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Pollacks schwerer Sturz überschattet Sieg von Zabel/Lampater in Bremen
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14.01.2009

Pollacks schwerer Sturz überschattet Sieg von Zabel/Lampater in Bremen

Autor: Thorsten Schmidt (www.sixdaysinfo.de)



Bremen, 14.01.2009 - Nach dem Sechstagerennen von Dortmund hat das Duo Erik Zabel/Leif Lampater auch bei den Bremer Sixdays den Sieg geholt. 15 Punkte lagen am Ende der Finalnacht zwischen ihnen und Olaf Pollack/Franco Marvulli. Den letzten Podestplatz belegten Bruno Risi/Danny Stam mit 86 Punkten Rückstand. Für einen Schock sorgte kurz vor Ende der Schlussjagd ein Sturz mehrerer Fahrer, bei dem sich Pollack einen Schlüsselbeinbruch zuzog. Auch Stam musste ins Krankenhaus gebracht werden.


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Selbst die Sieger Erik Zabel / Leif Lampater konnten sich am Ende nicht richtig freuen und für das genaue Endergebnis interessierte sich niemand mehr. Zu tief saß bei allen in der Halle der Schock über den Massensturz, der elf Runden vor Schluss sämtliche Rennfahrer auf das Lattenoval zwang. Am schlimmsten erwischte es Olaf Pollack, der sich das linke Schlüsselbein brach. Auch Danny Stam wurde wegen Schmerzen an der Hüfte sofort ins Krankenhaus gebracht.

Spulen wir den Film des Abends zurück auf Anfang: Die Ausgangslage war eindeutig. Risi/Stam lagen in der Nullrunde mit deutlichem Punkterückstand auf dem dritten Platz, hatten aber die Chance, durch fleißiges Punktesammeln eine weitere Bonusrunde zu erreichen. Die beiden Routiniers machten mit dem Sieg in der Mannschaftsausscheidung schon frühzeitig alles klar, verdienten sich die Bonusrunde und waren nun als einzige Paarung in der Nullrunde die Leader. Bartko/Aeschbach erreichten mit dem Sieg im 1000m-Zeitfahren ebenfalls eine Bonusrunde, blieben auf Platz vier, waren aber nun rundengleich mit Zabel/Lampater und Pollack/Marvulli. Auch um Platz fünf wurde noch gefightet. Hester/Roberts sammelten Punkt um Punkt und mit einem zweiten Platz in der Einzelausscheidung und der damit erreichten Bonusrunde schoben sie sich im Klassement an de Ketele/van Bon vorbei auf Platz fünf.

Nach Abschluss der Einzelwettbewerbe versammelten sich alle Fahrer an Start und Ziel zum in Bremen üblich Abschiedzeremoniell. Erik Zabel fuhr durch das Spalier der Fahrer und bekam standing ovations von den Besuchern in der am Abschlussabend gut gefüllten Halle. Bremens Bürgermeister Jens Börnsen, als bekennender Radsportfan seit 40 Jahren bei allen Sixdays dabei, ließ es sich nicht nehmen, persönlich von Erik Zabel Abschied zu nehmen. Vielleicht kein Abschied für immer? Dieser Tage wurde eifrig spekuliert, ob Erik Zabel in einigen Jahren die Nachfolge von Patrick Sercu als Sportlicher Leiter übernehmen könne.

In die abschließende Jagd über 45 Minuten plus 60 Runden gehen Risi/Stam als einziges Team in der Nullrunde. Die anderen müssen also angreifen, um Brunos sechsten und Dannys dritten Sieg in Bremen zu verhindern. Doch abwarten und reagieren liegt nicht im Naturell von Bruno Risi. Immer wieder zeigt er sich an der Spitze des Feldes, initiiert Fluchten und fährt angriffslustig, als habe er eine Runde auszuholen, während Danny Stam sich deutlich zurückhaltender zeigt.


Thorsten Schmidt berichtet erstmals für uns, vom den Bremer Sixdays.
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In den ersten fünf Minuten der Jagd fährt das Feld ein gleichmäßiges hohes Tempo und die Favoriten belauern sich. Wer zuckt als erster mit der Pedale? Zabel ist es, der davon springt, Marvulli kontert und auch Risi und Aeschbach gehen mit. Zu viert holen sie sich die Runde. Doch geholfen hat es keinem. Danach büchst Kenny de Ketele alleine aus und holt sich durch den Rundengewinn den verloren gegangenen fünften Platz zurück. Hester will kontern, doch Müller und de Ketele kleben am Hinterrad. Der gemeinsame Rundengewinn ist nur für die Galerie. Noch 28 Minuten: Alexander Aeschbach geht auf und davon. Wiederum springt Marvulli hinterher. Zabel und Risi folgen in seinem Sog, so dass auch dieser Rundengewinn ohne Folgen bleibt. Risi saust am Feld vorbei und will die Doublette. Was für eine Demonstration der Stärke, brüllt Hallensprecher Christian Stoll durch sein Mikrophon. Marvulli und Lampater steigen nach und lassen Risi/Stam mächtig kurbeln. Bartko scheint abgehängt, doch kurz vor dem Rundengewinn der drei Konkurrenten steigt Aeschbach aus dem Sattel und das Team 2 holt sich im Alleingang die verlorene Runde zurück. Noch 18 Minuten: Bartko und Zabel versuchen es gemeinsam, doch Marvulli hat aufgepasst. Immer wieder sind es Marvulli und Pollack, die die Löcher zufahren. Noch 17einhalb Minuten: Risi kontert und keiner reagiert. Risi und Stam auf dem Weg zum 2-Runden-Vorsprung. In der Halle wird es erstmals richtig laut. Wenn die beiden diesen Rundengewinn schaffen, ist das Rennen entschieden! Zunächst sieht es gut aus. Keiner geht hinterher. Die drei anderen Teams wechseln sich regelmäßig in der Führung ab und halten das Tempo hoch. Risi und Stam haben eine halbe Runde Vorsprung, aber die scheint wie festgeklebt. Risi und Stam hängen allein im Wind und die anderen lassen sie lange zwei Minuten zappeln. Dann wird das Loch ratzfatz in zwei Runden wieder zugefahren. Noch 15 Minuten: Zabel und Pollack sind die nächsten, die es versuchen. Nun ist es Risi, der das Tempo im Feld hochhält. Bartko hält sich vornehm zurück. Er ist im Zugzwang und muss seine Kräfte bündeln, will er hier noch aufs Podium fahren. Nach zwei Minuten ist der Vorstoß vereitelt und Zabel und Pollack sind zurück im Feld. Noch 12 Minuten: Jetzt versucht es Zabel allein. Die Halle tobt. Wo ist Bremen? Wo ist die Halle? Zabel ist der Publikumsliebling. Zabel/Lampater sind die ganze Woche über als die Top-Favoriten gehandelt worden. Das Publikum trägt die beiden um die Runde herum. Rundengewinn! Führung für Zabel/Lampater! Noch 10 Minuten: Franco Marvulli reißt am Lenker und wackelt äußerst bedenklich mit dem Kopf. Er ist erkältet. Er hat schon gestern immer wieder stumpf in seiner Koje gesessen und gehustet. Und Pollack ist angeschlagen. Seine Schulter schmerzt bei jeder Ablösung. Und jetzt setzen sie alles auf eine Karte. Vielleicht die letzte Chance. Vielleicht die letzten Kräfte. Und sie schaffen den Rundengewinn! Führung! Führung für Pollack/Marvulli! Drei Teams sind jetzt in der Nullrunde. Pollack/Marvulli und Zabel/Lampater liegen nach Punkten Kopf an Kopf an der Spitze. Risi/Stam haben ihren Vorsprung verloren und brauchen einen weiteren Rundengewinn zum Sieg. Bartko/Aeschbach haben eine Runde Rückstand und sind aus dem Rennen. Das Tempo bleibt gleichmäßig hoch, es wird nicht taktiert, er wird gefahren. Musiol/Bach können nicht mehr mithalten und steigen aus. Noch 3 Minuten: Mit dem Mute der Verzweiflung mobilisiert Aeschbach seine letzten Kräfte. Er will sich zeigen. Er will die Chance nutzten, zusammen mit Robert Bartko in Bremen auf dem Treppchen zu stehen. Es könnte klappen. Bartko/Aeschbach allein auf der Flucht. Doch eine Minute später sind alle wieder zusammen. Bartko hat den Fight ums Podium verloren. Mit einem winzigen Punkt Vorsprung gehen Pollack/Marvulli in die letzten 60 Runden, in denen noch fünf Mal Punkte vergeben werden. Die erste Wertung gewinnt Lampater vor Pollack. Führungswechsel. Marvulli ist alle. Marvulli hat alle Körner ausgepresst. Pollack muss die Punkte holen. Auch Zabel übergibt die Verantwortung an seinen Partner. In der zweiten Wertung nimmt Lampater zu früh die Beine hoch und Pollack kann noch an ihm vorbeihuschen. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Danny Stam zeigt sich und versucht eine letzte Flucht. In Zürich konnten sie alle überraschen und in letzter Sekunde eine Runde holen. Doch diesmal hat Marvulli besser aufgepasst. Wieder fährt er das Loch zu. Nächste Wertung. Die Glocke. Marvulli klebt bei Lampater am Hinterrad. Hat die beste Position für den Sprint. Doch was macht er!!! Wechselt in der Zielkurve anstatt selbst zu spurten. Völlig unnötig. Der Wechsel geht mächtig in die Hose. Pollack ist chancenlos. Nun haben Zabel und Lampater alle Trümpfe in der Hand. Marvulli und Pollack haben nur noch eine theoretische Chance. Sie müssen die beiden letzten Wertungen gewinnen. Noch elf Runden. Die Glocke für die nächste Wertung. Marvulli fährt auf den Wechsel zu. In der Kurve nach dem Zielstrich, in die die Fahrer blind hineinfahren, weil die Kojen und die darüber gebaute Showbühne die Sicht versperrt. Da rummst es. Fahrer knallen in der Kurve oben an die Bande. Räder fliegen durch die Luft. Fahrer rutschen auf dem Hosenboden aus der Kurve.

Allen in der Halle stockt der Atem. Sofortiger Rennabbruch. Die Bahn öffnet sich und Olaf Pollack wird auf einer Trage aus der Halle getragen. Verdacht auf Schlüsselbeinbruch. Auch Danny Stam wird von Bahnarzt Dr.Peter Wendisch mit ins Krankenhaus geschickt. Das Becken soll sofort geröntgt werden. Andere hat es weniger schwer erwischt. Alexander Aeschbach und Sebastian Frey kommen mit Prellungen und Schürfwunden davon.

Patrick Sercu und Frank Minder machen deutliche Handzeichen: Schluss machen. Das Rennen ist entschieden. Wozu noch zehn Runden fahren? Hektische Diskussionen mit den UCI-Kommissären. Das Regelwerk sieht einen solchen Fall nicht vor. Wenn die zehn Runden nicht mehr gefahren werden, gilt das Rennen als abgebrochen und bleibt ohne Wertung. Auch die Fahrer sind sich uneins. Aeschbach und Hester wollen nicht mehr aufs Rad steigen. Der Hallensprecher erklärt dem Publikum die Situation. Einige Zuschauer rufen: aufhören, aufhören.

Nach einer halben Stunde sitzen sie doch wieder auf dem Rad. Einige Fahrer haben keinen Partner mehr. Das Rennen wird mit 15 verbleibenden Runden wieder aufgenommen. Die Fahrer reihen sich in der Reihenfolge des Klassements auf und fahren die letzten Runden in gemächlichem Tempo. Marvulli und Lampater fahren nebeneinander über den Zielstrich. Diese Geste der Solidarität kommt beim Publikum gut an. „Wir sind diese Runde für Euch gefahren“, sagt Franco Marvulli bei der Siegerehrung. Er kann kaum stehen. Das linke Knie geschwollen, die ganze Seite aufgerissen, tiefe Wunden auf dem Oberschenkel, war er zum Podest gehumpelt. „Ihr sollt uns auf dem Rad in Erinnerung behalten. Wir bedanken uns bei Euch für die großartige Unterstützung.“ Marvulli bekommt einen langen Applaus und zeigt sich als fairer Sportsmann: „Ich gratuliere Erik und Leif. Sie waren das beste Team über die sechs Tage.“

Franco Marvulli und Bruno Risi stehen ohne ihre Partner auf dem Siegertreppchen. Die Siegerehrung fiel viel verhaltener aus als üblich. Die Halle leert sich nur langsam. Überall stehen kleine Grüppchen um die Fahrer herum, Angehörige, Journalisten, Radsportfans und reden sich den Schock von der Seele. Und immer wieder eine Frage: Wie ist das passiert?

Ich habe mir die Filmaufnahmen immer und immer wieder angeschaut, um diese Frage zu klären. Es hat was mit den Besonderheiten der Bremer Bahn zu tun. Anders als auf den anderen Bahnen wird in Bremen in den steilen Kurven gewechselt, um Tempo zu machen. Der einwechselnde Fahrer fährt hoch oben auf der Balustrade und lässt sich zu seinem Partner herunterfallen. Durch den Gegendruck der Fliehkraft wird er dann aus der Kurve katapultiert und ist dadurch schneller als der ablösende Partner.

Marvulli fuhr nicht hinter sondern knapp neben Lampater in die Kurve hinein. Pollack war durch andere Fahrer behindert, die vor der Wertung nicht mehr wechseln wollten. Dadurch kam Pollack zu dicht an Marvulli heran, Marvulli konnte weder nach links noch nach rechts ausweichen, die beiden verhakten sich und rutschten die Kurve hoch. Aeschbach wollte ausweichen und stürzte kopfüber über seinen Lenker. Andere Fahrer kamen durch die Ausweichversuche zu Fall.

Franco Marvulli erklärte es mir so: „Normalerweise kippt man bei Stürzen nach innen. Jeder Fahrer weiß, wenn es scheppert, muss er sofort nach oben ausweichen. Ich bin aber unter Olaf gerutscht und hab ihn ausgehebelt. Wir sind beide nach oben gestürzt, genau dahin, wo jeder Fahrer nach einem Sturz spontan hin will.“

Dieses Finale wird allen, die es miterlebt haben, lange in Erinnerung bleiben.
Endstand nach der 6. Nacht
Pl. Mannschaft Runden Punkte
1. Erik Zabel (Ger) - Leif Lampater (Ger)   431
2. Olaf Pollack (Ger) - Franco Marvulli (Sui)   416
3. Bruno Risi (Sui) - Danny Stam (Ned)   345
4. Robert Bartko (Ger) - Alexander Aeschbach (Sui) +1 325
5. Léon Van Bon (Ned) - Kenny De Ketele (Bel) +3 239
6. Marc Hester (Den) - Luke Roberts (Aus) +5 316
7. Robert Bengsch (Ger) - Erik Mohs (Ger) +5 223
8. Christian Grasmann (Ger) - Andreas Müller (Aut) +8 173
9. Christian Lademann (Ger) - Sebastian Siedler (Ger) +15 153
10. Sebastian Frey (Ger) - Marcel Barth (Ger) +24 104
11. Daniel Musiol (Ger) - Christian Bach (Ger) +33 81
neutralisiert: Andreas Beikirch (Ger), Tristan Marguet (Sui)




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