Besançon, 09.07.2012 – Die Tour de France 2012 wird in den Zeitfahren entschieden. Das war die vorherrschende Expertenmeinung seit Präsentation der Strecke im Oktober 2011. Diese These scheint sich zu bewahrheiten, denn der ohnehin bereits im Gelben Trikot fahrende Bradley Wiggins (Sky ProCycling) fügte seinen Verfolgern im ersten langen Zeitfahren auf der 9. Etappe beträchtliche Rückstände zu. Natürlich sind es noch fast zwei Wochen bis Paris, doch Wiggins' Vorsprung auf Cadel Evans (BMC Racing Team) beträgt nun schon fast zwei Minuten. Zudem war auch sein Edelhelfer Chris Froome wieder enorm stark und platzierte sich ebenfalls vor Fabian Cancellara (RadioShack-Nissan), der gegen die Briten machtlos war.
Wiggins gewinnt viel Zeit mit exzellenter Zeitfahrleistung
Wiggins siegt überlegen (Foto: letour.fr)
Angesichts der zwei langen Zeitfahren bei dieser Frankreich-Rundfahrt wurden Titelverteidiger Cadel Evans (BMC Racing Team) und Bradley Wiggins (Sky ProCycling) vor der Tour zu den Topfavoriten auf den Gesamtsieg ausgerufen und einem höchst spannenden Zweikampf entgegen gefiebert. Doch der Unterschied zwischen den beiden war heute auf den 41,5 Kilometern von Arc-et-Senans nach Besançon größer als erwartet. Wiggins legte schon so fulminant los, dass er Evans bis zum ersten Messpunkt nach 16,5 Kilometern 1:02 Minute abgenommen hatte. Trotz drei Minuten Startabstandes hätte man für eine kurze Zeit sogar befürchten können, bei gleichbleibenden Tempi würde Wiggins seinen Vordermann einholen. Doch Evans stabilisierte sich und konnte diese Schmach abwenden. Auf den nächsten 15 Kilometern wuchs der Abstand nur um 17 Sekunden, auf den letzten zehn Kilometern kamen weitere 24 dazu. So stand letztendlich ein unerwartet hoher Zeitverlust von 1:43 Minute für Evans zu Buche, der in der Gesamtwertung noch einmal um zehn Sekunden aus dem Prolog höher ausfällt. Die restliche Konkurrenz verlor weit mehr Boden auf Wiggins und wurde von ihm schon nach der 9. Etappe größtenteils zu vermeintlichen Statisten degradiert. Vincenzo Nibali (Liquigas) konnten den Schaden halbwegs limitieren, liegt mit 2:23 Minuten in der Gesamtwertung eine halbe Minute hinter Evans. Denis Menchov (Rabobank) hat nun 3:02 Minuten, Haimar Zubeldia (RadioShack-Nissan) 3:19 Minuten Rückstand. Vor diesen dreien liegt seit heute auch noch Wiggins‘ Teamkollege Chris Froome, der sogar fast vorbei an Evans auf Rang zwei geklettert wäre.
Martin wieder im Pech, Cancellara Dritter hinter Sky-Duo
Weltmeister Tony Martin (Foto: letour.fr)
Lange vor dem Kampf um die Gesamtwertung begab sich der erste große Anwärter auf den Tagessieg ins Rennen. Doch Tony Martin (Omega Pharma-Quick Step), der kurz bevor die Mittagsstunde schlug startete, hatte noch immer unter altem Pech zu leiden und wurde darüber hinaus von neuem heimgesucht. Trotz seines Kahnbeinbruchs, der ohne Frage eine leichte Schwächung für den Weltmeister war, ging er mit höchsten Ambitionen ins Rennen, musste aber schon nach fünf Kilometern sein Rad wechseln. Genau wie im Prolog bremste ein Platten die Euphorie. Dennoch fuhr Martin eine neue klare Bestzeit, ließ die beiden bis dahin dominanten Vacansoleil-Fahrer Lieuwe Westra und Gustav Erik Larsson hinter sich. Erst Fabian Cancellara (RadioShack-Nissan) konnte Martin, der am Ende Zwölfter wurde, aufzeigen, wie viel ihm heute zur Spitze fehlte. Mindestens 1:19 Minute nämlich, die der Schweizer schneller war. Der Prolog-Triumphator von Lüttich musste bei Tejay Van Garderen (BMC Racing Team) erstmals um seine Führung bangen. Der US-Amerikaner lag an den beiden Zwischenzeiten knapp vor ihm, erreichte das Ziel aber doch mit neun Sekunden Rückstand. Weniger spannend machte es Froome, der Cancellara nach 16,5 Kilometern schon 27 Sekunden voraus war und 22 davon bis ins Ziel verteidigte. Der Gewinner der Bergankunft von La Planche des Belles Filles wurde schließlich aber von seinem Kapitän Wiggins in die Schranken gewiesen, der 35 Sekunden vor Froome und 57 vor Cancellara mit beeindruckendem Vorsprung siegte.
RadioShack bleibt beste Mannschaft, Van Garderen zurück in Weiß
Tejay Van Garderen (Foto: letour.fr)
Mit den starken Wiggins und Froome reichte Sky sogar der über drei Minuten zurück auf Platz 27 liegende Michael Rogers, um die Mannschaftswertung der Etappe zu gewinnen. Das Team RadioShack-Nissan verlor rund die Hälfte seiner knapp drei Minuten Vorsprung in diesem Klassement, obwohl man wieder eine in der Breite von anderen Kadern unerreichbare Stärke zeigten. Nach dem Dritten Cancellara war Andreas Klöden auf Platz zehn der zweitbeste Fahrer seiner Mannschaft und zugleich bester Deutscher. Auf den Rängen elf bis 18 verteilt folgten Maxime Monfort, Zubeldia, Jens Voigt und Tony Gallopin. Eine positive Überraschung war die starke Leistung van Garderens, der hinter dem Trio Wiggins, Froome, Cancellara den vierten Platz einfuhr, noch vor Sylvain Chavanel (Omega Pharma-Quick Step) und Evans. Van Garderen eroberte sich damit, nach nur zwei Tagen im normalen BMC-Dress, das Weiße Trikot von Rein Taaramäe (Cofidis) zurück, der in der Nachwuchswertung jetzt 42 Sekunden Rückstand aufweist, drei weniger als Gallopin. In der Gesamtwertung ist Van Garderen Achter und schon 5:14 Minuten vom Maillot Jaune entfernt, das aber Ziel seines Teamkollegen Evans bleibt. Auch wenn Wiggins bisher nur Stärken und noch keine Schwächen zeigte.
Morgen können sich die noch 178 Fahrer am ersten Ruhetag ein wenig erholen, bevor es Mittwoch auf der 10. Etappe langsam aber sicher Richtung Alpen geht. Die Strecke führt 43 Kilometer vor dem Ziel über den Col du Grand Colombier, den ersten HC-Berg dieser Tour, auf den noch eine Bergwertung der 3. Kategorie und ein ansteigender letzter Kilometer folgen.
Video-Zusammenfassung vom Veranstalter
Bradley Wiggins siegt überlegen beim Zeitfahren auf der 9. Etappe der Tour de France 2012 (Foto: letour.fr)
Weltmeister Tony Martin verlor schon nach wenigen Kilometern Zeit durch einen Defekt (Foto: letour.fr)
Tejay Van Garderen holte sich das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers zurück (Foto: letour.fr)
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