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Florian Bissinger über das Gestern und das Morgen
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04.12.2011

Florian Bissinger über das Gestern und das Morgen

Info: Alle Artikel im Adventskalender 2011
Autor: Stefan Dechert (stefdech)



Am 16.11. bekam ich von Florian Bissinger eine E-Mail, in der er mir mitteilte, dass er im Jahr 2012 für das Team Vorarlberg fahren wird.
Das habe ich zum Anlass genommen, ein Interview über ein sehr erfolgreiches Jahr als Neo-Profi mit Ihm zu führen. Es ging um die Schwierigkeiten seinen Platz im Feld zu finden, wie man vom Helfer zum Kapitän wird und die Wunden nach einem Sturz in China - und natürlich: wie geht es weiter?



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LiVE-Radsport.com:
Dein erstes Jahr bei einem größeren Rennstall ist vorbei, wie sieht Dein erstes Fazit aus?

Florian Bissinger:
Ich betreibe den Radsport jetzt schon seit vielen Jahren.
Für mich war es eine tolle, neue Herausforderung, in Österreich meine erste Profi-Saison zu bestreiten. Ich denke, das Vertrauen, welches mir von der Teamleitung entgegen gebracht wurde, habe ich voll und ganz erfüllt!
Was mir persönlich das wichtigste ist, ich habe den Spaß und die Freude an diesem tollen Sport auf eine ganz neue und andere Art kennengelernt.
Mir macht es Spaß in der ganzen Welt Rennen zu fahren. Aber auch von den Ergebnissen blicke ich auf ein sehr erfolgreiches Jahr zurück.


Mit welchen Erwartungen bist Du in Dein erstes Frühjahr als Neo-Profi gegangen, war es schwer Deinen Platz im Peloton zu finden?
In etwa wusste ich natürlich schon was mich erwartet. Ich bin ja auch mit Teams aus Deutschland, bei welchen ich in der Vergangenheit gefahren bin, Rennen und Rundfahrten im Ausland gefahren. Aber bei einem neuen Team weiß man nie genau was einen erwartet und wie alles abläuft. Von daher bin ich einfach mit der Erwartung, schöne Rennen auf der ganzen Welt zu fahren und dabei wenn möglich noch Spaß und Erfolg zu haben, in die Saison 2011 gestartet.
Es kristallisierte sich schnell heraus, dass ich in vielen Fällen der sein sollte, welcher die Kohlen aus dem Feuer zu hohlen hatte. Ich denke, ich bin mit den Aufgaben gewachsen, wurde ich in den vergangenen Jahren doch oft noch von größeren Rennfahrern an die Hand genommen. So war es einfach nötig, schnell meinen Platz zu finden.
Aber ich habe die Herausforderung gerne und mit sehr viel Freude angenommen.


Was war das schwierigste, an das Du Dich gewöhnen musstest, die längeren Distanzen oder das höhere Tempo?
Es ist vermutlich eine Mischung aus beidem was große Profi-Rennen so hart macht. Gerade wenn nach 5 Rennstunden immer noch das gleiche Tempo gefahren wird.
Als junger Rennfahrer besteht man bei kürzeren Rennen leichter als bei sehr langen Rennen. Allerdings gewöhnt sich der Körper vermutlich an alles und so sind nach einiger Zeit auch die extremen Distanzen kein Problem mehr.


Die früheren Bissinger-Interviews:
Bei der Deutschen Meisterschaft in Neuwied
Nach seinem Sieg bei der Tour of Szeklerland


Bei unserem ersten Treffen in Neuwied warst Du ja schon der Führende in der Rad- Bundesliga in Österreich, die Du dann auch gewonnen hast. Das hatte nun auch zur Folge, dass Du von der Nachwuchshoffnung zum Kapitän im Team geworden bist.
Ja, so war das mit der Bundesliga nicht geplant gewesen. Mir waren die internationalen Rennen immer bedeutend wichtiger. Es ging ganz einfach darum, sich über die österreichische Bundesliga für die große Österreich-Rundfahrt zu qualifizieren. Dort wollte ich hin und dafür galt es Punkte zu sammeln. Dass ich das Gelbe Trikot dabei übernommen habe war das Tüpfelchen auf dem i.
Ich habe immerhin einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass das kleine Braunauer Team als erstes zur Ö-Tour gezogen ist. Die meisten Fahrer haben auch eingesehen, dass ich der stärkste Fahrer für diese Rennen war. Ich wurde dann auch nach Kräften unterstützt.
Mit 23 Jahren ist man meiner Meinung nach noch sehr jung für eine Kapitäns-Ansage. Wenn sich jedoch im Rennen herausstellt, dass ein junger Fahrer der Stärkste ist und die beste Taktik auf Lager hat, so werden ihm auch ältere Fahrer folgen. Ein Austausch schadet nie, ich habe dieses Jahr sicherlich sehr viel gelernt, gerade im Ausland.


Nach Deinem zweiten größeren Erfolg bei der Tour of Szeklerland ging es dann nach China. Wie waren Deine Eindrücke?
Nach der Tour of Szeklerland warteten auf mich die finalen Rennen um die Bundesliga. Es waren noch einige harte Rennen, welche ich mit dem Gesamtsieg krönen konnte. Danach folgte eine wohlverdiente Pause, in welcher ich mir bei einer Bergtour und einigen Tagen ohne Rad neue Motivation und Energie für den letzten Teil der Saison holte.
Im Oktober ging es dann nach China zu zwei Rundfahrten. Ich war noch einmal sehr Motiviert für die Tour of Hainan (UCI 2.HC) und die Tour of Taihu Lake (UCI 2.2).
Zuhause habe ich die letzten Einheiten noch bei ca. 0 Grad absolviert und dann steigt man nach 30 Reisestunden in Hainan aus und die Erde brennt. So kamen mir die bis zu 38 Grad im Schatten zumindest vor.
Aber es ist ein interessanter Fleck Erde. Unter Palmen machten wir unser letztes Training und vertrieben uns die Zeit am Strand, dem Pool des 5 Sterne Hotels oder in den Gassen der überfüllten Städte.
Ich war jedoch froh als es losging. Es waren mit Astana, Geox, Skil-Shimano etc. einige große Teams da. Es sollte ein spannendes Rennen werden. Am ersten Tag noch vom Defekt-Teufel verfolgt (drei Platten) lief es am zweiten Tag mit Platz 11 schon recht gut.
Am dritten Tag nahm mein Asien-Trip jedoch eine Wendung. Durch einen schweren Sturz im Massensprint auf der dritten Etappe war für mich die Rundfahrt vorbei. Ich weiß nicht mehr wie wir dorthin gekommen sind, aber drei Fahrer fanden sich 200m vor dem Zielstrich auf der anderen Seite der Absperrgitter wieder. Ich hatte wohl Glück im Unglück. Mit einem Muskelfaserriss, einer Absplitterung am Schlüsselbein, einigen Blutergüssen und Prellungen war an Rennen fahren nicht mehr zu denken.
So wurde die China-Reise ein unerwarteter Urlaub für mich. Ich unterstützte die verbliebenen Jungs nach Kräften. Fand aber auch viel Zeit, China etwas kennen zu lernen. Es ist sehr interessant was man alles sieht, aber auch oft erschreckend wenn man Armut und Elend mitbekommt. Man lernt das eigene Leben etwas mehr zu schätzen, denke ich.
China ist in vielen Dingen auf der Überholspur, Gebäude schießen in den Himmel, immer mehr Menschen fahren Autos oder gehen einem höheren Bildungsweg nach. Was meiner Ansicht nach nicht mit wächst ist die Regierung.
Aber es war trotzdem ein schöner Abschluss einer erfolgreichen Saison.


Die logische Konsequenz war nun Dein Wechsel zum Team Vorarlberg, mit welchen Erwartungen, Zielen gehst Du in das neue Jahr?
Ich habe mir die Entscheidung gemeinsam mit meinem Berater und meinem Trainer nicht leicht gemacht. Ich hatte sehr viele gute Angebote, worüber ich natürlich sehr glücklich war. Ich habe meine Entscheidung aus sportlichen Gründen für Vorarlberg getroffen. Das Team hat sehr gute Strukturen, wir sind eine sehr junge Mannschaft, jedoch mit sehr viel Potential. Ich habe nach neuen Herausforderungen gesucht und hoffe, sie mit neuem Rennplan und neuen Möglichkeiten auch zu finden.


Du bist jetzt 23 Jahre und hast schon einige Erfolge im Profiradsport erzielt, wie sehen Deine großen Träume aus, wo tendierst Du mit Deinem Talent hin?
Eher zu Sprint oder den schwereren Eintagesrennen?

Ich lebe im „Hier und Jetzt“, Erfolg ist schön, aber man muss sich immer wieder neu beweisen. Man kann sich im Sport nicht auf alten Lorbeeren ausruhen. Ich habe mit Sicherheit einige Träume und werde versuchen sie zu verwirklichen. Man sollte jedoch auch nichts überstürzen. Ein Ziel wäre, ein großes Ergebnis oder sogar einen Sieg bei einem großen Rennen, vielleicht in einer der vier großen Radsport-Nationen – ja das würde mir gefallen!
Ich habe den Vorteil, ein recht kompakter Fahrer zu sein. Ich fühle mich überall wohl. Die großen Rennen werden zeigen, wo ich eher hin gehöre. Ich mag es, wenn Rennen hart werden und sich etwas tut.


Florian, Vielen Dank für das Gespräch und Dir ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches Jahr 2012.
Ich bedanke mich bei LiVE-Radsport für das Interview und nutze die Gelegenheit euch allen eine besinnliche Zeit und ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen.






Adventskalender am 4. Dezember: Florian Bissinger über das Gestern und das Morgen
Adventskalender am 4. Dezember: Florian Bissinger über das Gestern und das Morgen

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