<< älterer Bericht  | zurück zur News |  neuerer Bericht >>
Start > Saisonrückblicke
In Memoriam – gewidmet den 2010 verstorbenen Radsportlern
Suchen Saisonrückblicke Forum  Saisonrückblicke Forum  Saisonrückblicke
16.12.2010

In Memoriam – gewidmet den 2010 verstorbenen Radsportlern

Info: Cyclistmas bei LiVE-Radsport: Adventskalender, 18. Dezember - Im Jahr 2009 verstorbene Radsportler
Autor: Heike Oberfeuchtner (H.O.)



16.12.10 – Sicherlich ist es angenehm, wenn Jahresrückblicke sich in erster Linie mit den schönen Momenten der letzten zwölf Monate befassen. Heute soll allerdings die Rede von etwas Traurigem sein, nämlich davon dass nicht alle, die mit uns das Jahr begannen, auch den Jahreswechsel erleben werden. Über 65 aktive, ehemalige und angehende Radprofis haben uns 2010 für immer verlassen. An einige von ihnen möchte LiVE-Radsport.com im Folgenden erinnern.


Dezember... Monat der Lebkuchen, Christstollen und – der Jahresrückblicke.
LiVE-Radsport.com wird bis zum Weihnachtsfest das Jahr 2010 für Euch
aus verschiedenen Blickwinkeln einer Retrospektive unterziehen.


Laurent Fignon verliert Kampf gegen den Krebs
Groß war die Bestürzung allenthalben, als am 31. August die Nachricht vom Tod des zweimaligen Tour de France-Siegers Laurent Fignons an die Öffentlichkeit drang. Etwas über ein Jahr zuvor war bei dem Franzosen Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden, eine besonders aggressive Krebsform, und trotz mehrerer Chemotherapien und ungebrochenem Überlebenswillen verlor Fignon den Kampf gegen das metastasierende Ungetüm, drei Wochen nach seinem 50. Geburtstag. Kurz vor seinem Tod hatte er, von der Krankheit schwer gezeichnet, noch die Tour de France 2010 für das französische Fernsehen kommentiert – jenes Rennen also, dem er in den Jahren 1983 und 1984 seinen Stempel aufgedrückt hatte. Unvergessen bleibt auch die Frankreichrundfahrt 1989, bei der Fignon sich bis zum Schlusstag einen legendären Zweikampf mit dem späteren Sieger Greg LeMond lieferte. Vom selben Jahr datiert sein Gesamtsieg beim Giro d’Italia und sein zweiter Erfolg bei Mailand-San Remo. Von seinen Erlebnissen als Berufsradfahrer berichtet Fignon in seiner Autobiografie, die wenige Wochen vor seinem Krebstod in deutscher Übersetzung erschien. Inwiefern sein Verdacht, die Krankheit könne mit seinen früheren Doping-Praktiken zusammenhängen, zutrifft, wird wohl nie geklärt werden. LiVE-Radsport.com widmete Fignon posthum den Ehrenpreis im Rahmen des CycleAwards 2010.

Jure Robic stirbt bei Trainingsunfall
Ein weiterer Schock durchfuhr die Radsport-Welt kurze Zeit später. Der slowenische Extremradsportler Jure Robic stieß am 24. September beim Training im heimischen Jesenice mit einem Auto zusammen und starb an den schweren Verletzungen. Robic hat sich mit seinen fünf Siegen beim Race Across America in die Geschichtsbücher des Radsports eingetragen; seinen letzten Erfolg beim fast zweiwöchigen Ausdauer-Rennen quer durch die Vereinigten Staaten holte er im Juni dieses Jahres. Zuvor war er bereits 2004, 2005, 2007 und 2008 als Stärkster aus dem RAAM hervorgegangen. Ein 24-Stunden-Weltrekord 2004 und der Gewinn der Tour Ultime 2005, bei der die Tour de France-Strecke ohne Pause nachgefahren wurde, gehören ebenfalls in die Palmarès des Mannes, der mit 45 Jahren aus dem Leben gerissen wurde und eine Frau und einen Sohn im Kleinkindalter hinterließ.

Zu viele Unfalltode junger Fahrer
Überhaupt kosteten Unfälle viel zu viele Radsportler in diesem Jahr das Leben – und es traf auch die ganz Jungen. Wir alle erinnern uns wohl noch an das Unglück, das den 19-jährigen Italiener Tomas Casarotto beim Giro del Friuli ereilte. Auf der dritten Etappe blieb er am Außenspiegel eines Begleitfahrzeugs hängen, zog sich schwerste Verletzungen zu und verstarb nach vier Tagen komatösen Zustands am 10. September in einem örtlichen Krankenhaus. Kollisionen mit Lieferwagen während des Trainings waren zuvor sowohl dem Franzosen Nicolas Vaillant wie dem Dominikaner Leonardo Grullón García zum Verhängnis geworden. Vaillant, u. a. Etappensieger bei der Tour de Valromey, starb einen Monat nach seinem 21. Geburtstag am 19. Februar 2010. Grullón Garcia, der in Südamerika schon einige Erfolge hatte einfahren können, verunfallte am 22. April im Alter von 24 Jahren. Wenig Aufmerksamkeit fand hierzulande das Schicksal des Bolivianers Milton Clares, der am 25. April im U23-Meisterschaftsrennen seines Heimatlandes in einer Abfahrt zu Fall kam. Mit unvorstellbarer Wucht prallte er Kopf voran gegen die Absperrungen, wobei sein Helm entzwei ging. Clares war auf der Stelle tot. Einen Tag zuvor hatte der 19-Jährige im U23-Zeitfahren noch die Silbermedaille gewonnen.

Große Namen: Franco Ballerini und Radomir Simunek
Große Ex-Radprofis verlor die Welt in diesem Jahr. Am 7. Februar kam Franco Ballerini bei einer Amateur-Rallye, an der er als Beifahrer teilgenommen hatte, ums Leben. Zwei Siege bei Paris-Roubaix (1995, 1998) und weitere Erfolge bei den Klassikern zieren seine Palmarès. Seit 2001 fungierte er als Auswahltrainer der italienischen Nationalmannschaft und führte Paolo Bettini zu Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen (2004) und bei der WM (2006/07), ebenso wie er hinter den WM-Siegen von Cipollini (2002) und Ballan (2008) stand. Ballerini wurde 45 Jahre alt und hinterließ ein Loch im Herzen vieler italienischer Radsportler und Fans. Ebenfalls erst 48 Jahre zählte Radomir Simunek, als er am 10. August in Prag an einer schleichenden Leberzirrhose starb. Der Tscheche feierte als Radcrosser sowohl national wie international große Erfolge. Er war der Erste, der bei den Junioren (1980), bei den Amateuren (1983/84) und bei der Elite (1991) den Weltmeisterschaftstitel einfahren konnte und setzte sich bei Rennen in ganz Europa immer wieder gegen die flämischsprachige Konkurrenz durch. Auch nachdem er 1992 wegen eines von ihm verschuldeten Autounfalls einige Monate im Gefängnis gesessen hatte, führte er seine Karriere recht erfolgreich noch sechs Jahre lang fort. Sein Sohn, Radomir Simunek junior, ist ebenfalls Radcross-Elitefahrer und wurde von seinem Vater trainiert.

Jüngst gemeldete Todesfälle
Vor einigen Wochen erst, am 13. November, starb im Alter von 80 Jahren der Belgier Richard Van Genechten, der sich in seiner Zeit als Radprofi (1953-1961) einen Ruf als guter Kletterer und Klassikerfahrer machte. Unter anderem triumphierte er bei der Flèche Wallone (1956) und der Polymultipliée (1954+56), wurde Gesamtsieger der Katalonien-Rundfahrt (1958) sowie Dritter der Tour de France-Bergwertung 1954. Vor wenigen Tagen erreichte uns noch die Meldung vom Tod Jean Kirchens, des Großonkels von Kim Kirchen, dessen Karriere bekanntlich momentan aufgrund wiederkehrender Herzprobleme in der Schwebe ist. Jean Kirchen war Profi von 1942 bis 1953, erreichte zweimal die Top5 der Tour de France, gewann u. a. seine Heim-Rundfahrt und wurde luxemburgischer Meister auf der Straße und im Radcross. Er war 90, als er am 30. November starb.

Blicke in die ferne Vergangenheit
Erinnert werden soll an dieser Stelle auch noch Sportler, deren große Zeit schon ein bisschen länger her ist und die uns deswegen vielleicht nicht mehr so im Gedächtnis sind, etwa der Italiener Nino Defilippis, der Etappen bei allen Grands Tours gewann und 1961 Vize-Weltmeister wurde. Er starb am 13. Juli im Alter von 78 Jahren in Turin. Fermo Camellini war ebenfalls gebürtiger Italiener, tauschte aber seine Staatsbürgerschaft später gegen die französische ein. Bis zu seinem Tod am 27. August war er der letzte noch lebende Etappensieger der ersten Dauphiné-Rundfahrt (1947) und mit 96 Jahren der älteste noch lebende Sieger von Paris-Nizza, wo er 1946 die Gesamtwertung für sich entschied. Auf ein langes Leben zurückblicken konnte auch der Franzose Guy Lapébie, der am 8. März 93-jährig verstarb. Lapébie war sowohl auf der Straße wie im Bahnradsport aktiv, wurde u. a. 1948 Gesamtdritter der Tour de France (die sein Bruder Roger 1937 gewann) und feierte Anfang der Fünfziger zahlreiche Siege bei Sechstagerennen. Seine größten Erfolge aber waren zwei Gold- und eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Sechstagerennen spielen auch eine besondere Rolle in den Palmarès von Lucien Gillen, eines der größten Bahn-Radsportler Luxemburgs. Gillen gewann mehrere Medaillen bei Weltmeisterschaften, siegte zwischen 1952 und 1964 u. a. in Dortmund und dreimal in Kopenhagen und wurde natürlich unzählige Male Meister seines kleinen Heimatlandes, wo er am 11. August 81-jährig die Augen für immer schloss.

Ein Schweizer Radsport-Urgestein starb am 24. April: der elfmalige Landesmeister Alfred Rüegg, auch „Fredy“ genannt. Rüegg feierte mehrere Etappensiege bei der Tour de Suisse und den Gesamtsieg seiner Heimatrundfahrt im Jahre 1960. Er wurde 75. Den Altersrekord derer, an die heute erinnert werden soll, hält der Deutsche Erich Junge, der von 1926 bis 1933 Profi war und in den Zwanzigerjahren bei den Sechstagerennen in u. a. Berlin und Frankfurt mit um den Sieg kämpfte. Als er in Breslau, heute Polen, geboren wurde, regierte noch ein Kaiser über Deutschland. Junge starb am 25. Juli 2010 - mit 103 Jahren.





In Memoriam – gewidmet den 2010 verstorbenen Radsportlern
In Memoriam – gewidmet den 2010 verstorbenen Radsportlern

Zum Seitenanfang von für In Memoriam – gewidmet den 2010 verstorbenen Radsportlern



Radsportnews auf Twitter - Radsport, Cycling, Radrennen live