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Multitalent Ferrand-Prévot holt Gold im WM-Rennen der Frauen - Brennauer Zweite
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27.09.2014

Multitalent Ferrand-Prévot holt Gold im WM-Rennen der Frauen - Brennauer Zweite

Info: STRASSEN-WELTMEISTERSCHAFT 2014 IN PONFERRADA
Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



Ponferrada, 27.09.2014 - Bei der Straßenrad-WM in Ponferrada hat Pauline Ferrand-Prévot ihre schon zuvor fantastische Saison mit dem Weltmeistertitel gekrönt. Die erst 22-jährige Französin, die heuer sowohl auf der Straße, wie mit dem Mountainbike wie querfeldein Topresultate errang, setzte sich nach sieben Runden zu je 18,2km (127,4km) im Sprint einer 15-köpfigen Gruppe durch. Zeitfahrweltmeisterin Lisa Brennauer aus Deutschland sicherte sich im Foto-Finish den zweiten Platz und ihre zweite Einzelmedaille bei diesen Titelkämpfen. Bronze ging an die Schwedin Emma Johansson. Titelverteidigerin Marianne Vos (Niederlande) traf auf der Zielgerade eine taktisch unkluge Entscheidung und musste so mit Platz 10 vorliebnehmen. Das gesamte Rennen wurde von einem schrecklichen Massensturz überschattet, welcher sich bereits auf der zweiten Runde ereignet hatte.

Die deutsche Mannschaft übernahm von Beginn an die Verantwortung im Feld der 134 Teilnehmerinnen - und das war wohl ihr großes Glück. Denn auf der zweiten von sieben Runden kam es zu einer Massenkarambolage, die ihre verheerendsten Folgen in der Mitte und im hinteren Teil des Pelotons zeitigte und ein wahres Schlachtfeld hinterließ. Prominenteste Betroffene war die Vor- und Vorvorjahresweltmeisterin Marianne Vos, die von ihren Teamkameradinnen erst mal wieder nach vorne gebracht werden musste. Das geschah ohne Thalita de Jong, die ohnehin nur deswegen eingesetzt worden war, weil Anna van der Breggen sich im Teamzeitfahren zu stark verletzt hatte und die nun ihrerseits eine Schulterfraktur davontrug. Mannschaftlich am stärksten getroffen wurden die Belgierinnen und die Kanadierinnen, die drei (von fünf) bzw. zwei (von drei) Fahrerinnen definitiv verloren. Medaillenkandidatinnen schieden zwei aus, nämlich Mara Abbott (USA) und Alena Amialiusik (Weißrussland). Nur ca. 50 Frauen kamen gänzlich unbeschadet davon. Natürlich drückten sie erst mal nicht auf Tempo, sondern erlaubten allen, denen das überhaupt möglich war, eine Rückkehr ins Renngeschehen. Erst als nach der 3. Zielpassage wieder 70 Athletinnen beisammen waren, wurde erneut Fahrt aufgenommen.

Entscheidende Weichenstellung durch Rachel Neylan
Es gab sogar eine neue Solo-Attacke - erst die zweite des Wettkampfs, denn kurz bevor sich der Sturz ereignete, war mit Shani Bloch aus Israel eine wahre Radsport-Exotin an der Spitze gefahren. Diesmal entfernte sich die Slowenin Spela Kern aus dem Feld, wo immer noch Deutschland und mittlerweile auch die Niederländerinnen Präsenz zeigten. Corinna Lechner und Romy Kasper hatten der Arbeit aber bereits Tribut zollen müssen, während Marianne Vos' Team - genauso wie das der Italienerinnen - noch sieben Frauen stark war. Kern erhöhte ihre Vorsprung auf maximal 40 Sekunden. Anfangs der 5. Runde waren zwar nur noch 16 übrig, sie schaffte es aber noch ein paar Kilometer weiter, bevor sie eingeholt wurde. Jetzt drehten die Niederländerinnen kurzzeitig an der Temposchraube, was aber nichts einbrachte, sodass immer noch 63 Fahrerinnen die vorletzte Runde in der Null-Zeit in Angriff nahmen. Die Sonne hatte sich zu diesem Zeitpunkt leider schon komplett zurückgezogen und es begann heftig zu regnen. Auf dem augenblicklich sehr nassen Asphalt war nun also umso mehr Vorsicht geboten. Dennoch kam es zu einigen Attacken, wobei die erfolgreichste am Anstieg zum Poblado Confederación von Rachel Neylan ausging. Die Australierin, die 2012 WM-Silber gewann, nach schlimmen Verletzungen aber erst in dieser Saison wieder ein paar Rennen bestreiten konnte, löste zunächst keinerlei Reaktion aus. Erst kurz vor dem Gipfel des Mirador schloss eine Gruppe zu ihr auf, in der sich sämtliche Favoritinnen, z.T. auch mit Helferinnen befanden.


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Vos sprintet lieber gegen zehn als gegen drei
Als die Glocke geläutet wurde, lag ein Quartett, bestehend aus Neylan, Rossella Ratto (Italien), Chantal Blaak (Niederlande) und Katarzyna Niewiadoma (Polen) leicht in Führung, aber die Favoritinnengruppe vergrößerte sich noch und holte die vier sofort wieder ein. 12 Kilometer vor dem Ziel attackierte Evelyn Stevens (USA), was Vos' mühelos konterte, sodass alle, die nach ihrem schwachen Teamzeitfahren Zweifel an ihrer Form geäußert hatten, verstummen mussten. Auch die Konkurrenz zog, langsamer zwar, wieder nach. Etliche Tempoverschärfungen später - u.a. trat die Deutsche Trixi Worrack mehrfach an - sah man Vos ganz vorne. Mit einer rasanten Abfahrt vom Confederación wollte sie die Gruppe verkleinern, was nur ansatzweise gelang. Am Mirador wagte sich die schwedische Meisterin Emma Johansson aus der Deckung und zog Vos sowie Elisa Longo-Borghini (Italien) sowie Weltcup-Gesamtsiegerin Elizabeth Armitstead (Großbritannien) mit sich über die Kuppe und in die entscheidende Abfahrt. Johansson konnte sich noch einmal leicht lösen, aber Vos fuhr die Lücke zu - genauso wie sie einen Überraschungsangriff von Longo-Borghini parierte. Im Zieleinlauf ereignete sich dann Erstaunliches: Anstatt zu viert um den WM-Titel zu kämpfen, sah sich das Quartett nur an und ließ es zu, dass die nachfolgende Gruppe wieder herankam. Insbesondere die Titelverteidigerin gab ganz klar zu erkennen, dass sie erst losschlagen würde, wenn die Verfolgerinnen aufgeschlossen hätten. Offenbar fühlte sie sich einem Sprint gegen Spezialistinnen wie Giorgia Bronzini (Italien), Shelley Olds (USA) und Tiffany Cromwell (Australien) gewachsen.

Krönung einer fantastischen Saison
Claudia Lichtenberg zog Lisa Brennauer den Sprint an, dann setzte sich Marianne Vos in Gang. Sie bemerkte nicht, dass sie in diesem Augenblick perfekt als Anfahrerin für Pauline Ferrand-Prévot fungierte, die "im richtigen Leben" sogar eine Rabo-Liv-Teamkollegin ist. Die Französin zog rechts vorbei, riss den rechten Arm empor - und war Weltmeisterin, was sie selbst zunächst am wenigsten glauben konnte. Brennauer holte nach Gold im Teamzeitfahren und im Einzelzeitfahren auch noch Silber auf der Straße und Emma Johansson sicherte sich zum dritten Mal nach 2010 und 2013 eine WM-Medaille. Die zweifache Titelträgerin Bronzini, Cromwell und Olds gingen letztlich leer aus, ebenso wie Armitstead, die Neuseeländerin Linda Villumsen sowie natürlich Vos, die noch hinter Hanna Solovey (Ukraine) auf Platz zehn durchgereicht wurde. Seit 2006 hatte sie ununterbrochen auf jedem WM-Podium gestanden - entweder als Siegerin oder als Zweite. Nur 59 Fahrerinnen beendeten das Rennen; die Mehrzahl stieg wegen des Sturzes oder aus anderen Gründen vorzeitig aus. Keine Österreicherin erreichte das Ziel und auch nur eine Schweizerin: Doris Schweizer belegte den 23. Platz (+0:14).

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Vos tritt das Regenbogentrikot ab an eine junge Frau, die aufgrund ihrer Power und Vielseitigkeit im doppelten Sinne als ihre Nachfolgerin bezeichnet werden kann. Pauline Ferrand-Prévot feierte allein in dieser Saison zwei MTB-Weltcup-Siege (Nove Mesto, Albstadt) und einen Weltcup-Sieg auf der Straße (Flèche Wallonne) sowie die Landesmeistertitel im Cyclocross, Cross Country, Zeitfahren und Straßenrennen. U19-Europameisterschaft im Zeitfahren 2009, U19-Weltmeisterschaft auf der Straße 2010 und U23-Vizeweltmeisterschaft 2013 auf dem Mountainbike waren frühere Meilensteine in der Karriere des 22-jährigen Multitalents, dem 2014 mit dem Durchbruch gleich ein Rundumschlag gelang. Jenen Ratgebern, die meinen, dass man sich auf eine einzelne Disziplin festlegen muss, um erfolgreich zu sein, hat die erste französische Weltmeisterin seit Jeannie Longos fünftem Titel (1995) heute jedenfalls erneut eine Lehre erteilt.





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