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Charlotte Becker - Die neue deutsche Meisterin im Interview mit LiVE-Radsport

30.06.2010

Charlotte Becker - Die neue deutsche Meisterin im Interview mit LiVE-Radsport

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Info: Nationale Meisterschaften 2010: Deutschland - Straßenrennen | Weitere Interviews
Autor: Felix Griep (Werfel) und Johann Reinhardt (Johann)
Bericht: Silber im Zeitfahren, aber Gold auf der Straße für Charlotte Becker. Arndt verpasst Double nur knapp

Strahlende Gesichter gab es bei den deutschen Meisterschaften in Sangerhausen viele zu sehen, doch das bezauberndste Lächeln der DM zeigte zweifelsohne Charlotte Becker. Den LiVE-Radsport.com-Reportern stand die neue Straßenmeisterin Sonntag am Rande des Rennens der Männer für ein Interview bereit, in dem sie Auskunft über ihren weiteren Saisonverlauf gab und ihren Erfolg vom Vortag noch einmal Revue passieren ließ.

Nachdem sie zwei Tage selbst höchst erfolgreich aktiv war, konnte man Charlotte Becker auch sonntags an der Sangerhäuser Runde entdecken, die mit schönstem Sommerwetter zum Zuschauen einlud. Nach der Vizemeisterschaft im Zeitfahren und dem Gewinn des Straßenrennens unterstützte die sympathische Berlinerin, geboren vor 27 Jahren im nordrhein-westfälischen Datteln, die Cervélo-Crew an der Verpflegungszone entlang des Anstiegs am Rosarium. Zwischen zwei Durchfahrten des Feldes nutzten wir die Zeit, um ein Erinnerungsfoto für Werfel mit Charlotte Becker zu knipsen und die Heldin des Vortages zu befragen, wie die Feierlichkeiten nach einem ihrer größten Erfolge aussahen.

" Schöne Zeit gehabt jetzt den ganzen Tag hier in der Sonne. Ich bin ja hier geblieben und war im Hotel von unserem Team. Die Jungs haben heute noch ihr Rennen und die Betreuer können natürlich hier auch nicht einen draufmachen. Also klar, wir haben noch angestoßen und ein bisschen zusammengesessen und uns gefreut, aber das war‘s dann auch, das hat auch gereicht. Wenn ich zu Hause in Berlin bin, werde ich bestimmt noch ein bisschen feiern. "

Was die Männer gerade boten, bezeichnete Becker als "ein echt krasses Rennen, die fahren schon richtig stark". Sie selbst hatte bereits gezeigt, wie man richtig stark fährt, besiegte die früheren Meisterinnen Judith Arndt und Trixi Worrack tags zuvor in einem Dreikampf, den sie selbst früh im Rennen initiierte. Vor dem Start sah sich Becker nicht als absolute Außenseiterin, hätte mit dem großen Wurf aber dennoch keinesfalls gerechnet.

" Ja gut, so ein ganz großer Außenseiter war ich nun nicht. Ich will mich jetzt auch nicht so ganz klein machen, aber dass ich gewinne, hätte ich nicht gedacht, natürlich nicht. Die Gruppe kam so zustande, dass ich attackiert habe und dann natürlich auch die beiden Richtigen gleich an meinem Hinterrad waren. Und ich dachte, wenn eine Gruppe geht, dann sind die richtig gut dafür, weil die fahren auch richtig mit. Was normalerweise viel zu früh war. Wir wollten eigentlich ein bisschen später anfangen mit Attackieren, aber die Chance habe ich dann halt genutzt. Ich dachte mir zwischendurch, das ist noch ein bisschen lang bis zum Ende, aber es hat ja dann doch gereicht. "

Sie schilderte uns das Rennen aus ihrer Sicht und zog ihr Fazit über den Sangerhäuser Rundkurs, der den vollauf zufriedenen Organisatoren zufolge im nächsten Jahr durchaus wieder Schauplatz der DM sein könnte.

" Wir sind bis zum letzten Kilometer normal gefahren, haben uns zu zweit abgewechselt, Trixi hat sich ein bisschen rausgehalten. Der letzte Kilometer war dann schon ein bisschen Angucken, obwohl ich genau wusste, dass ich Judith von meinem Hinterrad nicht mehr weg kriege. Das hatten wir beim Weltcup in Spanien schon so gehabt. Obwohl sie dann auf der Zielgeraden doch noch mal ganz kurz neben mich kam, noch mal vorbeigefahren ist. Da musste ich den längeren Weg außen rum nehmen und hab es dann doch noch ganz gut hingekriegt und hatte wohl noch die größeren Kraftreserven gehabt zum Schluss. So fünfzig Meter vor dem Ziel habe ich dann gewusst, dass ich gewinne. "

" Also es gibt schon schwerere Kurse, so schwer ist er nicht. Aber man hat viele Möglichkeiten zu attackieren, weil er auch sehr kurvenreich ist und man schnell außer Sichtweite ist, was das ganze Rennen natürlich auch schnell macht. Leicht ist er nicht. Also mir gefällt der Kurs. "

Und wie sieht es mit dem Ziel Titelverteidigung 2011 aus? Da zeigt sich Charlotte Becker ganz als Team-Playerin.

" Titelverteidigung fürs Team, würde ich sagen, egal wer das Trikot dann trägt, Hauptsache eine vom Team. "

Mit der Ladies Tour of Qatar begann Charlotte Beckers Saison bereits im Februar, es steht ihr aber dieses Jahr aber noch weiter ein schweres Programm bevor. Zunächst gibt es einen Wechsel von der Straße auf die Bahn, wo sie vor zwei Jahren den nationalen Titel in der Einzelverfolgung holte. Als Nachwuchsfahrerin verdiente sie sich in den Velodromen ihre ersten Lorbeeren, wurde beispielsweise Europameisterin in den Jahren 2004 und 2005. Auf der Straße folgt dann ein straffes Programm Richtung Weltmeisterschaft in Australien.

" Ich mache jetzt ziemlich direkt weiter. Jetzt kommt noch die Bahn-Deutsche-Meisterschaft, die ich fahren muss und dann ziemlich viele Rundfahrten. Thüringen-Rundfahrt, Weltcup in Schweden und Route de France, Holland Ladies Tour, Toskana-Rundfahrt und dann WM. Das ist noch ein ganz schön hartes Programm, das werde ich hoffentlich alles gesund durchziehen. "

" Die Route de France bin ich noch nicht gefahren. Ansonsten kenne ich die anderen Rundfahrten und Rennen schon von den Vorjahren und da hat man natürlich auch seine Vorlieben und manche Rennen, die man nicht so gerne mag. Es ist schade, dass ich dieses Jahr den Giro nicht fahren kann, der ist jetzt gleichzeitig mit der Bahn-Deutschen-Meisterschaft. Das ist mein absolutes Lieblingsrennen, den Giro fahre ich absolut gerne. So ein Rennen wie Schweden liegt mir auch, da ist dann Weltcup, Straßenrennen und Mannschaftszeitfahren, das sind zwei schöne Rennen. Bei der Thüringen-Rundfahrt denke ich, werde ich mich selber ein bisschen zurückhalten und sie eher als Training nutzen. Ich kann ja nicht auch immer nur Vollgas fahren. Vielleicht ist da auch mal jemand anderes an der Reihe. "

Die Umstellung mitten in der Saison von der Straße auf die Bahn fällt natürlich nicht leicht, zumal sich auch das Programm der Bahn-DM nicht mit dem neu eingeführten olympischen Programm deckt.

In den Jahren 2007 bis 2009 fuhr Charlotte Becker für die Equipe Nürnberger Versicherung, wechselte in dieser Saison zum Cervélo TestTeam, in dem die 27-Jährige kürzlich ihr erstes Weltcup-Rennen gewann und jetzt die deutsche Meisterschaft für sich entschied.

Wichtigste Erfolge:
2010: Weltcup GP Ciudad de Valladolid, Nationale Meisterschaft Straße
2009: 1 Etappe Internationale Thüringen Rundfahrt, Albstadt-Frauen-Etappenrennen + 1 Etappe
2008: Holland Ladies Tour
2006: Nationale Meisterschaft Zeitfahren
2005: 1 Etappe Eko Tour Dookola Polski

" Ich starte im Punktefahren und der Einerverfolgung, das sind auch die einzigen Ausdauerdisziplinen, die in Deutschland stattfinden. Komisch, obwohl Mannschaftsverfolgung und Omnium olympisch sind, wird das nicht ausgetragen. "

" Normalerweise ist die Bahn-Saison ja im Winter, deswegen finde ich es auch ziemlich unklug von den Deutschen, dass sie die Bahn-Meisterschaft im Sommer machen, weil fast alle anderen Nationen machen die auch im Winter. Deswegen passt das eigentlich überhaupt gar nicht rein. Was dieses Jahr vielleicht nicht ganz so schlimm ist, weil sie in Cottbus auf einer Betonbahn ist und ich mich gar nicht so speziell drauf vorbereiten werde. Dann komme ich halt von der Straße und nehme das so wie es kommt, entweder ich fahre gut oder nicht. "

Wir wünschen Charlotte Becker für die Bahn-DM sowie für alle weiteren anstehenden Aufgaben selbstverständlich viel Erfolg und würden uns freuen, sie auch im kommenden Jahr wieder live in Sangerhausen, aber natürlich auch überall sonst jubeln zu sehen.