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Interviews Live-Radsport Interview: Ex-Triathletin Lisa Hütthaler über ihre Dopingvergangenheit |
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23.07.2009 | |||||||
Live-Radsport Interview: Ex-Triathletin Lisa Hütthaler über ihre DopingvergangenheitInfo: Weitere Interviews von LiVE-RadsportAutor: Johann Reinhardt Lisa Hütthaler gehörte bis zum vergangenen Jahr zu den besten Triathletinnen Österreichs. Die 25jährige bestritt 2003 ihren ersten Triathlon und wurde letztlich 2007 österreichische Staatsmeisterin. Am 22. März 2008 nahm ihre Karriere eine Wende, als eine Trainingskontrolle positiv auf Blutdoping getestet wurde. Im Oktober 2008 sprach die NADA eine zweijährige Sperre wegen EPO-Dopings aus. Diese wurde am 6. April 2009 aufgrund eines umfassenden Geständnisses auf 18 Monate reduziert. Hütthaler hat aber bereits ihr Karriereende verkündet und stand Live-Radsport nun zu einem ausführlichen Interview über ihre Dopingvergangenheit zur Verfügung. Mir wurde von Beginn an meiner sportlichen Laufbahn ein Bild vom Sport vermittelt, das fünf Punkte beinhaltet, wenn man an die Weltspitze kommen will: Training, Regeneration, Ernährung, Umfeld und Doping! Diesen Weg bin ich gefolgt. Ich habe den einfachsten Weg gewählt. Ich habe zu unerlaubten Mitteln gegriffen, um besser zu werden ohne nachzudenken. Wie kamen Sie an Dopingmittel heran? Hatten Sie kein schlechtes Gewissen, da sie ja andere, die nicht dopten, beschissen haben? Wenn ein schlechtes Gewissen in meinem Kopf aufkam, war es ein Gedanke, den ich sofort wieder verdrängte. Ich habe mir selber eingeredet nicht zu dopen, damit ich nach außen hin besser lügen konnte. Bereuen Sie es, gedopt zu haben? Würden Sie erneut dopen? Ich bereue gedopt zu haben und so viele Menschen, inklusive meiner Familie belogen zu haben. Ich bin froh, dass ich letztendlich erwischt wurde, ansonsten hätte der Umdenkprozess in meinem Kopf nie stattgefunden und der Wahnsinn wäre weitergegangen. Gibt es Sportler, von denen Sie sagen, dass sie sauber sind? Ich glaube an den sauberen Sport und dass Höchstleistungen ohne Doping möglich sind. Aber ich lege für keinen Athleten die Hand ins Feuer. In einem Interview sagten Sie, sie könnten sagen, wer dopt vom Aussehen her. Wie wollen Sie das machen und stimmt die Aussage? Dazu möchte ich sagen, dass man dies nicht verallgemeinern darf. Aber fest steht, dass sich bei Personen, die zu unerlaubten Mitteln greifen, unter anderem die Haut verändert. Bei manchen Präparaten entstehen z.B. Unreinheiten am Rücken. Ich hatte diese Nebenwirkung nicht. Bei mir wurde die Haut nur sehr schnell sehr viel dünner. Wenn man die Veränderungen am eigenen Körper erlebt, kann man es auch bei manchen anderen Menschen gut erkennen. Sie unterrichten an Schulen und halten Vorträge. Was kommt darin vor, was wird behandelt? Unterrichten tue ich nicht, aber ich kläre die Jugendlichen in Vorträgen auf, wie es bei mir zu einer falschen Denkweise kam, warum ich zu Doping griff, was die Nebenwirkungen sind und dass dies der absolut falsche Weg ist. Fragen, wie beispielsweise ob Doping freigegeben werden soll, sind dabei keine Seltenheit. Doch dies ist unvorstellbar und darf nie in Betracht gezogen werden. Es wäre moralisch und gesundheitlich nicht zu verantworten. Was machen Sie sonst noch in ihrer sportfreien Zeit? Ich befinde mich in einer Ausbildung zum Ernährungsvorsorgecoach. Derzeit haben Dinge in meinem Leben Priorität, die immer zu kurz kamen: meine Familie, Freunde, Kino, Theater. Mit meinen Freunden treffe ich mich regelmäßig zum Inlineskaten oder Radfahren. Ich bewege mich sehr gerne und ich habe auch wieder Freude an der Anstrengung gefunden. Was raten Sie jungen Athleten, die mit Doping in Berührung kommen? Dass sie stark sein sollen, um der Versuchung, den falschen Weg einzuschlagen, widerstehen. Doping macht einen Menschen psychisch und physisch kaputt. Doping ist Betrug an sich selber und an anderen. Wenn jungen Sportlern unerlaubte Präparate angeboten werden, dann sollen sie dies sofort melden. Woher wussten Sie, dass Fahrer wie Kohl dopten? Welche Menschen/Sportler entlarvten Sie alles? Während meiner Zeit als Leistungssportlerin habe ich mich ganz auf mich und meine Ziele konzentriert. Nachdem ich erwischt wurde, habe ich niemanden entlarvt, sondern lediglich alle Menschen aus meinem Umfeld genannt, die diesen unerlaubten Weg beschreiten bzw. mit unerlaubten Mitteln handeln. Warum wurden Sie eigentlich ertappt und gingen den Fahndern nicht durch das Netz? Wäre ich zwei Stunden später kontrolliert worden, wäre ich negativ gewesen und wäre weiterhin Teil dieses Wahnsinns. Gott sei Dank lief es anders… Wie muss man sich die Monate nach ihrer positiven A-Probe vorstellen? Es ist die Hölle. Man ist psychisch komplett am Ende. Man hat sein Leben, sich selber und den Sport verloren. Ich bin nur noch im Bett gelegen und habe geweint. Nichtsdestotrotz habe ich weiter gelogen. Es hat lange gedauert, bis ich mir bewusst wurde was das einzige ist was mir mein Selbstwertgefühl wieder zurück gibt: Die Wahrheit! Warum gehen doch noch Sportler den Fahndern durch das Netz, obwohl es ein Abmeldesystem gibt? Was kann man dort noch verbessern und wie schaffen es Doper, dass sie nicht erwischt werden? Es gibt immer wieder neue Präparate, die nicht gefunden werden bzw. die Halbwertszeit so gering ist, dass alles bis am nächsten Morgen abgebaut ist. Das wichtigste Mittel zu einem dopingfreien Sport ist die Aufklärung von Jugendlichen. Es braucht ein stärkeres Verständnis von Moral, Ethik und Unrechtsbewusstsein. Ich hoffe, dass meine persönliche Geschichte dazu beiträgt. Gibt es Sportarten, bei denen vielleicht weniger gedopt wird, wenn ja warum? Wie bereits gesagt, ich glaube an einen sauberen Sport. Bestimmt gibt es Sportarten wo mehr oder weniger – vielleicht sogar gar nicht – gedopt wird. Es mag vielleicht auch daran liegen, dass manche Sportarten mehr und manche weniger weit entwickelt sind, vor allem im wirtschaftlichen Sinn. Warum packten Sie überhaupt aus? Würden Sie auch als Grund nennen, dass ihre Strafe vermindert wurde und, dass sie durch Vorträgen, Fernsehauftritten o.ä. weiter Geld bekamen oder wollten sie den Sport helfen und packten deswegen aus? Im Dezember 2008 konnte ich nicht mehr. Ich habe so viel gelogen und bin daran total zerbrochen. Daher habe ich bei den Behörden und der Nationalen Anti Doping Agentur alles gesagt was ich weiß. Von da an wusste ich, dass die Wahrheit der einzige Weg ist auf dem man glücklich werden kann. Die Verminderung der Sperre ist sicher ein wichtiges Signal für andere Athleten auch auszupacken anstatt trotz positiven Tests weiter zu leugnen. Ich bin heute sehr, sehr froh, dass ich es geschafft habe. Zum anderen möchte ich sagen, dass ich keinen Cent für irgendein Interview, einen Vortrag oder einen Fernsehauftritt bekommen habe. Ich hoffe sehr, dass sich in der Zukunft im Sport etwas ändern wird und ich etwas Positives für den Sport beitragen kann. Wie kamen Sie überhaupt zu den falschen Freunden und wie hätte man dies vermeiden können? Ich war ein naives, junges Mädchen, das nicht nachgedacht hat. Ich habe den falschen Menschen vertraut und ich habe Fehler gemacht. Heute kann ich nur versuchen aus meinen Fehlern zu lernen und andere mit meiner Geschichte davor zu bewahren. Was sind die größten Unterschiede zwischen Sportlern die Dopen und die, die nicht Dopen? Dopende Sportler betrügen andere aber vor allem sich selbst! Was haben Sie in der Zukunft noch vor? Ich möchte zur Ruhe kommen und ausgeglichen sein. Zuerst steht meine Familie im Vordergrund. Weiter möchte ich meine Ausbildung erfolgreich beenden und in der Dopingprävention tätig sein. Was sonst noch kommt steht in den Sternen… Wie sieht so ein ganzes Dopingnetwerk aus und ist es überhaupt möglich, da wieder heraus zu kommen? Natürlich ist es möglich aus dem Netzwerk heraus zu kommen. Zuerst muss man sich aber bewusst werden, dass das was man tut Betrug ist. Mich hatten erst der positive Test und mein darauffolgender kompletter seelischer Verfall wachgerüttelt. Wie oft dopten Sie jährlich? Hatten Sie Angst, erwischt zu werden? Die Angst ist ein ständiger Begleiter. Wenn man weiß, man hat etwas zu verbergen, ist man immer beunruhigt, dass Kontrolleure zu einem kommen. Man lügt sich aber an und redet sich ein, dass man nicht dopt, um in der Öffentlichkeit glaubwürdiger aufzutreten und keine Angst zu zeigen. Wie verlief ein Trainingstag? Um 8 Uhr stand ich auf. Um 9 Uhr ging es zum Schwimmen. Dann erholen, essen, ruhen, eventuell schlafen, E-Mails lesen und schreiben, lesen,… und dann kam die 2. Trainingseinheit. Am Abend hatte ich dreimal pro Woche eine Massage. Dann kümmerte ich mich um mein Privatleben, bevor es wieder ins Bett ging. Wussten Sie früher untereinander, welche Sportler dopten und welche nicht? Man spricht nur sachlich über Doping. Ich habe nicht gewusst, welche Sportler dopen und welche nicht. Ich habe auch immer gesagt, dass ich nicht dope! Ich will niemanden vorverurteilen. Was denken Sie, auf welcher Triathlon Strecke (Kurz oder Langdistanz) Doping verbreiteter ist? Warum? Ich denke, Doping ist ein Problem in sehr vielen Sportarten. Ich finde, man kann nicht sagen, dass auf einer Distanz mehr und auf der anderen weniger gedopt wird. Es darf gar nicht gedopt werden, egal ob Kurz- oder Langdistanz. |
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23.07.2009 | |||||||
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