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Niki Terpstra verhindert einen „Massensprint“ bei Paris-Roubaix
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13.04.2014

Niki Terpstra verhindert einen „Massensprint“ bei Paris-Roubaix

Info: PARIS - ROUBAIX 2014
LiVE-Ticker zum Nachlesen: Flash | Text
Autor: Felix Griep (Werfel)



Roubaix, 13.04.2014 – Es geschah im Jahre 1896. Josef Fischer gewann die erste Austragung eines Radrennens, das zur „Königin der Klassiker“ werden sollte, und ist bis heute der einzige Deutsche, der je bei Paris-Roubaix triumphierte. Weit mehr als ein Jahrhundert später hätte John Degenkolb sein Nachfolger werden können, als sich bei der 112. Ausgabe ein ungewöhnliches Ende anbahnte. Eine Gruppe aus elf Fahrern um den sprintstarken Gent-Wevelgem-Sieger näherte sich dem Vélodrome. Doch Niki Terpstra machte ihm einen Strich durch die Rechnung, verhinderte die „Sprintankunft“, indem er sechs Kilometer vor dem Ziel attackierte und mit 20 Sekunden Vorsprung den größten Triumph seine Karriere einfuhr. Zudem bescherte er Omega Pharma-Quick Step nach Enttäuschungen bei den großen belgischen Klassikern einen erlösenden Erfolg. Degenkolb gewann den Sprint der Verfolger vor Fabian Cancellara (Trek Factory Racing) und wurde Zweiter, was ebenfalls aller Ehren wert ist.

Erfolgsdruck für Omega Pharma-Quick Step
Ein einzelner Mann und ein ganzes Team standen speziell im Fokus im Vorfeld der 112. Austragung der „Hölle des Nordens“. Fabian Cancellara (Trek Factory Racing) hätte eine Woche nach seinem Sieg bei der Flandern-Rundfahrt wie 2010 und 2013 das „Double“ der beiden größten Kopfsteinpflaster-Klassiker holen können, was noch keinem Fahrer dreimal gelungen war. Weniger positiv waren die Voraussetzungen für Omega Pharma-Quick Step, das mit bis dahin 21 Saisonsiegen zwar schon ein überaus erfolgreiches Jahr erlebt hatte, aber bei den Eintagesrennen der WorldTour seine Stärke noch nicht in Zählbares ummünzen konnte. Die Plätze fünf bei Mailand-Sanremo, zwei bei E3 Harelbeke, fünf bei Gent-Wevelgem und vier bei der Ronde waren das jeweilige Topergebnis des Teams, das nun beim Höhepunkt des Frühjahrs umso mehr gefordert war. Neben Roubaix-Rekordsieger Tom Boonen zählten Niki Terpstra, Zdenek Stybar und Stijn Vandenbergh zu den stärksten Fahrern des OPQS-Kaders, der in Compiègne an den Start ging. 257 Kilometer führten von dort aus nach Roubaix, 51,1 davon über Kopfsteinpflaster. Bis die Favoriten sich etwas trauten, dauerte es freilich eine ganze Weile. Bis zum Wald von Arenberg, dem ersten Sektor aus der höchsten Schwierigkeitsstufe, passierte abgesehen von dem einen oder anderen Defekt nicht viel. David Boucher (FDJ.fr), Kenny Dehaes (Lotto Belisol), Michael Kolar (Tinkoff-Saxo), Tim De Troyer (Wanty-Groupe Gobert), Andreas Schillinger (NetApp-Endura), John Murphy (UnitedHealthcare) sowie Benoît Jarrier und Clément Koretzky (Bretagne-Séché Environnement) fuhren als Ausreißer voraus.

Boonen erster Angreifer aus dem Favoritenkreis
Der Wald von Arenberg – oder Trouée d'Arenberg, wie die 2400 Meter lange Pavé-Strecke offiziell bezeichnet wird – halbierte die achtköpfige Gruppe, deren Vorsprung sich bereits von einmal fast zehn auf vier Minuten verringert hatte, knappe einhundert Kilometer vor dem Rennende. Schillinger fuhr voran und nur Jarrier, De Troyer und Murphy blieben bei dem Deutschen. Als die Räder des Pelotons über das Pflaster holperten, wurde ein erstes prominentes Opfer gefordert. Mailand-Sanremo-Sieger Alexander Kristoff (Katusha) fiel durch einen Platten zurück, hatte später auf der Jagd zurück Richtung Feld einen weiteren Defekt und stieg wenig später aus, nachdem er auch noch stürzte. Nach dem Wald von Arenberg herrschte eine Weile stete Unruhe. Bei den immer neuen Ausreißversuchen war vor allem das BMC Racing Team und insbesondere Thor Hushovd oft eine treibende Kraft. Für eine dauerhafte Änderung der Rennsituation sorgte aber erst der Angriff eines Fahrers mit einem der größten Namen im Sektor Beuvry-la-Forêt–Orchies. Niemand Geringerer als Tom Boonen forderte die Konkurrenz heraus. Der Belgier nahm einige Fahrer mit, die noch knapp vor dem Feld gelegen hatten und löste Schillinger und Co. als Spitzenreiter ab. Es etablierte sich eine Gruppe mit Boonen, Hushovd, Geraint Thomas (Team Sky), Bert de Backer (Giant-Shimano), Yannick Martinez (Europcar) und Bram Tankink (Belkin), die bis zu 50 Sekunden Vorsprung herausholte, aber doch nicht optimal lief. Mehrmals bemühte Boonen mahnende Worte gepaart mit ausschweifenden Gesten, um seinen Unmut auszudrücken und die Mitstreiter zu größerem Einsatz zu animieren.

Verfolgungsjagd zwischen zwei Gruppen im Finale
Über Mons-en-Pévèle, den zweiten Abschnitt mit Fünf-Sterne-Kopfsteinpflaster, ging es ereignislos hinweg, erst im übernächsten Sektor, Pont-Thibaut, tat sich etwas im bereits auf ungefähr 40 bis 50 Fahrer geschrumpften Feld. Sep Vanmarcke unterstrich die Ambitionen des stets sehr präsenten Belkin-Rennstalls. Cancellara reagierte umgehend auf den Vorstoß des Vorjahreszweiten, womit dieser neutralisiert wurde. Kurz darauf schoss Peter Sagan (Cannondale) nach vorne. Weder der Slowake, noch Maarten Wynants (Belkin), der sich an seine Fersen heftete, versprühten offenbar den Duft von Gefahr, und man ließ die beiden ziehen. 25 Kilometer vor dem Ziel schlossen sie zur Führungsgruppe auf, in welcher die Zusammenarbeit aber immer noch nicht optimal funktionierte. Bald waren selbst bei Boonen Anzeichen von Resignation auszumachen und das Ende der Flucht war nicht mehr abzuwenden. Sagan entzog sich im letzten Moment dem Zusammenschluss und war vorübergehend alleiniger Leader. Es folgte der Vier-Sterne-Sektor Camphin-en-Pévèle, wo abermals Vanmarcke forcierte und wieder Cancellara als Erster nachsetzte. Nur Zdenek Stybar (Omega Pharma-Quick Step) und John Degenkolb (Giant-Shimano) hielten mit, dahinter taten sich Löcher auf. Auf Carrefour de l’Arbre, dem letzten schweren Pavé-Abschnitt mit wiederum fünf Sternen, holten sie Sagan ein, während sich allmählich eine Verfolgergruppe mit sechs Fahrern aus vier verschiedenen Teams zusammenfand. Sie bestand aus dem OPQS-Duo Boonen und Terpstra, dem Sky-Pärchen Thomas und Bradley Wiggins, Giant-Shimanos De Backer und Sebastian Langeveld (Garmin-Sharp) und hatte bei kaum mehr als 15 Sekunden noch keinerlei Grund, sich aufzugeben.

Keine Gegenwehr bei Terpstras entscheidender Attacke
Es kam tatsächlich zur Vereinigung dieser beiden Gruppen, so dass bei Paris-Roubaix, einem Rennen, das für gewöhnlich durch Soloaktionen oder aus kleinen Gruppen entschieden wird, ein Sprint von nicht weniger als elf Fahrern möglich erschien. Ein Szenario, das Boonen und Sagan durchaus entgegenkommen wäre, aber wohl Degenkolb die größten Chancen auf den Sieg gegeben hätte. Vielleicht trug die Papierform des Deutschen sogar eine Mitschuld daran, dass daraus nichts wurde. Omega Pharma-Quick Step spielte seine Karten geschickt aus, sechs Kilometer vor dem Ziel attackierte Terpstra. Niemand wollte so recht nachfahren und sich als „Helfer“ für den Sieger von Gent-Wevelgem betätigen. Zwar leistete sein Teamkollege de Backer noch etwas Verfolgungsarbeit und auch Thomas machte kurzzeitig Tempo – aber Terpstra war auf und davon. Den 29-jährigen Niederländer, der 2014 schon Katar-Rundfahrt und Dwars door Vlaanderen gewann, fuhr im Vélodrom von Roubaix mit 20 Sekunden Vorsprung über die Ziellinie. Degenkolb behielt im Sprint um Platz zwei die Oberhand und Cancellara setzte als Dritter seine Podiums-Serie bei den Monumenten fort. Klammert man den sturzbedingten Ausfall bei der Flandern-Rundfahrt 2012 aus, schnitt der Schweizer zwölfmal in Folge nie schlechter ab als Platz drei. Vanmarcke wurde Vierter, Sagan Sechster, Boonen Zehnter. Mit 47 Sekunden Rückstand finishte eine Gruppe, deren Sprint um Platz zwölf Arnaud Démare (FDJ.fr) vor dem Österreicher Bernhard Eisel (Team Sky) gewann. Nach 1:05 Minute folgte die nächste Gruppe um Hushovd und den zweibesten Deutschen des Tages, Marcus Burghardt (BMC Racing Team).

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Mit Paris-Roubaix endete der erste große Abschnitt der Frühjahrsklassiker. Bei den nun folgenden Ardennenklassikern sind andere Fahrertypen gefragt, Anstiege spielen dann die entscheidende Rolle. Nächsten Sonntag geht es mit dem Amstel Gold Race los.





Niki Terpstra gewinnt das 112. Paris-Roubaix (Foto: ASO/B.Bade)
Niki Terpstra gewinnt das 112. Paris-Roubaix (Foto: ASO/B.Bade)

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