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Berliner Sechstagerennen: Guido "Fulle" Fulst geht als Spitzenreiter in sein allerletztes Finale
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29.01.2008

Berliner Sechstagerennen: Guido "Fulle" Fulst geht als Spitzenreiter in sein allerletztes Finale

Info: Bildergalerie
Info: 6-Tage Berlin
Autor: Adriano Coco

Berlin, 29.01.2008 - Guido Fulst (Foto mit Sohn Jul), einer der weltbesten Bahnradsportler der vergangenen 20 Jahre, fährt in Berlin ein grandioses letztes Sechstagerennen. Gestern wurde er im Velodrom feierlich verabschiedet.

Sprecher Christian Stoll fand so rührende, ehrende Worte, dass "Fulles" Lebenspartnerin Janine eine kleine, verstohlene Träne über die Wange lief. Zu Guidos Karriereabschied hatte die diplomierte Sportwissenschaftlerin Söhnchen Jul (eineinhalb Jahre) mitgebracht. Anfangs hatte der lustige Knirps sooo groooße Angst vor den bedrohlichen, schwarzen Kameras, dann aber amüsierte er sich prächtig im Fahrerlager. Um 19 Uhr 35 geht Fulst ,36, heute mit Partner Leif Lampater ,25, als Spitzenreiter (165 Punkte) ins Finale des 97. Berliner Sechstagerennens. Lampater zu Live-Radsport.ch: "Ein Sieg für Fulle zum Abschied, das wäre was!"

Der Berliner und der Stuttgarter sind die Titelverteidiger und werden gejagt von Andreas Beikirch ,37, mit dem beeindruckend fahrenden Youngster Erik Mohs ,21, (153 Punkte), Marco Villa, 38, Ita, mit DannyStam, 35, Ned (129 Punkte) und den Schweizer Weltmeistern Bruno Risi, 39, und Franco Marvulli, 29, (174 Punkte). Die vier Teams führen mit Rundenvorsprung.

Drei Joker warten aber darauf ins entscheidende Spiel zu kommen: Das schweizerisch-deutsche Duo Aeschbach/Lademann, die Dänen Rasmussen/Moerkov und die Deutschen Pollack/Kluge. Die drei Teams liegen eine Runde zurück in Lauerstellung für einen Überraschungscoup
Beikirch: "Für uns ist vom Sieg bis Mittelfeldplatzierung alles drin. Für einen Podiumsplatz spricht, dass wir nun mehr keine Kräfte für das Aufholen einer Verlustrunde aufbringen müssen."

Wenn um Mitternacht das Gewinner-Team auf die Ehrenrunde geht, ist dieser großartige Sieg beim 97. Berliner Sechstagerennen nur eine Erfolgsepisode gemessen an Guido Fulsts Medaillen-Sammlung in seiner 28jährigen vorbildlichen Sportlerlaufbahn.

Angefangen hat für den zehnjährigen Guido alles bei einer Talentsuche in der Schule in seinem beschaulichen Geburtsort Drübeck im Harz. Mächtig stolz war der Steppke, weil er umsonst ein Fahrrad bekam. Darum war er auch gleich Feuer und Flamme für die Radfahrerei.

Und Trainer Peter Fieber von Dynamo Wernigerode (heute HRC Harzer Radsport Club) hatte 1980 mit dem jungen Talent eine goldrichtigen Griff getan. Denn seine Entdeckung hörte überhaupt nicht mehr auf, internationale Erfolge einzufahren:

Bahnvierer
Weltmeister 1989, 1994, 1999, 2002
Olympiasieger 1992, 2000
Vizeweltmeister 1993, 1998, 2002
Weltmeister-Dritter, 1996, 2001
Einerverfolgung
Weltmeister-Dritter 1994
Punktefahren
Olympia-Dritter 2004
Zweiermannschaftsrennen
Weltcupgesamtsieger 2003
Deutscher Meister 2000, 2003, 2005
Einzelverfolgung, Bahnvierer, Punktefahren
Deutscher Meister insgesamt 13 mal in diesen Disziplinen
Sechstagerennen
Sieger 3 x

Mit einem schweren "Wulstbomber", dicke Drahtbereifung, holte sich Fulst, dessen spätere Super-High-Tech-Rennmaschinen nur mehrere 1000 Gramm wogen, stürmte er 1981 zum ersten Sieg. Aber so richtig wie eine Rakete los gegangen ist der zuverlässige Verfolger, der in den Vierern von Deutschland Ost und West die 4000 m mit Präzision herunterspulte, 1984. Die Harzer schickten ihn zur Radsportspezial-Ausbildung nach Berlin auf die Werner Seelenbinder Sportschule in Hohenschönhausen und zum SC Dynamo (heute SC Berlin).

Den Weltmeistertitel 1989 in Lyon mit dem Bahnvierer für die DDR sieht Fulst als einen seiner schönsten Erfolge: "Weltmeister mit 19 Jahren, das war eine Super Sache", strahlt Fulst noch immer beim Gespräch mit Live-Radsport.ch, gestern nach der Verabschiedungszeremonie im Velodrom.

Sein erstes Winterbahn-Rennen gewann er aus Angst und Respekt vor den steilen Kurven und der hautdichten Drängelei im Fahrerfeld. Um der Sturzgefahr zu entgehen, riss er darum bei einem Punktefahren in der Werner-Seelenbinder-Halle (Vorläuferhalle am Ort des neuen Velodroms) einfach aus und fuhr so als erster einsam und sicher über den Zielstrich.

Auf die Straße hat es den schnellen ausdauernden Mann nie gezogen. Fulle, der er es gerne gepflegt hat, verschmitzt: "Nee, war mir zu lang und zu derbe."

Morgen beginnt nun für den gelernten Anlagenbauer ein vollkommen neuer Lebensabschintt. Nach den Sixdays absolviert er ein einjähriges Traineeprogramm bei der Berliner Firma Zehnacker. In der Service Gesellschaft für Krankenhäuser, Altenheime und Catering wird er zum Objektleiter ausgebildet.

Familienvater Fulst: "Das ist für mich mit 36 Jahren eine einmalige Chance für einen beruflichen Neuanfang. Dagegen kommt auch eine verlockende sechste Olympiateilnahme nicht an. Darum habe ich meinen Platz in der Nationalmannschaft rechtzeitig für jüngere Fahrer zur Verfügung gestellt."

Live-Radsport.ch berichtete Olympiasieger Fulst verzichtet auf Peking

Doch der Abschied vom Radrennen und besonders in diesen Stunden vorm Finale seiner 59. Sixdays fällt "Fulle" schwerer, als sich der sachliche Mann vorher eingestehen wollte: "Es kommt doch Wehmut auf, wenn ich daran denke, Morgen ist die harte aber schöne Rennfahrerzeit vorbei..."




Guido Fulst mit Jul 97. Berliner Sechstagerennen Foto Adriano Coco
Papa Fulle fuhr mit Söhnchen Jul durchs Abschiedsspalier der Rennfahrerkollegen. Nach dem 97. Berliner Sechstagerennen beendet der vielfache Weltmeister und Olympiasieger seine 28jährige Radsportkarriere. Foto: Adriano Coco, mehr unter imago-sportfoto.de

Guido Fulst Janine Strunz 97 Berliner Sechstagerennen Foto Adriano Coco
Eine verstohlene Träne im linken Augenwinkel von Fulles Lebenspartnerin Janine. Die feierliche Zeremonie und die ehrenden Worte von Sprecher Christian Stoll haben ans Herz der Sportwissenschaftlerin gerührt. Foto: Adriano Coco, mehr unter imago-sportfoto.de

Guido Fulst Leif Lampater 97 Berliner Sechstagerennen Foto Adriano Coco
Guido Fulst blickt konzentriert nach vorn. Gleich wird Leif Lampater ihn ins Rennen schleudern. Beide sind ausgerissen, wollen den Favoriten eine Runde abknöpfen. Foto: Adriano Coco, mehr unter imago-sportfoto.de

Guido Fulst Jul Janine Strunz 97 Berliner Sechstagerennen
Jul blickt lustig und neugierig aus großen glänzenden Kulleraugen. Da staunen Papa Guido und Mama Janine - gerade hatte der Sohnemann noch mächtig Angst vor der bedrohlichen schwarzen Kamera. Foto: Adriano Coco, mehr unter imago-sportfoto.de


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