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Wie werde ich Radrennfahrer (Teil 2):
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03.05.2007

Wie werde ich Radrennfahrer (Teil 2):

Info: Wie werde ich Radrennfahrer (Teil 1)
Autor: chrissi

„Sport ist doch Mord“ oder „Kein Krampf besiegt den Kampf“

Bereits vor zwei Wochen habe ich hier meinen ersten kleinen Bericht geschrieben. Wie dort bereits beschrieben, habe ich hier in meinem Heimatort eine kleine Rennradmannschaft gegründet mit dem Traum professionell Radrennen zu fahren. Wir fangen absolut bei Null an, sind nicht besonders talentiert, haben keinerlei Erfahrungen und sind deshalb repräsentierend für alle anderen Fahranfänger die plötzlich die Lust am Rennradfahren gepackt hat und die richtig ins Renngeschäft einsteigen möchten. In meinem ersten Bericht habe ich schon meine ersten Erfahrungen aus unseren ersten echten Trainerstunden beschrieben. Wie dort bereits erwähnt haben drei aus unserer Mannschaft für dieses Jahr die Lizenz für die Klasse U17 gelöst. Am letzten Samstag, den 28. April, hatten wir unser aller erstes Lizenzrennen in Wangen. Hier mein Bericht:

Nach einer schlaflosen Nacht und einem erwartungsvollen Morgen, den wir hauptsächlich damit verbracht hatten und mit Spagetti und Müsli voll zu schlagen, machten wir uns dann gegen Mittag auf in Richtung Rennen. Wir hatten keine Ahnung was auf uns zukommen würde… Um unser Leistungsvermögen einzuordnen ist zu sagen, dass wir dieses Jahr knapp tausend Kilometer auf unseren Tachos haben und mit viel Ehrgeiz in unsere erste echte Radsaison eingestiegen sind. Natürlich phantasierten wir über unser Rennen... Die Vorstellung gegen Ende des Rennens aus einer großen Gruppe anzugreifen und nach einem fabelhaften Rennen mit erhobenen Armen über die Ziellinie zu gleiten lies uns einfach nicht los und verfolgte uns insgeheim. Als wir eine knappe Stunde vor dem Start im Start/Ziel-Bereich eintrudelten erhielten diese Hoffnungen den ersten Dämpfer. Beeindruckt stellte ich fest, dass über 80 Fahrer in unserem Starterfeld eintreten würden und dass Fahrer aus dem Nationalkader das Feld bereichern würden. Verstärkt wurde das flaue Gefühl in meinem Magen nach der Streckenbesichtigung des sehr welligen Kurses (8 Runden a 7 Kilometer) und den Blicken auf die Räder der anderen Teilnehmer. Ich startete mit dem 15 Jahre alten Rad von meinem Vater, bei dem man um zu schalten noch an den Rahmen greifen muss…. Neben mir standen zwei Fahrer mit Bianchi-Rädern und ein Fahrer mit einem Vollkarbonrad. Ich schaute sie ehrfürchtig an und versuchte mir verzweifelt einzureden, dass es ja schließlich nicht auf die Räder sondern auf den Fahrer auf dem Sattel ankommt…
Doch direkt nachdem der Startschuss erfolgt war, stellte ich fest, dass auch diese Fahrer nicht ganz schlecht waren. In dem großen Feld hielt ich mich in der ersten Runde sehr weit hinten auf. Der Windschatten war angenehm, doch das Fahren war sehr unrhythmisch und die ständigen Zwischensprints am Berg, beförderten schon in der ersten Runde mein Puls in hohe Bereiche. Nach der ersten Durchfahrt im Start/Ziel-Bereich stellte ich schockiert fest, dass ich einen 38er Schnitt auf dem Tacho hatte. So konnte das doch unmöglich weiter gehen! Wo war ich denn hier? Ich kam mir vor wie in einem Tour de France-Feld. Als die große Gruppe in der zweiten Runde, zum zweiten Mal den härtesten Anstieg des Kurses passierte, hatte ich den Anfang der Rampe kurz verpennt und vielleicht eine Sekunde zu spät runter geschalten. Und auf einmal waren sie alle weg! Wie schnell das ging war unfassbar! Ich kämpfte wie ein Verrückter das Loch zu schließen doch gegen die Macht des großen Feldes hatte ich keine Chance, ohne Windschatten führte ich einen aussichtlosen Kampf. Glücklicherweise gesellten sich in der dritten Runde zwei weitere zurückgefallene Fahrer zu mir und wir konnten gut zusammenarbeiten. Doch dann kam wieder der harte Anstieg, den ich an dem Tag noch mehrere Male verfluchen sollte. Wie aus dem Nichts fuhr ein stechender, furchtbarer Schmerz in meine Wade. Ich hatte so was noch nie erlebt. Als ich an meinem Bein hinunterblickte stellte ich geschockt fest, dass sich ein seltsamer Wulst in meiner Wade gebildet hatte. Mir kam es vor als würde meine Wade gleich platzen, aufgebracht schrie ich auf. Ich war kurz davor aufzuhören, mein Rad wegzuschleudern wie einst Bjarne Riis und dieser Höllenqual ein Ende zu bereiten. Doch ein paar Betreuer am Streckenrand riefen mir zu, dass ich einen Wadenkrampf hätte und einfach runterschalten, die Ferse runterdrücken und weiter fahren sollte. Nach zwanzig unendlichen Sekunden legte sich der Schmerz dann auch wieder. Ich hatte soeben meinen ersten Wadenkrampf gehabt und weil es „so schön war“, durfte ich gleich am nächsten Hügel dieses „Erlebnis“ noch in der anderen Wade auskosten. Worauf hatte ich mich da eingelassen!?! Das ist doch Verrückt! Den Anschluss an meine zwei Gefährten hatte ich natürlich verloren und ich hatte erst die Hälfte der Strecke bewältigt. Doch mein Kampfesgeist war ungebrochen. Ich wollte durchkommen! Koste es was es wolle! Alleine spulte ich die nächsten drei Runden ab. Ich verlor völlig das Gefühl für Raum und Zeit! Zwischendurch glaubt ich sogar mich verfahren zu haben, so sehr lähmten die Anstrengungen meine Sinne. Ich war wie in Trance. Nach einer Weile kam es dann zu den ersten Überrundungen und ich hatte endlich wieder Windschatten und konnte mich an den einen oder anderen Fahrer dranhängen. Als ich in der letzten Runde war mischte sich zu der totalen Erschöpfung ein euphorisches Gefühl und angetrieben von der Hoffnung ins Ziel zu kommen, überholte ich sogar noch einen ebenfalls überrundeten Fahrer im Zielsprint. Absolut KO stieg ich vom Rad und legte mich in den Schatten Ich hatte ein 33er Schnitt auf dem Tacho, was mir bis dahin noch nie auch nur im Entferntesten gelungen war. Ich war mir sicher, nie mehr würde ich mir so was antun. Am Tag drauf konnte ich weder sitzen noch laufen. Alles tat weh. Ich kam mir vor wie ein alter, brüchiger Opa. Und jetzt??? Ein paar Tage später???? Ich bin plötzlich wieder total motiviert weiter zu trainieren und so im nach hinein betrachtet war das Rennen einfach nur GEIL! Nächstes Rennen ich komme!


Radprofis


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