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Interviews Jens Voigt – Wir berichten über ein Gespräch mit dem sympathischen Edelhelfer |
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26.06.2010 | |||||
Jens Voigt – Wir berichten über ein Gespräch mit dem sympathischen EdelhelferInfo: Nationale Meisterschaften 2010: Deutschland - Zeitfahren | Weitere InterviewsAutor: Felix Griep (Werfel) und Johann Reinhardt (Johann) Bericht: Martin holt sich den deutschen Zeitfahrtitel vor Teamkollege Gretsch und Voigt Jens Voigt ist einer der wenigen deutschen Radprofis, die immer offen ihre Meinung sagen. Er ist bodenständig, sehr erfahren und seine größte Aufgabe bei seiner nun schon 13. Tour de France ist es, den Kapitänen seiner Mannschaft zu dienen. Was er nach seiner Karriere macht, weiß er noch nicht genau. Aber eines ist sicher: er will lieber Golf spielen, als irgendeinen anderen Extremsport zu beginnen. Auch für das morgige Straßenrennen der Deutschen Meisterschaften hat er schon eine Taktik, um die in der Überzahl an den Start gehenden Milram-Fahrer zu ärgern. Die LiVE-Radsport Autoren Felix Griep und Johann Reinhardt sprachen gestern nach dem Zeitfahren mit dem Fahrer des Teams Saxo Bank, was sie wohl nicht so schnell vergessen werden.
Bereits gestern musste Jens Voigt auf das Rad steigen und war bei noch leicht nassen Straßen am Start des Einzelzeitfahrens. Dabei betonte er, dass die Rundfahrt in der Schweiz kurz zuvor keine optimale Vorbereitung auf die Deutsche Meisterschaft gewesen sei. „Die Tour de Suisse war in diesem Jahr ein sehr, sehr schweres Rennen. Es war sehr intensiv, es gab oft einen offenen Schlagabtausch, es gab jeden Tag schlechtes Wetter, es war immer kalt. Ich bin ja schon ein paar Jahre dabei. Die Tour de Suisse ist eigentlich nicht die beste Vorbereitung. Sie ist zu kurz an der Deutschen Meisterschaft dran, es ist ein ganz blöder Abstand. Es ist nicht genug, um Pause zu machen und neu aufzubauen, und es sind zu viele Tage dazwischen, um durchzuziehen.“ Trotzdem sprang beim ersten Rennen ein guter dritter Platz für Voigt heraus. Dabei musste er nur den beiden Fahrern des Teams HTC Columbia, Patrick Gretsch und Tony Martin, den Vortritt lassen. „Ich bin sehr, sehr glücklich. Ich habe mich halbwegs gut erholt von der Tour de Suisse und bin gesund geblieben. Der Tony ist ein Weltklassemann, er ist, denke ich, das größte Talent, was wir zurzeit haben, und von dem geschlagen zu werden ist keine Schande. Dann noch neben mir einen jungen Mann, der fast mein Sohn sein könnte. Aber so soll es ja auch sein, die Generationen müssen irgendwann wechseln und da ist es schon ganz vernünftig, so wie das jetzt ist“, so Voigt auf der Pressekonferenz weiter. Natürlich träumte er vom Titel, gab er ganz offen zu. Im nächsten Jahr möchte er auch einen erneuten Anlauf starten, um das erste Mal in seiner Karriere Deutscher Meister im Zeitfahren zu werden. Bisher stehen in dieser Disziplin fünf dritte Plätze zu Buche. „Qualität statt Quantität“ Morgen steht für den in Grevesmühlen geborenen Profi noch das Straßenrennen über insgesamt 20 Runden à 9,74 Kilometer auf dem Programm. Dabei müssen sich Voigt und sein Teamkollege Dominic Klemme gegen immerhin 16 gestandene Profis aus dem Team Milram wie zum Beispiel Gerald Ciolek oder Linus Gerdemann zur Wehr setzen. „Qualität zählt, nicht Quantität“, antwortet Voigt scherzhaft. Ich habe noch meinen Joker dabei, den Dominic Klemme. Der war im letzten Jahr immerhin Zweiter.
Möglicher Rekord 2011 bedeutet Voigt nichts, dafür aber ein Lob der Kapitäne Bereits zum 13. Mal wird Voigt am 3. Juli am Start der Tour de France stehen. Somit liegt er nur noch eine Teilnahme hinter dem deutschen Rekord von Erik Zabel zurück. Der Sprinter war insgesamt 14 Mal bei der wohl bedeutendsten Rundfahrt weltweit mit dabei. Voigt scheint allerdings nicht auf Biegen und Brechen den Titel des Deutschen mit den meisten Teilnahmen haben zu wollen. So ist ihm das erst gestern bewusst geworden, dass er 13 und „Ete“ 14 Teilnahmen hat. „Das ist genauso, wie man manchmal gefragt wird, ob man auf die Wertung bester Deutscher achtet. Das ist der allergrößte Quatsch“, so Voigt, dessen Ziel logischerweise ist, alle Fahrer eingeschlossen der Deutschen zu schlagen. Angreifen würde er noch einmal, wenn, so sagt er selbst, er einen Sponsor hätte, der ihm dafür ein schickes Auto vor die Tür stellt. Grundsätzlich ist er aber in diesem Jahr zufrieden und könnte das Kapitel Tour de France beenden, wenn er eine Ehrenrunde auf den Champs-Élysées gemacht hat. Außerdem würde er es als gute Tour bezeichnen, wenn die Gebrüder Schleck und Fabian Cancellara zu ihm sagen: „Jens, schön dass du dabei gewesen bist. Das war gut für uns.“ „Du kriegst ein enormes Feedback von den Zuschauern, die sich die Seele aus dem Hals schreien, die morgens um sechs, um sieben schon dastehen, um die besten Plätze an der Strecke zu bekommen, und vier bis fünf Stunden dort warten, um dich zu sehen. Das ganze Land Frankreich steht im Prinzip fast still während dieser Tour de France-Tage. Du erreichst eben Leute, die du sonst nie erreichen würdest, wie die Großmutter zu Hause oder die Frau, die beim Bügeln am Bügelbrett nebenbei Fernsehen guckt“, beschreibt er den Mythos der großen Schleife.
Voigt hat mit dem Kapitel Tour de France noch nicht abgeschlossen und eine Rechnung offen. So stürzte er im letzten Jahr auf der 16. Etappe der 96. Auflage in der Abfahrt vom Kleinen Sankt Bernhardt nur 30 Kilometer vor dem Ziel mit Kopf und Schulter auf den Asphalt. Im Anschluss kam er ins Krankenhaus. Er zog sich einen Jochbeinbruch sowie eine Gehirnerschütterung zu und lag unter anderem auf der Intensivstation. Manche Medien spekulierten bereits darüber, dass es seine letzte Tour gewesen sein könnte. Für Voigt war allerdings klar, dass er so nicht abtreten wollte. Dies war ihm schon am Abend nach seinem Sturz klar. Gleichzeitig betonte er gerade deshalb die Wichtigkeit des Funks, ohne den die Fahrer bei den Deutschen Meisterschaften auskommen mussten. „Ich verstehe auch die ganze Diskussion grundsätzlich nicht, dass der Funk abgeschafft werden soll. Ich bin ein ganz großer Befürworter vom Funk“, stellt Voigt seinen Standpunkt klar dar. Als bestes Beispiel nennt er seinen oben beschriebenen Sturz, als durch den Funk angesagt werden konnte: 'Achtung, da vorne steht ein Saxo Bank-Auto auf der Strecke, da liegt ein Fahrer auf der Piste, die Strecke ist halb gesperrt.' So konnten alle Fahrer um ihn herumfahren. „Da müsste mein Herz ja ein Affe sein“ Er weiß noch nicht, als was er nach seiner Karriere arbeiten wird. Aber eines ist sicher, er wird auf keinen Fall noch einmal einen Marathon laufen oder Triathlon machen. „Ich würde mit annähernd hundertprozentiger Sicherheit sagen: Nie im Leben tue ich mir noch einmal weh nach meinem Sport. Ich habe dann so viele Jahre diesen Sport gemacht und mir so oft und so lange weh getan. So eine Tour de France ist ein sehr schönes Rennen, aber es ist auch das härteste Rennen der Welt. Nie im Leben würde ich einen Triathlon machen oder einen Marathon machen. Also in deutlichen Worten: da müsste mein Herz ja ein Affe sein, um mir da noch mal so etwas anzutun. Ich werde vielleicht Golf, Bowling oder Schach anfangen. Aber das haben bestimmt auch schon andere vor mir gesagt und irgendwie sind die auch umgekippt.“ |
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26.06.2010 | |||||
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