Rouen, 04.07.2012 – Auf der 4. Etappe der Tour de France hat André Greipel nach starker Vorarbeit seines Teams Lotto Belisol den Sieg geholt. Es war bei der Frankreich-Rundfahrt der zweite des Deutschen, der 2011 bei seiner Tour-Premiere einmal Mark Cavendish (Sky ProCycling) schlagen konnte. Mit dem Weltmeister, dem er vor zwei Tagen noch unterlag, musste sich Greipel heute nicht messen, weil dieser in einen Massensturz knapp drei Kilometer vor dem Ziel involviert war. Die verbliebenen Gegner waren chancenlos, Alessandro Petacchi (Lampre) holte mit Platz zwei das Maximum heraus.
Tjallingii drittes Sturzopfer des gestrigen Tages
Spitzengruppe mit Arashiro (Foto: letour.fr)
Die 4. Etappe begann mit einer Überraschung, denn es war die erste der 99. Frankreich-Rundfahrt, bei der sich eine Ausreißergruppe ohne Michael Mørkøv (Saxo Bank-Tinkoff Bank) bildete. Als Konstante bleibt so lediglich das Team Europcar, das bislang bei jeder Flucht dabei war und sich heute durch Yukiya Arshiro vertreten ließ. Der Japaner, Routinier David Moncoutié (Cofidis) und der bereits auf der 1. Etappe ausgerissene Anthony Delaplace (Saur-Sojasun) verbuchten nach einer halben Stunde Fahrzeit schon acht Minuten Vorsprung auf ein Feld, welches es nach der anstrengenden gestrigen Etappe sehr ruhig angehen ließ. Die vielen Stürze hatten Kanstantsin Sivtsov (Sky ProCycling) und José Joaquin Rojas (Movistar) zur Aufgabe gezwungen und forderten noch ein weiteres Opfer. Maarten Tjallingii (Rabobank) trat heute nicht mehr an, nachdem er sich tags zuvor 40 Kilometer mit gebrochener Hüfte ins Ziel gekämpft hatte. Die Fahrer werden heute froh gewesen sein, dass der Wind an der Alabasterküste den Ärmelkanal entlang nur sehr schwach wehte und die berüchtigte Windkante nicht schon wieder für ein chaotisches Rennen sorgte. Ein wenig Hektik kam erst nach 140 Kilometern auf, als am Zwischensprint um Punkte für das Grüne Trikot gekämpft wurde. Mark Cavendish (Sky ProCycling) setzte sich problemlos vor Matthew Goss (Orica-GreenEdge), Mark Renshaw (Rabobank) und Peter Sagan (Liquigas) durch, nachdem sechs Minuten zuvor Arashiro den ersten Platz für sich beansprucht hatte.
Massensturz erwischt Cavendish und einige weitere Sprinter
Cancellara behält weiterhin Gelb (Foto: letour.fr)
Vom Zwischensprint aus ging es landeinwärts in Richtung des Zielortes Rouen. Man überquerte direkt die letzte von vier Bergwertungen des Tages, bei denen Moncoutié und Delaplace schön abwechselnd den einen verfügbaren Punkt mitnahmen, ohne dass Mørkøv sich um sein Bergtrikot sorgen musste. Bei nun leichtem Regen war man sich im Peloton nicht immer ganz einig, wer für die Verfolgung der Ausreißer zuständig sei, doch RadioShack-Nissan leistete die grundlegende Arbeit und auch Sprinterteams wie Lotto Belisol, Orica-GreenEdge und FDJ stiegen rechtzeitig ein. Zehn Kilometer vor dem Ziel, als eine letzte kurze Steigung zu bewältigen war, schloss das Feld fast auf und Delaplace lancierte einen Angriff, der ihm aber weder gegen die heranbrausende Meute half, noch die rote Rückennummer sicherte. Als kämpferischster Fahrer wurde Arashiro auserwählt. Zur gleichen Zeit attackierte der gestrige Ausreißer Andriy Grivko (Astana), dem Maxime Bouet (Ag2r La Mondiale) und Jérôme Pineau (Omega Pharma-Quick Step) folgten. Auch Philippe Gilbert (BMC Racing Team), Samuel Dumoulin (Cofidis), der Gesamtdritte Sylvain Chavanel (Omega Pharma-Quick Step) und Wout Poels (Vacansileil-DCM) beteiligten sich an den Vorstößen, die allerdings nicht die nötige Durchschlagskraft hatten. Nach einer Abfahrt wurde Dumoulin vier Kilometer vor dem Ziel als Letzter wieder gestellt und das Feld steuerte dem zweiten Massensprint dieser Tour entgegen. Dem ging aber noch ein Massensturz voraus, der sich kurz nach der Drei-Kilometer-Marke ereignete und so wenigstens keinen Einfluss auf das Gesamtklassement nahm. Er verschonte auch die prominentesten Fahrer nicht und so saß ein geknickter Weltmeister auf dem Boden, als sich das Kuddelmuddel auflöste.
Wie viel Wert hat ein Sprintsieg ohne Cavendish als Gegner?
Klarer Sieg für Greipel (Foto: letour.fr)
Cavendish befand sich wie seine Teamkollegen Robert Hunter und Bernhard Eisel und seine Sprintkollegen Mark Renshaw (Rabobank), Tyler Farrar (Garmin-Sharp) und Yauheni Hutarovich (FDJ-BigMat) mittendrin im Sturzzentrum. So war die Bahn frei für André Greipel, der in Tournai nur Cavendish unterlegen war und erneut seine Überlegenheit gegenüber der restlichen Konkurrenz demonstrierte. Im Überschwang der Gefühle nach seinem zweiten Tour-Erfolg adelte der 29-Jährige seine Teamkollegen Marcel Sieberg, Jurgen Roelandts und Gregory Henderson als „beste Anfahrer der Welt“ – was nicht total übertrieben ist, denn sie bereiteten ihm auf dem letzten Kilometer den Sprint mustergültig vor. Alessandro Petacchi (Lampre) und Tom Veelers (Argos-Shimano) blieben nur die Plätze zwei und drei. Peter Sagan (Liquigas) wurde Fünfter hinter Matthew Goss (Orica-GreenEdge), welcher jetzt als Zweiter der Punktewertung 55 Zähler Rückstand zum Slowaken aufweist. Greipel ist 60 Punkte hinter Sagan Dritter und könnte besser liegen, würde er sich an den Zwischensprints mehr ins Zeug legen, wo er dreimal in Folge nicht punktete. Doch Etappensiege sind ihm wichtiger. Seinen ersten hatte er bei der Tour 2011 in Carmaux im Duell gegen Cavendish errungen, dessen Abwesenheit den heutigen Erfolg in der öffentlichen Wahrnehmung möglicherweise ein klein wenig schmälert. Ein Etappensieg ist ein Etappensieg, doch gegen Cavendish hätte er ohne Zweifel noch mehr Prestige. An den nächsten beiden Tagen könnte es aber die erneute Gelegenheit für einen Direktvergleich der beiden endschnellsten Fahrer des Feldes geben.
Die morgige 5. Etappe ist wieder flach, weist nur ein paar kleinere Wellen, aber keine einzige Bergwertung auf. Das Finale in Saint-Quentin am Ende der 196,5 Kilometer ist leicht ansteigend. Ab der Flamme Rouge geht es bei circa drei Prozent hinauf, was für die Sprinter kein Hindernis darstellen sollte.
Video-Zusammenfassung vom Veranstalter
Andrél Greipel siegt im Sprint auf der 4. Etappe der Tour de France 2012 (Foto: letour.fr)
Yukiya Arashhiro in der Ausreißergruppe mit Anthony Delaplace und David Moncoutié (Foto: letour.fr)
Fabian Cancellara bleibt weiterhin im Gelben Trikot der Tour de France (Foto: letour.fr)
André Greipel siegt mit fast einer Radlänge Vorsprung auf Alessandro Petacchi (Foto: letour.fr)