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Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW15)
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11.04.2020

Radsport in der Coronakrise: Die Stimmen der Woche (KW15)

Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



11.04.2020 – Zurzeit werden keine Radrennen ausgetragen, aber das heißt nicht, dass die Radsport-Szene verstummt ist. Geredet wird immer, zur Not über die Coronakrise. LiVE-Radsport.com hat die einschlägigen Medien durchstöbert und die Stimmen der Woche für Euch zusammengestellt.


Alle Beiträge der Serie „Die Stimmen der Woche“


06.04. – Viviani hat genug vom Indoor-Training

Am Montag wurde noch eingehend über die „De Ronde Lockdown Edition“, die virtuelle Version der Flandern-Rundfahrt 2020, diskutiert. Das Echo war größtenteils positiv. Der Sieger persönlich, Greg van Avermaet, dessen Mannschaft CCC von der Coronakrise besonders gebeutelt ist, meinte gegenüber dem Mitveranstalter Sporza: „Es war sehr schön im Fernsehen zu sehen, die Fans waren begeistert und die Sponsoren kamen gut ins Bild. Ich würde jetzt nicht jeden Tag so ein Rennen fahren, aber vielleicht so einmal die Woche.“ Es gibt allerdings auch noch etwas zu verbessern: „Die Grafik während der Ronde war noch nicht so toll. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich den Paterberg hochfuhr, als ich mich umsah. Sie müssen auch noch dafür sorgen, dass der Effekt des Windschattens besser funktioniert. Dann wird so ein virtuelles Rennen nicht zum Einzelzeitfahren.“

Der belgische Trainer Paul van den Bosch, der u. a. Tim Wellens und Thomas de Gendt betreut, zeigte sich gegenüber Sporza auch begeistert über Van Avermaets Leistung: "Er wiegt 76 Kilogramm und fährt 434 Watt im Mittel. Ungefähr 45 Minuten lang hat er also ca. 5,7 Watt pro Kilogramm getreten. Das sind, angesichts der Tatsache, dass sie auf der Rolle erbracht worden, gigantisch hohe Werte. Seine maximale Power ist 844 Watt. Sowas kann man nur bringen, wenn man sich echt verausgabt. Ich denke, genau das haben wir gesehen. Es war ein echtes Rennen.“

Elia Viviani (Cofidis) sieht indessen den Boom des Indoor-Trainings mit gemischten Gefühlen. „Ich bin mir nicht sicher, ob das jeder aushält“, wird der Europameister von Leggo zitiert. „Schon nach einem Monat ist es hart, das reicht, um dich verrückt zu machen. Du bist allein, in einem kleinen Raum. Es ist das komplette Gegenteil vom Rennfahren und Trainieren unter freiem Himmel. Zu Hause auf der Rolle zu schwitzen und zu leiden, ist etwas ganz Anderes.“

Derweil ist die Frage, findet die Tour de France statt und wenn ja wann und wie, immer noch offen. Emanuel Buchmann (Bora-Hansgrohe) sagte dem Sportinformationsdienst SID: „Wenn man das vielleicht um einen oder anderthalb Monate verschieben kann, sieht die Lage wahrscheinlich schon wieder besser aus. So wie im Moment die Lage aussieht, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Tour mit Zuschauern am 27. Juni – und der Tourchef hat ja angekündigt, dass nur mit Zuschauern gefahren werden soll – losgeht. Das halte ich schon für sehr, sehr, sehr schwierig.”



07.04. – Bardet möchte keine Extrawurst

Am Dienstag machte Tom Dumoulin (Jumbo-Visma) im Interview mit Sporza einen bemerkenswerten Vorschlag: „Es scheint mir sowieso eine tolle Idee, dass wir die ganze Saison um einen Monat nach hinten verschieben. Nicht nur dieses Jahr [notgedrungen wegen der Corona-Pause], sondern jedes Jahr. Mitte November ist hier oft noch fantastisches Wetter, in Belgien, den Niederlanden. Wenn wir Mitte Februar die Saison beginnen, haben wir oft noch Schnee. Also wäre eine Verschiebung um einen Monat nach hinten wirklich nicht schlecht.“

In Frankreich hat der Radsportverband diese Woche gefordert, dass für Radprofis die Ausgangssperre gelockert werden müsse, um ihnen ein Training draußen zu ermöglichen. Romain Bardet (AG2R-La Mondiale) ist gegen eine solche Sonderbehandlung, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. „Outdoor-Training wird nur dann wieder wichtig, wenn wir einen neuen Kalender haben“, wird der Tour-de-France-Bergkönig von Le Monde zitiert. „Momentan wäre es nur ein Privileg, eine individuelle Erleichterung, aber jeder hat die Ausgangssperre satt. Wenn die Profis draußen fahren dürfen, dann wollen das die Amateure auch. Und wenn wir eine Lockerung der Regeln zulassen, wäre das kein positives Signal. Momentan wäre das nur egoistisch.“

Gegenüber Het Nieuwsblad erklärte Thomas de Gendt (Lotto Soudal), warum er und seine Kollegen in der Coronakrise zu gewissen Einschnitten bereit sind: „Niemand verzichtet gerne auf Geld. Das ist etwas, das dir vertraglich zugesichert wurde, worauf du ein Anrecht hast. Unsere größten Sponsoren – Lotto, Soudal, Caps, Ridley – verlieren aber einen großen Teil ihres Einkommens. Wenn wir nun wie immer an unseren Verträgen festhalten, dann ist am Ende des Jahres kein Geld mehr übrig und die Mannschaft ist pleite. Es musste etwas passieren, denn sonst hätten wir in den letzten drei Monaten der Saison keine Mannschaft mehr gehabt.“



08.04. – Kittel vergleicht Scheldeprijs mit Champs-Elysées

Am Mittwoch machte Sport.be darauf aufmerksam, dass bei sportlichen Aktivitäten an der frischen Luft wie Joggen oder Radfahren – was in manchen Ländern nach wie vor erlaubt ist – die üblichen Abstandsregeln nicht ausreichen. „Wer hustet oder niest, versprüht eine Tröpfchenwolke“, erklärte dort ein Hochschullehrer der KU Leuven. „Wenn man in diesem Augenblick stillsteht, ist ein Abstand von 1,5 Metern ausreichend, damit andere damit nicht in Kontakt kommen. Aber wer in Bewegung ist, lässt hustend oder niesend in seinem Windschatten Tröpfchen zurück und die Gefahr ist groß, dass die nachfolgende Person durch die Wolke fährt und Tröpfchen abbekommt. Je schneller man fährt, desto größer ist das Risiko, dass man in Kontakt kommt mit den Tröpfchen des Vorausfahrenden.“

Der achte April wäre der Termin des Scheldeprijs gewesen, wenn nicht die Corona-Pandemie auch dieses Rennen vereitelt hätte. Radsport-News.com hat Ex-Radprofi Marcel Kittel, den 5-fachen Sieger, zur inoffiziellen Weltmeisterschaft der Sprinter befragt. „Nach zwei, drei Siegen weiß man dann: Das ist dein Ding, da bist du zu Hause. Für mich war es jede Saison ein erster Saisonhöhepunkt, der Abschluss meines Frühjahrs. Ich bin ja selten Roubaix gefahren und habe danach meist eine Pause gemacht, bevor ich dann für den Sommer aufgebaut habe. Deshalb war ich dort immer heiß. Es ist ein bisschen so wie die Champs-Elysées: Das ist auch kein schweres Rennen, aber das wissen eben auch alle. In Paris oder auch beim Scheldeprijs muss man einfach nur gut ins Finale kommen – und dann wollen alle gewinnen. Wenn man sich dann durchsetzen kann, ist es eine besondere Genugtuung.“

Cyclingnews interviewte den früheren Teamleiter von BMC und UAE-Team Emirates, Alan Peiper, der sich gerade von einer zweiten Chemotherapie erholen muss und in der gegenwärtigen Situation unbedingt als Corona-Risikopatient gelten würde. „Letzte Woche hatte ich noch Angst, mich anzustecken. Ich habe wahrscheinlich ein unterdrücktes Immunsystem wegen meiner Chemo letztes Jahr. Ich war besorgt, ob ich mit jemandem Kontakt gehabt hatte, machte mir aber auch Sorgen um meinen Job und wie die Dinge mich und alle um mich herum betreffen würden. Ich habe diese Phase aber hinter mir, weil mit klar geworden ist, dass ich das Meiste nicht kontrollieren kann, außer ich komme mit jemanden in Kontakt, der das Virus hat. Aber ich habe einen gewissen Lebensrhythmus gefunden und das hilft mir im Alltag. Ich war fünf Jahre in Krebsbehandlung. Es gab Augenblicke, wo ich um mein Leben fürchtete. Das hat mir für jetzt vermutlich geholfen, denn einmal, als meine Zellenanzahl sehr, sehr niedrig war, musste ich letztes Jahr schon für zwei Wochen in Isolation. Heute Morgen habe ich gelesen, dass wir 36 Covid-19-Fälle hier in Geraardsbergen haben, man sieht also, das Virus kommt überallhin.“



09.04. – Evenepoel huldigt Teamplayer Gilbert

Am Donnerstag ging Velonews der Frage nach, die momentan evtl. so manchen beschäfigt: Soll ich mir eine eine klassische freie Rolle oder einen modernen smarten Rollentrainer für mein Indoor-Training kaufen? (sofern überhaupt noch Geräte zu haben sind, die Nachfrage ist riesig). Das Fazit lautete: „Wenn man nur Geld oder Platz für eines von beidem hat und man die volle Bandbreite seiner Trainingszonen nutzen möchte, muss es wohl ein Turbotrainer sein. Aber wenn man in seinem Leben Platz für beides hat, alle Sprints und Bergfahrten draußen machen möchte oder ein Ausdauerspezialist ist, der nicht unbedingt im roten Bereich fahren muss, ist die freie Rolle eine großartige Möglichkeit, das Training abwechslungsreich und interessant zu halten.“

Sporza brachte ein Interview mit der ehemaligen Radsportlerin Grace Verbeke, die bis heute die einzige belgische Siegerin der Flandern-Rundfahrt für Frauen ist. „Ich bin noch immer überrascht, wenn Fremde mich auf meinen Sieg bei der Ronde [2010] ansprechen. Ich selbst denke selten an diesen Erfolg zurück. Meine Trophäe steht im Centrum Ronde van Vlaanderen in Oudenaarde. Und das Podiumsfoto habe ich zu Hause auch nirgends aufgehängt. Als ich die Ronde gewann, habe ich 1000 Euro Preisgeld bekommen, die wir unter 6 Fahrerinnen aufteilen mussten. Von der Mannschaft bekam ich eine Siegprämie von 50 Euro. Aber ich bin nie Rennen gefahren, um reich oder bekannt zu werden. Ich ärgerte mich manchmal über Frauen, die Aufmerksamkeit bewusst suchten. Sie trugen rosa Rennsocken und saßen mit viel Make-up auf dem Rad. Ich bin nur für den sportlichen Aspekt Rennen gefahren.“

Cyclingnews befragte Shooting Star Remco Evenepoel (Deceuninck Quick Step) zu seinen Vorbildern und Helden. Gleich nach seinen Eltern nennt der Vizeweltmeister im Zeitfahren seinen ehemaligen Teamkollegen Philippe Gilbert (jetzt Lotto Soudal): Diesen habe er schon als 12-Jähriger bewundert. „Seitdem habe ich ihn getroffen, bin mit ihm Rennen gefahren und habe ihn kennengelernt. Wir begannen eine Freundschaft, und was so bemerkenswert an ihm ist, ist die Tatsache, dass er nicht nur ein Champion auf dem Rad ist, sondern auch neben dem Rad. Bei der belgischen Meisterschaft letztes Jahr war ich in der Ausreißergruppe. Es sah aus, als wäre ich in einer guten Position und über Funk sagte er immer: ‚Zieh durch, zieh durch‘. Leider lief es in der Gruppe mit den Anderen nicht gut und wir mussten unsere Pläne ändern, aber was ich aus der Geschichte mitgenommen habe, ist, dass wenn Phil fühlt, dass jemand anders in seiner Mannschaft gewinnen kann, dann wird er ihn 100 % unterstützen. Er ist ein großer Champion und ein noch größerer Teamplayer.“



10.04. – Porte flüchtet sich in den Supermarkt

Am Freitag analysierte Radsport-News.com die bisherige Karriere von Paris-Nizza-Gesamtsieger Maximilian Schachmann (Bora-Hansgrohe) und ließ seinen langjährigen Manager Jörg Werner zu Wort kommen. „Was ihn immer schon ausgezeichnet hat war, dass es nie Löcher gab. Es ging immer Schritt für Schritt weiter voran in seiner Entwicklung. Jetzt kommt er langsam an das heran, was er zu leisten imstande ist. Er ist noch lange nicht am Ende, da kann noch viel kommen. Auch, weil er die nötige Intelligenz mit dem richtigen Willen verbindet und fleißig und ehrgeizig ist. Sicher hat es ihm das auch an einigen Stellen schwerer gemacht, weil es als Arroganz oder übertriebenes Selbstbewusstsein ausgelegt werden kann. Aber es ist ein ganz ehrliches Selbstbewusstsein. Max würde nie sagen, dass er sich etwas zutraut, nur um es zu sagen. Wenn er das sagt, dann weiß er, dass er es kann. Und das ist eine Qualität, die nicht viele haben.“

Im Interview mit Cyclingnews sagte Tour-Down-Under-Sieger Richie Porte (Trek-Segafredo), der momentan den „Lockdown“ in Monaco erlebt und bald zum zweiten Mal Vater wird: „Das Gute daran ist, dass man mehr Zeit mit der Familie verbringen kann, und einen Zweijährigen zu Hause zu haben, beschäftigt dich und schafft dich. Wenn man einmal pro Tag eine Stunde aus dem Haus darf, um einkaufen zu gehen oder so, also, ich habe nie gedacht, dass der Supermarkt ein Zufluchtsort sein könnte. Momentan muss ich einfach so viel auf der Trainingsrolle sitzen, wie ich kann, und versuchen, die Form zu halten, die ich habe. Irgendwann wieder nach draußen zu gehen und zu trainieren, wird ein absoluter Segen sein: etwas das ich wohl nie wieder für selbstverständlich halten werde, einfach die Möglichkeit, draußen Rad zu fahren.“







Remco Evenepoel (Foto: twitter.com/Cyclingnewsfeed/)
Remco Evenepoel (Foto: twitter.com/Cyclingnewsfeed/)

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