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Anna van der Breggen holt WM-Gold nach Wahnsinns-One-Woman-Show
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29.09.2018

Anna van der Breggen holt WM-Gold nach Wahnsinns-One-Woman-Show

Info: STRASSEN-WELTMEISTERSCHAFT 2018 IN INNSBRUCK-TIROL
Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



Innsbruck, 29.09.2018 – Bei der Straßenrad-WM in Innsbruck hat Olympiasiegerin Anna van der Breggen sich den letzten großen Titel geholt, der in ihrer Sammlung noch fehlte. Im Straßenrennen der Elite-Frauen düpierte die 28-jährige Niederländerin die versammelte Konkurrenz, konnte sich bereits auf der vorletzten Runde absetzen und brachte sage und schreibe 3:42 Minuten Vorsprung ins Ziel. "Beste vom Rest" war Silbermedaillen-Gewinnerin Amanda Spratt (Australien), die ebenfalls solo ankam. Die Italienerin Tatiana Guderzo komplettierte das Podium mit nicht weniger 5:26 Minuten Rückstand.


Das Profil vom Straßenrennen der Frauen Elite

Lücke in den Palmarès ab heute geschlossen
Fast alles hatte Anna van der Breggen schon gewonnen: 2016 das olympische Straßenrennen und die Europameisterschaft, 2017 die Gesamtwertung der Women's WorldTour, zweimal den Giro d'Italia (2015, 2017), zweimal Lüttich-Bastogne-Lüttich (2017, 2018), viermal die Flèche Wallonne (2015-2018), das Amstel Gold Race (2017), La Course by Le Tour de France (2015) etc. etc. Nur Weltmeisterin war sie bislang noch nie, nicht einmal im U19-Bereich. 2015 holte sie in Richmond Silber auf der Straße und im Zeitfahren (sowie Bronze im Teamzeitfahren), 2017 in Bergen Silber im Einzel- und Teamzeitfahren und zuletzt waren in Innsbruck noch zwei silberne im Einzel- und Teamzeitfahren dazugekommen. Aber heute stand niemand mehr zwischen der 28-Jährigen und der WM-Goldmedaille. Der Parcours, der längste je von Frauen bei einer Weltmeisterschaft gefahrene, mit über 155 Kilometern, war der starken Bergfahrerin tatsächlich auch auf den Leib geschneidert, denn er hielt nicht weniger als 2400 Höhenmeter bereit. Einzig wie sich die Konkurrenzsituation in der eigenen Mannschaft gegenüber Zeitfahrweltmeisterin Annemiek van Vleuten gestalten würde, war die große Frage.

Van Vleuten kommt im ersten Streckenteil zu Fall
Eine Frage, die schon im ersten Streckenteil eigentlich beantwortet wurde. Denn kurz bevor es nach ca. 60 Kilometern den bis zu 14 % steilen Anstieg nach Gnadenwald hinaufging, kam Van Vleuten zu Fall. Eine norwegische Fahrerin war an einer Verkehrsinsel hängengeblieben und hatte mehrere andere mit sich gerissen. Anders als Remco Evenepoel im Straßenrennen der Junioren hatte die niederländische Co-Kapitänin zwar das Glück, dass mit Ellen van Dijk eine starke Teamkollegin bei ihr war und dass das Hauptfeld nicht allzu weit enteilen konnte, weswegen sie recht bald den Anschlus wiederfand. Aber irgendwas schien bei der zweifachen Zeitfahrweltmeisterin nach dem Sturz doch nicht ganz in Ordnung. Dass Van Dijk sich in einer Fluchtgruppe platzieren konnte, verschaffte den Niederländerinnen eine kleine Verschnaufpause. Vorne mit dabei waren auch die Finnin Lotta Lepistö, die zuvor schon mehrere Ausreißversuche unternommen hatte, die starke Dänin Cecilie Uttrup Ludwig sowie, man höre und staune, die spätere Bronzemedaillengewinnerin Tatiana Guderzo. Mit 23 Sekunden Vorsprung auf das noch ca. 90 Frauen starke Feld absolvierte dieses Quartett die erste Zielpassage vor der Hofburg in Innsbruck.

Niederländerinnen spielen die Karte Van der Breggen
Nun standen drei Runden à 24 km auf dem sogen. Olympia-Kurs an. Die Australierinnen führten nach und rissen das Peloton auseinander. Noch vor dem Ende des 8 km langen und bis zu 10 % steilen Anstieg nach Igls wurde die Gruppe, in der Lepistö bereits fehlte, gestellt. Nächste Ausreißerin war die US-Meisterin Coryn Rivera, eine namhafte Sprinterin und Klassikerfahrerin, die es 61 km vor dem Ziel probierte. Sie absolvierte die zweite Zielpassage mit 12 Sekunden Vorsprung und wurde wenig später von einer Verfolgergruppe mit Emila Fahlin (Schweden), Elena Pirrone (Italien), Malgorzata Jasinska (Polen) sowie erneut Ellen van Dijk und keiner Geringeren als der australischen Medaillenkandidatin Amanda Spratt aufgefahren. Etwa 42 km vor dem Ziel – die Zeitfahr-Dritte Van Dijk hatte am Igls-Anstieg bereits abreißen lassen müssen – ereignete sich dann die Szene, welche die Taktik der Niederländerinnen kenntlich machte. Van Vleuten griff aus dem kleinen Feld heraus an, aber offenbar nur, um Anna van der Breggen als Sprungbrett zu dienen. Die Olympiasiegerin und nicht ihre möglicherweise doch leicht verletzte Landsmännin war es, die zu den Spitzenreitern vorfuhr.

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Rückstand des Felds wächst unaufhörlich
Natürlich hätten die anderen Favoritinnen sofort reagieren müssen, aber es herrschte erst mal großes gegenseitiges Anschauen. Die Spitzengruppe zerfiel am Anstieg immer mehr und als Van der Breggen nach vorne kam, traf sie dort nur noch Amanda Spratt an. Für kurze Zeit führten beide gemeinsam das Rennen an, aber als die Australierin die Arbeit verweigerte, entschied Van der Breggen, lieber allein fahren zu wollen. Mit Entschlossenheit hängte sie die Emakumeen-Bira-Gesamtsiegerin ab und kam 33 Sekunden vor dieser über den Scheitelpunkt. Das Tempo in der großen Verfolgergruppe war nun erst recht raus; möglicherweise spielte auch die Tatsache, dass die Frauen ohne Funk unterwegs sein mussten, eine Rolle, denn so war der Ernst der Situation nicht leicht einzuschätzen. Außerdem sollte das Rennen noch gut eine Stunden dauern, also wer hätte sich exponieren und Jagd machen wollen? Die einsame Spitzenreiterin, die übrigens mit Scheibenbremsen unterwegs war, kam mit einem Vorsprung von 1:19 Minuten zur dritten und letzten Zielpassage. Es folgte die ebenso einsame Spratt und dann mit 3:06 Minuten Rückstand das Trio Rivera/Fahlin/Malgorzata. Aus dem Feld der Geschlagenen hatten sich außerdem drei weitere Fahrerinnen lösen können: Guderzo, welche die Rolle der offenbar kraftlosen Medaillenhoffnung Elisa Longo-Borghini einnahm, Karol-Ann Canuel aus Kanada und die Niederländerin Amy Pieters als recht überflüssige "Aufpasserin".

Schon wieder eine Boels-Dolmans-Weltmeisterin
Als es zum letzten Mal nach Igls hinaufging, schlossen die beiden Dreiergruppen sich zusammen, Rivera und Pieters mussten auf dem ungeliebten Terrain aber schnell zurückstecken. Guderzo erkannte ihre Chance, griff ihre Begleiterinnen an und eroberte sich so, inmitten eines Spaliers aus begeisterten Zuschauern, die dritte Position im Rennen. Obwohl sie die schnelle Abfahrt sicherlich mit der gebotenenen Vorsicht nahm, kam Anna van der Breggen praktisch schon in Innsbruck an, als die große Verfolgergruppe erst am Gipfel war. Bis zur Zielgerade blieb sie voll konzentriert – wie sie später sagte, hatte sie keine Information über ihren Vorsprung – und jubelte dort sehr verhalten. Erst später ließ sie ihren Freudentränen freien Lauf. Van der Breggen ist die vierte Weltmeisterin in Folge (!), die aus dem das Boels-Dolmans Cycling Team stammt. Außerdem bringt ihr Erfolg die Niederlande an die Spitze des WM-Allzeit-Goldmedaillenrankings, in dem Frankreich bisher gleichauf war.

Komplette Medaillensammlung für Guderzo
Van der Breggens Vorsprung von 3:42 Minuten war der zweitgrößte je bei einer Frauen-WM erzielte (1989 hatte Longo über 4 Minuten). Amanda Spratt holte, genau wie vor Jahresfrist Katrin Garfoot, Silber nach Australien und Guderzo machte mit Bronze ihre Medaillensammlung (Silber 2004, Gold 2009) komplett. Emilia Fahlin setzte sich im Sprint um den vierten Platz vor Jasinka und Canuel durch. Dann folgten mit "Edelhelferin" Van Vleuten, Pieters und Lucinda Brand gleich drei weitere Niederländerinnen. Den letzten verbliebenen Top10-Platz sicherte sich Ruth Winder aus den USA. Die deutschen Damen hatten außer in der Anfangsphase keine Akzente setzen können und durften mit Platz 18 durch Clara Koppenburg eigentlich noch zufrieden sein. In derselben Gruppe, mit 7:17 Minuten Rückstand, finishte der Schweizer Mountainbike-Star Jolanda Neff als 22te. Von den drei Österreicherinnen erreichten Angelika Tazreiter (59te) und Sarah Rijkes (81te und damit letzte gewertete Fahrerin) das Ziel; Martina Ritter hatte nach einem Defekt schon ganz zu Beginn nie ins Rennen gefunden. Ihr Karriereende hätte sich die 36-Jährige wohl anders vorgestellt.

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Video der Zielankunft






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