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Gerolsteiner verschwindet mit lautem Knall vorzeitig aus dem Radsportzirkus
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15.10.2008

Gerolsteiner verschwindet mit lautem Knall vorzeitig aus dem Radsportzirkus

Autor: Jörg Schröder (Links2003)



Gerolstein, 15.10.2008 - Mit einem Paukenschlag also verabschiedet sich das Team Gerolsteiner aus dem Radsportzirkus. Diesen hatte sich Teaminhaber Hans-Michael Holczer aber mit Sicherheit ganz anders vorgestellt. Dabei war das ganze Jahr 2008 ein Auf- und Ab der Gefühle für die Mitglieder und Fans des Teams gewesen. Nun schließt der deutsche Radrennstall seine Türen gezwungener Maßen schon vor dem geplanten Abschluss bei der Lombardei-Rundfahrt auf Grund zweier positiver A-Proben bei seinen Fahrern Stefan Schumacher und Bernhard Kohl.

Schon im Jahr 2007 gab der Hauptsponsor Gerolsteiner bekannt, nach der Saison 2008 aus dem Sponsoring des Teams auszusteigen. Seit dem suchten Hans-Michel Holczer und sein Team trotz großer Anstrengungen vergeblich nach einem neuen Geldgeber. Im gesamten Jahr zeigte das Team zwei Gesichter. Sportlich konnte Gerolsteiner eines seiner besten Jahre verbuchen, was vor allem an der erfolgreichsten Tour de France in der 10 Jahre andauernden Teamgeschichte liegt – die nach neuesten Erkenntnissen aber in ein anderes Licht gerückt wurden. Letztlich brachten es die Fahrer auf 18 Siege – auch wenn nach den jüngsten Ereignissen einige davon wieder aberkannt werden konnten. Abseits von sportlichen Erfolgen gab es aber auch die dunklen Seiten. Neben der erfolgslosen Suche nach einem neuen Hauptsponsor und Namensgeber machte auch das im Radsport allgegenwärtige Thema Doping vor dem Team nicht halt.

Los gingen die Ungereimtheiten nach dem Sieg des jungen Italieners und Teamneulings Francesco De Bonis auf der 4. Etappe der Tour de Romandie. Nach einer starken Kraftanstrengung siegte er am Ende quasi mit der „zweiten Luft“. Danach wurde de Bonis aus undurchsichtigen Gründen bei keinem Rennen nicht mehr eingesetzt, eine Verletzung hatte es nach eigener Aussage aber nie gegeben. Bereits vorher hatte das Team beim Schweizer Eintagesrennen GP di Lugan auf de Bonis auf Grund einer Kortisonbehandlung verzichtet, die auf Grund eines Bienenstiches vorgenommen wurde. Ähnlich verfahren wurde mit dessen Landsmann Andrea Moletta. Molettas Vater war bei einer Verkehrskontrolle auf dem Weg zum Giro d’Italia den Dopingfahnder aufgefallen, woraufhin sein Sohn vom Team aus dem Rennbetrieb genommen wurde. Da der Fall nie richtig geklärt wurde, absolvierte der Eintagesrennspezialist keinen weiteren Wettkampf mehr.

Bei der Tour de France überraschte Gerolsteiner mit starken Leistungen. Sebastian Lang führte zeitweise im Bergtrikot und übergab es im weiteren Rennverlauf an seinen Teamkollegen Bernhard Kohl. Der Österreicher gewann das gepunktete Leibchen quasi nebenbei, sein Hauptaugenmerk lag auf dem Gesamtklassement. Hier sorgte er für eine große Überraschung, in den Bergen hielt er mit den Arrivierten mit und sicherte sich so am Ende sensationell denn dritten Gesamtrang – und löste damit in Österreich eine riesen Radsport-Euphorie aus. Vor der Tour war Georg Totschnig der bis dato einzige Fahrer der im Trikot der Mineralwassertruppe aus der Eifel einen Tourerfolg erringen konnte, Stefan Schumacher lies mit dem Gewinn beider Zeitfahren gleich zwei weitere Erfolge hinzukommen. Zudem trug er zeitweise das Gelbe Trikot und kämpfte bis zum Schluss um den Titel des kämpferischsten Fahrers. Vor allem dank der Leistungen von Kohl und Schumacher hatten die Verhandlungen mit potentiellen Sponsoren neuen Rückenwind bekommen und die Hoffnung auf eine Zukunft des einzigen deutschen Profiteams neben dem Team Milram wurde genährt.

Letztlich wird Hans-Michel Holczer insgeheim froh sein dürfen, keinen neuen Sponsor gefunden zu haben. Nach den neuesten Ergebnissen der A-Proben von Stefan Schumacher und Bernhard Kohl, in denen bei der Tour de France das EPO-Mittel CERA nachgewiesen wurde, wären die neuen Sponsoren vermutlich wieder abgesprungen und Fahrer und Angestellte mit gültigen Verträgen hätten auf der Straße gestanden. Der studierte Lehrer hatte stets eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Doping eingenommen, nach den jüngsten Ereignissen verspürte er aber viel Gegenwind. Ihm wurde von vielen Seiten und insbesondere von überführten Dopern wie Patrick Sinkewitz und Jörg Jaksche Vorwürfe gemacht und Betriebsblindheit unterstellt. Zudem wird Holczer nun damit konfrontiert, einen zuvor mehrfach auffälligen Schumacher mit zur Tour genommen zu haben und dessen Machenschaften billigend in Kauf genommen zu haben um von den Erfolgen bei der Sponsorensuche zu profitieren. Genauso hätte er die Siege von Kohl gefeiert, obwohl diese auch mehr als überraschend gewesen seinen und grade in der heutigen Zeit Skeptiker auf den Plan gerufen hatten. Nach dem ihm Bernhard Kohl am Montag von der positiven A-Probe berichtet hatte, teilte er mit: "Ich bin unendlich traurig. Das zeigt die ganze Macht- und Hilflosigkeit. Für mich ist es an der Zeit, mich zu verabschieden. Ich kapituliere vor dieser kriminellen Energie“. Als letztes Mittel kündigte der sich als Mathematiklehrer mit Zahlen auskennende Holczer gegenüber den bisher alle Anschuldigungen abstreitenden Kohl und Schumacher Schadensersatzklagen an.

Für den 54jährigen Holczer geht nicht nur ein Lebenstraum zu Ende, dieser wird zum Schluss auch noch mit Füßen getreten und völlig zerstört. Ob und wie groß seine Mitschuld daran ist bleibt dahin gestellt, ein trauriges Ende ist es allemal. Der geplante krönende Abschluss bei der Lombardei-Rundfahrt am kommenden Wochenende, wo man mit dem deutschen Meister Fabian Wegmann einen der Favoriten gestellt hätte, fällt nun auf ausdrücklichen Wunsch der Teamleitung sowie gemäß des Code de Conduit aus, das Teamende kommt schneller als erwartet. Für Gerolsteiner ist es vielleicht ein Ende mit Schrecken, aber heißt es für den Radsport: ein Schrecken ohne Ende??





Hans- Michael Holczer (Gerolsteiner), Foto: Gerolsteiner Brunnen GmbH&Co KG
Hans- Michael Holczer (Gerolsteiner), Foto: Gerolsteiner Brunnen GmbH&Co KG

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