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8 Fragen an Erik Weispfennig, den Sportlichen Leiter der Sixdays Bremen
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14.01.2020

8 Fragen an Erik Weispfennig, den Sportlichen Leiter der Sixdays Bremen

Info: Sixdays: Sixdays Bremen 2020
Autor: gestellt von Thorsten Schmidt (sixdaysinfo.de)



Erik, Du hast Dir als Sportlicher Leiter des Bremer Sechstagerennes die Nachwuchsförderung auf die Fahnen geschrieben und dafür auch immer Neues ausprobiert. In diesem Jahr gibt es statt eines U23-Rennens einen „Elite-Cup“. Welche Idee steckt dahinter?

Ich möchte möglichst vielen jungen Fahrern Startmöglichkeinen anbieten, gerade auf dieser speziellen Bremer Bahn, auf der man nur einmal im Jahr seine Erfahrungen sammeln kann.
Deshalb haben wir in diesem Jahr erstmals einen „Elite-Cup“ ausgeschrieben. Ein U23-Rennen hat ein Alterslimit, aber das viele Sportler sind mit 23 noch nicht gut genug, um im Profifeld wirklich mithalten zu können. Früher hat man mehr Zeit gehabt, als es noch Amateur-Sechstagerennen gab. Da ist so mancher erst mit 26 oder 27 Profi geworden. Aber wer jetzt mit 23 für die U23-Rennen zu alt ist und keinen Startplatz bei einem Profirennen bekommt, der kann keine Rennen mehr fahren, um noch besser zu werden. Und viele hören dann auch auf. Das finde ich sehr schade und deshalb habe ich das Alterslimit aufgehoben und einen „Elite-Cup“ daraus gemacht. Und weil es die Rennserie des UIV-Cups nicht mehr gibt, spricht auch nichts dagegen, zukünftig wieder zum früheren Format der „Amateur-Sechstagerennen“ zurückzukehren.
Die UCI hat unseren „Elite-Cup“ in der Klasse 1 eingestuft, d.h. die Fahrer kriegen die vollen Punkte für die Olympia-Qualifikation. Das ist ein zusätzlicher Anreiz, um nach Bremen zu kommen und noch ein paar fehlende Punkte abzugreifen. Und man sieht es ja, dass die Portugiesen ihre Landesmeister im Madison geschickt haben. Leider ist Rui Oliveira schwer gestützt, sonst hätten sie das Rennen vermutlich gewonnen.



Resultate: Profis | Elite-Cup | Sprinter | FrauenInfos: Startliste | Zeitplan
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Interviews: Erik Weispfennig


Könnte das nicht dazu führen, dass die ganz jungen wegbleiben, weil sie gegen gestandene World Tour-Fahrer wie Rui Oliveira keine Chance sehen?

Das könnte im Einzelfall so sein. Aber das war früher auch so, dass Messerschmidt/Donike aus der Nationalmannschaft kamen und ein Amateur-Sechstagerennen nach dem andern gewonnen haben. Mit solchen Fahrern muss man sich als junger Fahrer messen, auch wenn man erst einmal den Kürzeren zieht. Die Qualität wird durch diesen neuen „Elite-Cup“ sicherlich steigen und wer sich dieser Konkurrenz nicht stellen will, der wird auch kein Profi.


Du lädst auch immer wieder junge Sportler ins Hauptfeld ein. Unter den 24 Profis sind in diesem Jahr sechs dabei, die zum ersten Mal in Bremen starten und kaum Erfahrungen bei Sechstagerennen vorweisen. Hat die spezielle Bremer Bahn mit ihren engen und steilen Kurven ihren Schrecken verloren?

Das will ich nicht hoffen (lacht). Ich suche mir die jungen Sportler sehr genau aus, denen ich das zutraue, auf dieser Bahn mitzuhalten. Ich will ja nicht, dass es hier Stürze gibt. Dafür bin ich auch verantwortlich. Der Kreis der Kandidaten ist nicht sehr groß, das muss man leider sagen, aber diejenigen, die ich einlade, die sind durch die Nachwuchsrennen gegangen und ich habe sie bei anderen Wettbewerben auf der Bahn beobachten können. Ich wähle also mit Bedacht aus.


Mit dem jungen Schweizer Nico Selenati hast Du wieder einen aus dem Hut gezaubert, den noch keiner kannte...

Hier in Bremen kannte den noch keiner. (lacht) Aber ich habe ihn schon oft auf der Bahn gesehen, auch im Sommer, und ich wusste, dass er das kann, zumal mit einem Topfahrer wie Wim Stroetinga an seiner Seite. Und nach 4 Tagen lagen die beiden auf Platz 1 der Gesamtwertung... Nico ist ein Mann für die Zukunft und ich freue mich, dass die Schweizer Nationalmannschaft ihn freigestellt hat, denn er fliegt danach sofort zum Weltcup nach Milton.


Zu Deinem Konzept gehört auch, dass die drei Erstplatzierten des Vorjahres für eine Revanche eingeladen werden. In diesem Jahr gibt es keine Revanche. Bist Du von Deinem Konzept abgerückt?

Nein, ich hätte gern wieder eine Revanche ausgefahren. Aber die Vorjahressieger Iljo Keisse und Jasper van Buyst starten beide in Australien – genauso wie Roger Kluge, den ich schon immer gern in Bremen gehabt hätte... Wenn es irgendwie geht, wird es im nächsten Jahr wieder eine Revanche geben.


In deiner aktiven Karriere warst Du 9 Mal in Bremen am Start und in diesem Jahr stehst du zum 9ten Mal als Sportlicher Leiter an der Bande. Das ist also ein guter Zeitpunkt für ein Resümee. Was hat sich verändert? Welche deiner Ideen hast du umsetzen können und an welchen arbeitest Du noch?

Patrick Sercu hat mich in meiner ganzen Profi-Karriere als Sportlicher Leiter begleitet. Und nun wurde ich als Sportlicher Leiter sein Nachfolger. Ich habe diese neue Aufgabe mit großem Respekt vor ihm übernommen, aber ich habe auch meine eigenen Ideen gehabt. Glücklicherweise habe ich hier in Bremen ein Umfeld vorgefunden, dass mich in allem unterstützt hat. Wir wollten mehr Sport auf der Bahn sehen und da haben wir uns so einiges getraut. Wir haben die Nachwuchsfahrer nach Bremen geholt – mit den U23-Rennen und inzwischen ja auch mit dem Andi-Kappes-Cup für die U19-Sportler. Wir haben die Sprinter geholt und wir waren die ersten, die Frauenwettbewerbe in ein Sechstagerennen integriert haben. Dann kamen die Paralympics-Wettbewerbe und die Jedermänner dazu – mehr Sport passt nicht auf diese Bahn.
Dabei hilft mir sicherlich, dass ich einen guten Draht zu den Sportlern habe. Meine aktive Laufbahn ist noch nicht so lange her und durch meinen Sohn, der inzwischen U23-Rennen fährt, bin ich weiterhin mittendrin in der Szene.


In Rotterdam gab es in diesem Jahr ein neues Punktesystem. Für jeden Sieg in den Einzelwettbewerben gab es diesmal 20 Punkte. Dadurch wurden diese Wettbewerbe gegenüber den Jagden aufgewertet. Wie bewertest Du diese Idee?

Ich bin mit Peter Schep als Sportlicher Leiter von Rotterdam in engem Austausch und ich finde, dass er einen ganz tollen Job macht. Ich war in der letzten Woche dort und hab mir die Rennen angeschaut. Ich fand den Goldenen Sprint während der Jagden eine attraktive Idee. Zuschauer wurden ausgewählt und die bestimmten spontan, wann innerhalb einer Jagd durch einen Zwischensprint Punkte vergeben wurden. Vielleicht machen wir das in Bremen auch mal. Andere Ideen muss man sorgfältig prüfen. Was bei einem Rennen gut funktioniert, muss nicht bei allen anderen Rennen genauso gut ankommen. Jedes Sechstagerennen hat seine eigenen Traditionen...


Als neu gewählter Vizepräsident hast Du im letzten Jahr auch Verantwortung im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) übernommen. Nun haben Sportverbände generell das Image, dass dort alte Männer zusammensitzen, die nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind und vielleicht noch nie auf einem Rennrad gesessen haben. Hast Du solche Strukturen vorgefunden oder ist das ein längst überholtes Vorurteil?

Also zuerst muss man mal sagen: Vizepräsident im BDR ist ein Ehrenamt, so wie viele andere Ämter im BDR auch. Und wer hat Zeit für eine solche Tätigkeit und wer kann es sich leisten, so viel Zeit für ein Hobby aufzubringen? In erster Linie Rentner...
Mich hat es interessiert, mir anzuschauen, wie wird in solchen Gremien gearbeitet, wer trifft welche Entscheidungen und warum. Das war meine Intention, weshalb ich mich zur Verfügung gestellt habe. Schimpfen ist immer einfach, aber selber daran mitzuwirken, ist manchmal mühselig und braucht auf jeden Fall eine Menge Geduld. Dabei sind die Probleme eigentlich überall die gleichen. Im Verein im Kleinen genauso wie im Verband im Großen: Sponsoring, Außendarstellung, Medienpräsenz, Nachwuchsgewinnung... Der Sport hat es heute schwer in unserer Gesellschaft und der Leistungssport hat es noch schwerer...
Ich war sehr positiv überrascht, mit wie viel Herzblut überall im Verband gearbeitet wird. Und es gibt eine große Offenheit für innovative Ideen und notwendige Veränderungen. Aber Verbandsstrukturen sind ziemlich schwerfällig. Ein Verband ist wie ein großer Ozeandampfer. Bis der sich gedreht hat, dauert es seine Zeit. Da muss man als Sportfunktionär viele Kompromisse eingehen und sich selbst auch mal mit kleinen Erfolgen motivieren.
Um uns herum verändert sich aber alles viel schneller. Ich persönlich denke, dass sich unsere Strukturen im Leistungssport verändern müssen. Es muss viel mehr Hauptamtlichkeit möglich sein.
Da sollten wir uns an anderen Nationen orientieren, z.B. an den Briten. Ehrenamtliche als Repräsentanten sind gut, aber hauptamtliche Manager als Entscheider sind nötig. Wir müssen viel professioneller werden. Ob das Geld dafür da ist, das weiß ich nicht. Aber man kann nicht das eine wollen und das andere nicht können.






Erik Weispfennig, Sportlicher Leiter der Sixdays Bremen (Foto: Thorsten Schmidt)
Erik Weispfennig, Sportlicher Leiter der Sixdays Bremen (Foto: Thorsten Schmidt)

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