige Erinnerungsgeschenke überreichte. Hoffentlich sehen wir uns jetzt nicht das letzte Mal, wurde uns gesagt. Ich konnte mich diesem Wunsch nur anschließen, und verließ etwas wehmütig das Hotel.

Ich möchte mich auch hier nochmal für mein schönstes Erlebnis in Sachen Radsport beim Skli-Shimano-Team bedanken, und wünsche der Mannschaft alles Gute für ihre weitere Zukunft.

PS: Ich hoffe, dass man euch bei der nächsten Deutschland-Tour berücksichtigt.

VIELEN DANK


Vorbereitungen bei Wiesenhof


Dopingkontrollen im Holiday Inn


Astanas Ordnung


Team Milram



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